1 Status quo
Der Import-One-Stop-Shop (IOSS) war zum 01.07.2021 eingeführt worden (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 36 | 2020). Das neue Verfahren ersetzte die betrugsanfällige Kleinbetragsgrenze für die Einfuhr von Waren mit einem Wert bis zu EUR 22. Man erhoffte sich, Lieferanten aus dem Drittland durch Bürokratieabbau dazu zu animieren, ihre steuerlichen Pflichten innerhalb der EU zu erfüllen. Ein Lieferant kann sämtliche Sendungen aus dem Drittland bis zum Wert von EUR 150, für die er Steuerschuldner ist, unter seiner IOSS-Identifikationsnummer (IOSS-Nr.) ohne Einfuhrabgaben in die EU einführen, sofern er die geschuldete Mehrwertsteuer in der IOSS-Erklärung deklariert und bezahlt.
Der erhoffte Befreiungsschlag blieb in der Praxis jedoch aus. Im Gegenteil, viele Lieferanten aus dem Drittland nutzen die Flut an Sendungen aus, um, man muss es so deutlich sagen, Steuerhinterziehung zu begehen. Täglich werden reihenweise Sendungen unter fremden IOSS-Nummern abgabenfrei in die EU eingeführt und die Mehrwertsteuer anschließend gar nicht gemeldet. Denn bis dato fehlt den Zollbehörden die Möglichkeit, zu kontrollieren, ob eine IOSS-Nr. tatsächlich dem Lieferanten gehört und ob dieser aktuell seinen Pflichten im IOSS nachkommt.
Vor dem Hintergrund exponentiell wachsender Einfuhren wollte die EU-Kommission an dieser Stelle die Schrauben schnellstmöglich anziehen. Einerseits soll für die Zollbehörden eine Kontrollmöglichkeit geschaffen werden. Hierzu wurde bereits im Rahmen des „ViDA“-Pakets mit sofortiger Wirkung beschlossen, die Verknüpfung der IOSS-Nr. mit der Sendung herzustellen (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 45 | 2024). Und nun sollen weitere Anreize für die Nutzung der IOSS-Regelung geschaffen werden.
2 Beschlossene Änderungen
Am 13.05.2025 hat der Rat der EU eine Einigung über eine weitere IOSS-Reform erzielt. Durch Verstärkung des regulatorischen Rahmens soll die Nutzung des IOSS für die Unternehmen attraktiver gestaltet werden. Ab 01.07.2028 sollen Onlinehändler zu Schuldnern der Einfuhrmehrwertsteuer im Mitgliedstaat des Transportendes bestimmt werden, sofern sie ihre Fernverkäufe bis EUR 150 nicht über eine elektronische Schnittstelle (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 18 | 2025) abwickeln oder IOSS nutzen. Sie können die Steuerpflicht nicht mehr auf den Erwerber verlagern (Art. 201 MwStSystRL-E). Die Maßnahme führt zu einer Registrierungspflicht in jedem dieser Mitgliedstaaten. Da der Leistende Schuldner der Einfuhrmehrwertsteuer ist, wird der Besteuerungsort nach Art. 32 Abs. 2 MwStSystRL dorthin verlagert.
Im Drittland ansässige Onlinehändler benötigen für die Einfuhr von Sendungen außerhalb des IOSS künftig einen Steuervertreter, der alle Mehrwertsteuerpflichten übernimmt. Hierfür kommt z.B. der indirekte Zollvertreter in Frage. Der Steuervertreter kann auch unmittelbar als Schuldner für die Einfuhrmehrwertsteuer bestimmt werden. Die tatsächliche Überlassung der Sendung setzt die Entrichtung der Einfuhrmehrwertsteuer voraus. Wenn der Onlinehändler oder sein Vertreter bei der Einfuhr ihre Pflichten nicht erfüllen, werden die Waren nicht in den freien Verkehr überlassen. Um das Anhalten einer Sendung gegen den Willen des Kunden zu vermeiden, werden die Mitgliedstaaten gestatten, dass der Erwerber, mit seiner Zustimmung, die geschuldete Mehrwertsteuer bei der Einfuhr entrichtet.
3 Rechtsfolgen für die Zukunft
Ein Onlinehändler kann künftig Sendungen unter EUR 150, die er nicht mit Unterstützung einer elektronischen Schnittstelle, z. B. über die eigene Webseite, abgewickelt hat, entweder im IOSS oder regulär zur Einfuhr anmelden:
- Bei Nutzung des IOSS bleibt das Verfahren wie bisher: Es erfolgt eine steuerfreie Einfuhr, der Lieferant gibt anschließend die Meldung ab und zahlt die Mehrwertsteuer im Bestimmungsland im IOSS.
- Bei Nichtnutzung des IOSS ist die Einfuhr wie bisher steuerpflichtig. Allerdings trägt der Lieferant die Steuerschuld. Die Einfuhrmehrwertsteuer wird dabei vom Bestimmungsmitgliedstaat erhoben und ist im Voraus zu entrichten. Für den Lieferanten hat dies auch eine Registrierungspflicht zur Folge.
- Nur wenn der Lieferant seinen Pflichten nicht nachkommt, kann – mit Zustimmung des privaten Erwerbers – die Sendung in den freien Verkehr überführt werden, nachdem der Erwerber die Einfuhrmehrwertsteuer bezahlt hat.
4 Folgen für Onlinehändler
Mit der Einigung wurde ein Erfolg gegen die Betrugsanfälligkeit des IOSS erzielt. Zum Glück hat der EU-Gesetzgeber bei Sendungen aus dem Drittland den dringenden Handlungsbedarf erkannt und verabschiedet die IOSS-Reform in kleinen Paketen. Im ersten Schritt wurde die Verknüpfung der IOSS-Nr. mit der Sendung beschlossen. Nun folgt der zweite, größere Schritt. Diesen hat man von den noch bevorstehenden Maßnahmen losgelöst, die im Rahmen der Zollrechtsreform verhandelt werden sollen: die Abschaffung der EUR-150-Grenze sowie die Verpflichtung zum IOSS.
Für die in der EU registrierten Onlinehändler bedeutet die Reform eine Minimierung des Wettbewerbsvorteils für die steuerunehrlichen Teilnehmer in Höhe der nicht abgeführten Mehrwertsteuer. Für den Rest der Onlinehändler bedeutet die Regelung, sofern sie nicht ausschließlich über elektronische Schnittstellen liefern, dass sie sich registrieren lassen müssen – entweder einheitlich bürokratiearm über IOSS oder bürokratieintensiver im Veranlagungsverfahren in jedem belieferten Mitgliedstaat. Ihre Sendung wird sonst praktisch im Zoll hängen bleiben und dem Kunden nicht zugestellt. Als Ausweg bleibt dem Kunden nur, die Einfuhrmehrwertsteuer selbst zu entrichten. Der neue Rechtsrahmen kompensiert die Betrugsanfälligkeit des IOSS nicht völlig. Die Reform ist dennoch ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Ansprechpartner:
Dr. Atanas Mateev
Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
atanas.mateev@kmlz.de
Stand: 06.06.2025