Umsatzsteuer Newsletter 07/2025
BMF zu Bildungsleistungen: Brennpunkt Fernunterrichtsschutzgesetz
Durch das JStG 2024 wurde die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG mit Wirkung zum 01.01.2025 reformiert. Das BMF hat am 17.01.2025 den Entwurf eines Anwendungsschreibens zur gesetzlichen Neuregelung bekanntgegeben. Dieser Entwurf bestätigt das BMF-Schreiben vom 29.04.2024 und damit die Steuerpflicht für viele Online-Bildungsangebote. Eine Ausnahme von der Steuerpflicht im digitalen Bildungsbereich soll für Kurse gelten, die nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz zugelassen sind – ein Thema, das bis dato ein Schattendasein geführt hat und nun in einen nie dagewesenen Fokus gerückt wird. Bei Missachtung drohen gravierende Rechtsfolgen, sodass sich betroffene Anbieter dringend mit der Materie auseinandersetzen müssen.
1 Hintergrund
Durch das Jahressteuergesetz 2024 wurde die Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG mit Wirkung zum 01.01.2025 reformiert. Im KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 49 | 2024 haben wir ausführlich darüber berichtet. Unabhängig von der Neuregelung müssen Anbieter das BMF-Schreiben vom 29.04.2024 berücksichtigen, das in der Praxis für erhebliches Unbehagen sorgt. Demnach sind vorproduzierte Inhalte wie Video-Kurse, Lernplattformen etc. von der Steuerbefreiung ausgeschlossen. Gleiches gilt, wenn Live-Inhalte aufgezeichnet werden. Aller Kritik zum Trotz ist das BMF bislang nicht von seiner Sichtweise zu Online-Bildung abgerückt (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 24 | 2024).
 
2 BMF verweist auf Fernunterrichtsschutzgesetz
Die Finanzverwaltung hat den Entwurf eines BMF-Schreibens zur gesetzlichen Neuregelung vom 17.01.2025 zur Verbändeanhörung vorgelegt. Dieser Entwurf bestätigt das BMF-Schreiben vom 29.04.2024 und damit die Steuerpflicht für viele Online-Bildungsangebote. Der Entwurf nimmt implizit Bezug auf das BMF-Schreiben vom 29.04.2024 und ergänzt die darin enthaltenen Aussagen um eine Ausnahme von der Steuerpflicht. In Abschn. 4.21.1 Abs. 1 UStAE soll ein neuer Satz 9 eingefügt werden. Darin heißt es: „Lehrgänge und Streaming-Angebote, die nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz zugelassen sind, sind als Unterrichtsleistungen steuerfrei.“
 
3 Anwendungsbereich des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG)
Nach § 1 Abs. 1 FernUSG ist Fernunterricht die auf vertraglicher (d. h. nicht öffentlich-rechtlicher) Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen. Schon die Frage, was unter einer ausschließlichen oder überwiegenden räumlichen Trennung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG zu verstehen ist, ist hochumstritten. Die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung hierzu reicht von der Ansicht, dass bei einer Videokonferenz oder anderen synchronen Kommunikation jederzeit ein Kontakt wie in Präsenzveranstaltungen möglich ist (OLG Nürnberg, Urt. vom 05.11.2024 – Az. 14 U 138/24), bis zu der Ansicht, dass bei Online-Unterricht ungeachtet der synchronen Kommunikation stets von einer räumlichen Trennung auszugehen ist (OLG Stuttgart, Urt. vom 29.08.2024 – Az. 13 U 176/23). Aufgezeichneter (Live-)Unterricht soll indes stets räumlich getrennt sein. Auch die Frage, wann eine Lernerfolgsüberwachung vorliegt, ist nicht eindeutig geklärt. Dieser Begriff wird bisweilen sehr weit ausgelegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. vom 15.10.2009 – Az. IIIZR 310/08) soll eine Lernerfolgskontrolle bereits dann vorliegen, wenn der Lernende mündliche Fragen zum eigenen Verständnis des Erlernten an den jeweiligen Dozenten richten kann und hierdurch eine individuelle Anleitung erhält. Dabei genügt es, dass der Lernende die Schlüsse aus der Antwort selbst zieht. Eines Tests oder Ähnlichem bedarf es nicht.
 
4 Gravierende Folgen bei Missachtung des FernUSG
Wer nun eine Zulassung nach dem FernUSG für die Zukunft anstrebt, um zumindest umsatzsteuerrechtlich für digitale Leistungen auf der sicheren Seite zu sein, sollte die Thematik ganzheitlich betrachten. Man muss sich dann nämlich u. a. auch die Frage stellen, wieso man in der Vergangenheit keine Zulassung benötigt bzw. beantragt hat. Das ist risikoreich. Denn Verträge aus der Vergangenheit, die ohne notwendige Zulassung abgeschlossen wurden, wären insoweit allesamt nichtig (§ 7 Abs. 1 FernUSG), es droht eine zivilrechtliche Rückabwicklung der Verträge und damit die Rückzahlung der Kursgebühren. Für die Zukunft müssten die Verträge an strenge Vorgaben des FernUSG (u. a. Verzicht auf Vorkasse, Erhöhung der Kündigungsfreiheit, Widerrufsrecht, Informationspflichten etc.) angepasst werden.
 
Überdies wird bei einer Zulassungspflicht nach dem FernUSG die Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) in Köln die zuständige Landesbehörde i.S.d. § 4 Nr. 21 UStG. Diese erteilt nach Zulassung der einzelnen Kurse eine entsprechende Bescheinigung. Bescheinigungen der örtlichen Landesbehörden sind materiell-rechtlich unbedeutend.
 
5 Folgen für die Praxis
Das FernUSG würde mit der geplanten Änderung durch das Schreiben gegenwärtig in einen nie dagewesenen Fokus rücken. Vorbehaltlich einer weiteren Klarstellung ist die Ergänzung des UStAE in diesem Punkt spärlich und zugleich gefährlich. Spärlich ist sie, weil die Rechtssicherheit nur einen kleinen Teil der Bildungsanbieter im digitalen Bereich erfasst, eben jene, die über eine Zulassung nach dem FernUSG verfügen. Große Teile der Anbieter warten daher auch weiterhin vergeblich auf eine Klarstellung bzw. Entschärfung von Seiten des BMF. Die Folge wäre eine Zweiklassengesellschaft. Gefährlich ist die Anpassung, weil sie den Fokus weiter auf das FernUSG richtet; eine Rechtsmaterie, die bis dato vielfach unbeachtet geblieben ist. Die Folgen eines Kursangebots ohne notwendige Zulassung durch die ZFU sind gravierend, die Rechtsprechung selbst zu grundlegenden Tatbestandsmerkmalen ist diffus.
 
Eine ZFU-Zulassungspflicht kann ggf. durch einen gezielten Umbau des eigenen Kursangebotes vermieden werden. Beispielsweise könnten rein synchrone Anteile erhöht und asynchrone Anteile verringert werden, um einen insgesamt mindestens hälftig synchronen Informationsaustausch zu erreichen. Eine Anpassung des Kursangebotes kann auch die Argumentation dahingehend stärken, dass für die Vergangenheit eine Zulassungspflicht nach § 12 FernUSG nicht galt. Ein Restrisiko bleibt aber.


Ansprechpartner:

 

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 387
 
Stand: 13.03.2025