Die angehende Koalition aus CDU, CSU und SPD hat ihren Koalitionsvertrag vorgestellt, auf dessen Grundlage sie die nächste Bundesregierung bilden will. Viele für die Wirtschaft wichtigen Themen sind enthalten. Zu den steuerrechtlichen Vorhaben haben wir bereits im KMLZ USt-Newsletter 09 | 2025 berichtet. Auch für den internationalen Handel hat die Koalition spannende Pläne. Vor allem Einfuhr- und Ausfuhrverfahren könnten sich für Wirtschaftsbeteiligte deutlich vereinfachen. Im Fokus stehen insbesondere das Erhebungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) und die Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen. Wie viele von den angekündigten Projekten tatsächlich umgesetzt werden, wird die Zukunft zeigen.
1 Verrechnungsmodell für die Einfuhrumsatzsteuer
Der Koalitionsvertrag kündigt in Kapitel 1 „Neues Wirtschaftswachstum, gute Arbeit, gemeinsame Kraftanstrengung“ eine Reform der Einfuhrumsatzsteuer an. Wie es in den Zeilen 346 und 347 des Koalitionsvertrages heißt, wird gemeinsam mit den Ländern eine Umstellung auf das sog. Verrechnungsmodell angestrebt.
Eine kurze Erläuterung zum Verrechnungsmodell findet sich im Teilkapitel „Mittelstand, Handwerk und Selbstständige“. Ziel des Verrechnungsmodells ist, die Liquiditätsbelastung des Unternehmers durch die Voraberhebung der Einfuhrumsatzsteuer zu beseitigen. Gegenwärtig muss die Einfuhrumsatzsteuer in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über die Zölle (§ 21 Abs. 2 UStG) innerhalb von zehn Tagen nach Annahme der Zollanmeldung bezahlt werden (Art. 77 Abs. 2, 108 Abs. 1 S. 1, 2 UZK). Sofern die Berechtigung zum Vorsteuerabzug besteht, kann der Belastete die EUSt als Vorsteuer in seiner nächsten Umsatzsteuervoranmeldung geltend machen. Bei Inanspruchnahme einer Dauerfristverlängerung (§ 46 S. 1 UStDV) kann schnell eine beachtliche Liquiditätslücke entstehen. Um diesen Liquiditätsnachteil zu überbrücken, bietet das Umsatzsteuerrecht die Möglichkeit, einen laufenden Zahlungsaufschub (sog. Aufschubkonto) zu nutzen. Damit können Schuldner die Fälligkeit der EUSt je nach Konstellation sogar auf einen Zeitpunkt nach Auszahlung des Vorsteuerbetrages verschieben und hierdurch sogar einen Liquiditätsvorteil erzielen. Der laufende Zahlungsaufschub erfordert allerdings ein aufwendiges Bewilligungsverfahren. Gerade für die in der Überschrift des Teilkapitels wohl gemeinten mittelständischen Unternehmen und Start-ups ist der mit der Bewilligung eines Aufschubkontos einhergehende Aufwand sehr hoch. Sie zahlen deshalb häufig sogenannte Vorlageprovision an Zollvertreter, um von deren Aufschubkonten zu profitieren. Sie würden daher zu den größten Profiteuren zählen.
Das Verrechnungsmodell ermöglicht die Überführung der EUSt in das reguläre USt-Veranlagungsverfahren. Anders als beim aktuellen Verfahren wird die EUSt im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung erhoben. Hier kann die (Einfuhr-)USt-Schuld direkt mit dem Vorsteueranspruch (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG) verrechnet werden. Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie sieht dieses Verfahren ausdrücklich vor (Art. 211 UAbs. 2 MwStSystRL). In nicht wenigen EU-Mitgliedstaaten ist die Nutzung des Verrechnungsmodells bereits etabliert. Auch die beiden Mitgliedstaaten mit den wichtigsten Seehandelshäfen, die Niederlande (Rotterdam) und Belgien (Antwerpen), wenden es an.
Falls das Verrechnungsmodell eingeführt wird, bleibt seine genaue Ausgestaltung abzuwarten. Der Gesetzgeber hat hier viel Spielraum. Insbesondere wird er berücksichtigen müssen, dass die EUSt gegenwärtig von den Zollbehörden (Bundesbehörden) erhoben wird, der Vorsteuerabzug aber von den Länderfinanzverwaltungen erstattet wird.
2 Ausfuhrgenehmigungsprozesse – Paradigmenwechsel
Hinsichtlich der Ausfuhrgenehmigungsprozesse kündigt die Koalition nicht weniger als einen „Paradigmenwechsel“ an. Durchgängige Prüfungen will sie durch stichprobenartige Kontrollen ersetzen. Eine vorherige Ausfuhrgenehmigung soll hingegen nicht mehr erforderlich sein. Statt die Anträge zur Erteilung von Ausfuhrgenehmigungen weiter systematisch und lückenlos zu überprüfen, sind bei Verstößen künftig noch schärfere Strafen vorgesehen. Angesichts der häufig bis zu einem Jahr oder länger andauernden Genehmigungsprozesse würde dies für Ausführer eine echte Erleichterung bedeuten.
3 Freihandelsabkommen
Die Koalition strebt die Vertiefung von strategischen Partnerschaften an. In diesem Zusammenhang werden insbesondere lateinamerikanische Staaten erwähnt. Das lange durchdiskutierte Freihandelsabkommen mit „Mercosur“ soll finalisiert werden. Zuletzt waren die Verhandlungen an den Interessen der europäischen Landwirtschaft gescheitert. Die Vertiefung einer strategischen Partnerschaft mit Indien soll ebenfalls in ein Freihandelsabkommen münden. Gerade vor dem Hintergrund der Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Trump-Administration in den USA kann der niedrigschwellige Zugang zu neuen Absatzmärkten für europäische Ausführer relevant sein.
4 Fazit
Der Koalitionsvertrag gibt Anlass zur Zuversicht für die am internationalen Warenverkehr beteiligten Unternehmer. Eine konsequente Umsetzung der angekündigten Maßnahmen könnte große Erleichterung schaffen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Vorhaben in den nächsten Jahren konkret entwickeln.
Wenn Sie Ihre Kenntnisse auf dem Gebiet des Einfuhrumsatzsteuerrechts oder zu zoll- und verbrauchsteuerrechtlichen Themen auffrischen oder vertiefen möchten, sind die kommenden Seminare der KMLZ Akademie genau das Richtige für Sie: Einfuhrumsatzsteuerrecht (Grundzüge: 30.04.2025, Vertiefung: 07.05.2025); Grundzüge Zollwertrecht (05.05.2025), Grundzüge Zolltarifrecht (12.05.2025).
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Ansprechpartner:
Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
christian.salder@kmlz.de
Stand: 16.04.2025