Umsatzsteuer Newsletter 36/2020
Jahressteuergesetz 2020 (Teil 5): Mini-One-Stop-Shop wird zu One-Stop-Shop
Im fünften Teil unserer KMLZ Newsletter-Serie stellen wir die Umgestaltung des MOSS im Jahressteuergesetz 2020 dar. Der Referentenentwurf sieht vor, dass das bisherige MOSS-Verfahrens durch das OSS-Verfahren ersetzt wird. Allerdings werden vorwiegend Unternehmer, die Fernverkäufe aus einem Zentrallager im eigenen Land erbringen, von OSS profitieren.
1 Hintergrund und Inkrafttreten
Das 2015 eingeführte Mini-One-Stop-Shop-Verfahren (kurz „MOSS“) wird ersetzt durch den One-Stop-Shop (kurz „OSS“), in dem mehr Umsatzarten als bisher gemeldet werden können. Die Gesetzesänderung soll dabei zum 01.01.2021 in Kraft treten. Sie ist jedoch Teil des sog. E-Commerce-Pakets, dessen Terminverschiebung infolge der Coronavirus-Pandemie auf EU-Ebene bereits beschlossen wurde. Die Normen werden wohl (frühestens) zum 01.07.2021 in Kraft treten.
 
2 Die Meldung über (Mini-)One-Stop-Shop
MOSS ist ein besonderes Besteuerungsverfahren, das es einem Steuerpflichtigen ermöglicht, im EU-Ausland geschuldete Umsatzsteuerbeträge zentral abzuführen. Auf diese Weise soll eine Registrierung in mehreren Mitgliedstaaten vermieden werden. EU-Unternehmer haben die Möglichkeit, ihre Meldepflichten für andere Mitgliedstaaten im eigenen Ansässigkeitsstaat zu erledigen. Drittlands-Unternehmer können sich einen Mitgliedstaat für Anzeige und Meldung grundsätzlich frei auswählen. Die Teilnahme am MOSS ist freiwillig. Bisher konnten sowohl EU-Unternehmer als auch Drittlands-Unternehmer lediglich die auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen, Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehleistungen (elektronische Dienstleistungen) an Empfänger nach § 3a Abs. 5 UStG (im Folgenden: Nichtunternehmer) über MOSS melden.
 
3 Die neuen One-Stop-Shops
Künftig wird es im Rahmen des OSS eine „Nicht-EU-Regelung“, eine „EU-Regelung“ und eine „Einfuhrregelung“ geben. Dabei ist zu beachten, dass die Teilnahme am OSS nur möglich sein wird, wenn der OSS einheitlich für die gesamte EU genutzt wird. 
  • „Nicht-EU-Regelung“ (§ 18i UstG-E): Drittlands-Unternehmer werden künftig alle sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer, die im Gemeinschaftsgebiet zu besteuern sind, im OSS melden können, und nicht mehr wie bisher nur elektronische Dienstleistungen. 
  • „EU-Regelung“ (§ 18j UStG-E): 
    • EU-Unternehmer werden sämtliche sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat zu besteuern sind, in ihrem Ansässigkeitsstaat melden können.
    • Sowohl Drittlands-Unternehmer als auch EU-Unternehmer können künftig ihre innergemeinschaftlichen Fernverkäufe (Newsletter 35/2020) über OSS melden. Allerdings können innergemeinschaftliche Verbringungen nicht über OSS gemeldet werden. Möchte man eine Fulfillment-Service-Struktur eines Online-Marktplatzes mit Umlagerung der Waren innerhalb der EU nutzen, kann die Registrierung in den Ländern mit Warenlager weiterhin nicht vermieden werden.
    • Auch die Umsätze, die der neu eingeführten Reihengeschäftsfiktion des § 3 Abs. 3a S. 1 UStG-E unterliegen (Newsletter 33/2020), können künftig im OSS gemeldet werden. 
  • „Einfuhrregelung“ (§ 18k UStG-E): Sowohl Drittlands-Unternehmer als auch EU-Unternehmer können künftig den Fernverkauf von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens EUR 150 im OSS melden (sogenannter „Import-One-Stop-Shop“, kurz „IOSS“). In diesem Fall ist die Einfuhr der Waren gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG-E steuerfrei. Eine weitere Voraussetzung für die steuerfreie Einfuhr ist, dass bei der Zollanmeldung die Gültigkeit der individuellen Identifikationsnummer des Unternehmers oder dessen Vertreters von der Zollstelle geprüft wird. Diese zusätzliche Identifikationsnummer wird von der zuständigen Zollstelle erteilt.
 
4 Marginale Änderung der Meldemodalitäten
Die Erklärungen sind weiterhin vierteljährlich abzugeben. Die Fristen für die Abgabe der Erklärungen über OSS sowie die Fälligkeit der Steuerschuld wurden jedoch im Vergleich zu MOSS um 10 Tage verlängert. Die neue Frist läuft somit zum Ende des dem Quartal folgenden Monats aus. Ferner wird es dem Unternehmer ermöglicht, Berichtigungen in der jeweils aktuellen Steuererklärung vorzunehmen. Es muss nicht die bereits eingereichte Erklärung berichtigt werden.
 
5 Hinweise für die Praxis
Die Nutzung des OSS wird einigen Unternehmern das Leben erleichtern. Durch den vierteljährlichen Abgabeturnus wird zum einen die unterschiedliche Meldefrequenz in den einzelnen Mitgliedstaaten entfallen. Zum anderen wäre auch die entstandene Umsatzsteuer in den meisten Fällen erst später zu entrichten. Möchte man aber Fulfillment-Strukturen mit Warenumlagerung innerhalb der EU nutzen, kann die Registrierung in den Ländern mit Warenlager nicht vermieden werden.
 
Auch von IOSS wird wohl in der Praxis wenig Gebrauch gemacht werden. Die Online-Marktplätze werden aufgrund der Reihengeschäftsfiktion und dem damit einhergehenden Risiko (Haftung für Umsatzsteuer und mögliche nachträglich festgesetzte Einfuhrumsatzsteuer ohne Vorsteuerabzug wegen mangelnder Verfügungsmacht an der Drittlandsware) wohl nicht bereit sein, derartige Umsätze im OSS zu melden. In der Folge wird Ware aus dem Drittland, die über einen Online-Marktplatz verkauft wird, sehr wahrscheinlich nicht steuerfrei eingeführt werden können. 
 
Und will man OSS nutzen, sollte man mit Rückfragen der nationalen Behörden rechnen. Vor allem Finanzbehörden, bei denen mit Einführung der Norm erstmalig größere Umsätze eines Unternehmers gemeldet werden, werden wohl Rückfragen zur Vergangenheit stellen. Deshalb sollten Unternehmer, die OSS künftig nutzen möchten, die Terminverschiebung nutzen, um im Detail zu überprüfen, ob ihre Lieferungen bislang korrekt besteuert wurden.
 
 

Ansprechpartner:

Dr. Atanas Mateev
Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
atanas.mateev@kmlz.de

Stand: 31.07.2020