Umsatzsteuer Newsletter 18/2025
Ausweitung des Import-One-Stop-Shop (IOSS) für Online-Marktplätze
Die am 13.05.2025 vom Europäischen Rat vorgeschlagene Änderung zur Nutzung des Import-One-Stop-Shop (IOSS) betrifft die Online-Marktplätze maßgeblich. Sie sollen bei Einfuhren von Waren mit einem Sachwert von bis zu EUR 150 standardmäßig die Einfuhrumsatzsteuer schulden und so zur Nutzung des IOSS angehalten werden. Für den ganz großen Befreiungsschlag im E-Commerce müsste aber erst die vielfach kritisierte EUR 150-Grenze abgeschafft werden.
1 Hintergrund
Gemäß § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG (Art. 14a Abs. 1 MwStSystRL) wird bei Einfuhren von Waren mit einem Sachwert von bis zu EUR 150 eine Lieferkette zwischen Onlinehändler, Online-Marktplatz und Erwerber (i.d.R. Privatperson) fingiert. Online-Marktplätze, die Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von bis zu EUR 150 unterstützen, werden so behandelt, als hätten sie selbst die Gegenstände erworben und geliefert.
 
 
2 Wahlrecht zur Nutzung des Import-One-Stop-Shop (IOSS) 
Viele Online-Marktplätze (insbesondere die größeren) nutzen bereits den Import-One-Stop-Shop (IOSS) in den Konstellationen des fingierten Reihengeschäfts. Der Online-Marktplatz meldet die Einfuhr im IOSS an und führt die Umsatzsteuer für die fiktive steuerpflichtige Lieferung an den Erwerber über den IOSS ab. In diesem Fall ist die Einfuhr der Ware gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG steuerfrei. Voraussetzung ist, dass bei der Zollanmeldung die Gültigkeit der individuellen Identifikationsnummer des Online-Marktplatzes von der Zollstelle geprüft wird.
Jedoch ist die Nutzung des IOSS durch den Online-Marktplatz nicht verpflichtend. Nutzt der Online-Marktplatz den IOSS nicht, sind die folgenden Besteuerungsverfahren möglich:
  • Einfuhr durch Onlinehändler im Normalverfahren (ggf. im Rahmen der indirekten Vertretung): In diesem Fall ist die fiktive Lieferung des Online-Marktplatzes an den Erwerber steuerpflichtig.
  • Einfuhr durch Erwerber im Normalverfahren: In diesem Fall ist die fiktive Lieferung des Online-Marktplatzes an den Erwerber steuerfrei nach § 4 Nr. 4b UStG.
  • Einfuhr durch Zusteller im Namen und für Rechnung des Erwerbers nach § 21a UStG: In diesem Fall ist die fiktive Lieferung des Online-Marktplatzes an den Erwerber steuerfrei nach § 4 Nr. 4b UStG.
Wozu dies in der Praxis führt, ist allseits bekannt: Insbesondere Onlinehändler aus dem Drittland fluten den europäischen Markt mit Produkten aus dem Niedrigpreissektor und übertragen die Verpflichtung zur Erfüllung der Einfuhrmodalitäten regelmäßig auf die Erwerber. Auf diese Weise entziehen sich insbesondere die Onlinehändler aus dem Drittland den steuerlichen Verpflichtungen in der EU. Diese Verfahrensweise wird zu Recht kritisiert. Denn zum einen stellt sie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Onlinehändlern aus der EU dar. Und zum anderen läuft sie dem geplanten Ziel zuwider, die Steuerschuld vom Erwerber auf den Onlinehändler oder den Online-Marktplatz zu verlagern und diesen systematisch zum Schuldner der Umsatzsteuer bei der Einfuhr zu machen. 
 
3 Geplante Ausweitung des Import-One-Stop-Shop (IOSS)
Mit Wirkung ab 01.07.2028 soll der Online-Marktplatz zwingend Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer sein (vgl. Art. 201 MwStSystRL-E). Er kann die Steuerpflicht dann nicht (mehr) auf den Erwerber verlagern. Dadurch soll für die Online-Marktplätze ein Anreiz geschaffen werden, den IOSS zu nutzen. Denn bei Nutzung des IOSS entfällt die Steuerpflicht bei der Einfuhr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG. 
 
Den Online-Marktplätzen bleibt es auch weiterhin möglich, die Einfuhr im Normalverfahren anzumelden. Sie können weiterhin im regulären Besteuerungsverfahren die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen und die steuerpflichtige Lieferung an den Erwerber melden. Ist der Online-Marktplatz in einem Drittland ansäs-sig, mit dem weder die EU noch der Einfuhrmitgliedstaat ein Abkommen über gegenseitige Amtshilfe geschlossen hat, muss für die Einfuhr des Online-Marktplatzes im Einfuhrmitgliedstaat jedoch ein Steuervertreter als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer bestellt werden.
 
4 Praxisfolgen
Die vorgeschlagene Neuregelung würde die Steuereinnahmen im E-Commerce schützen und gleichzeitig die Einhaltung der Umsatzsteuerpflichten bei Einfuhren fördern. Denn die Entrichtung der Umsatzsteuer für die fiktive steuerpflichtige Lieferung an den Erwerber über den IOSS erfolgt im Voraus, d.h. zum Zeitpunkt des Kaufs. Soweit weder die Umsatzsteuer vorab entrichtet noch die Registrierung im Einfuhrmitgliedstaat nachgewiesen ist, kommt keine Ware in die EU. Vor diesem Hintergrund ist die vorgeschlagene Neuregelung zu begrüßen, setzt aber eine erhöhte Prüfpflicht der zuständigen Behörden voraus. 
Bereits heute übernehmen viele Online-Marktplätze die Einfuhrmodalitäten im Rahmen des IOSS, um die Erwerber zu entlasten. Dies erfolgt im hart umkämpften E-Commerce meist zugunsten der Customer Experience. Doch eine Vielzahl der Einfuhren würde (Stand jetzt) auch ab 01.07.2028 nicht über den IOSS abgewickelt werden. Der ganz große Befreiungsschlag für den E-Commerce wäre es erst dann, wenn auch die vielfach in Kritik geratene EUR 150-Grenze fiele. Die Abschaffung würde den Missbrauch verhindern und Abgrenzungsfragen für die Onli-ne-Marktplätze obsolet machen. Doch dieses Vorhaben bleibt der anstehenden Zollreform vorbehalten.
 
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Stand: 10.06.2025