Umsatzsteuer Newsletter 09/2025
Neuer Koalitionsvertrag: „Verantwortung für Deutschland“ – auch für die Umsatzsteuer?
Der Koalitionsvertrag steht. Der Fokus der neuen Bundesregierung liegt nicht primär auf der Steuerpolitik. Andere Themen haben die Wahlen bestimmt. Gleichwohl: Bei der Ertragsteuer werden einige Booster gezündet. In der Umsatzsteuer ist hingegen weniger zu erwarten.
1 „Verantwortung für Deutschland“
Bereits nach gut vier Wochen Amtszeit haben sich CDU, CSU und SPD auf einen neuen Koalitionsvertrag verständigt: 146 Seiten mit 4588 Zeilen umfasst der Vertrag. Davon entfallen auf das Steuerrecht im Wesentlichen 132 Zeilen – 15 Zeilen mehr als beim letzten Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021. Die Steuerpolitik stand bei der Bundestagswahl im Februar wahrlich nicht im Vordergrund. Andere Themen beherrschten die Debatten: Migration, hohe Energiepreise, Rezession der deutschen Wirtschaft und weltpolitische Unwägbarkeiten. Deshalb verwundert es nicht, dass die Steuerpolitik in den letzten Wochen nicht im Mittelpunkt stand. Dennoch: Die Erwartungen der Wirtschaftsverbände sind hoch. Sie werden genau darauf schauen, ob Schwarz-Rot Wort hält. Denn das Regierungsversprechen lautet: „Wir erneuern … die Soziale Marktwirtschaft – Chancen und „Wohlstand für alle“. Dafür schaffen wir die Bedingungen für eine wettbewerbsfähige und wachsende Volkswirtschaft. Die strukturellen Rahmenbedingungen für Unternehmen und Beschäftigte werden wir verbessern, Innovationen fördern, Bürokratie umfassend zurückbauen und Leistungsgerechtigkeit zu einem Leitprinzip machen.“
 
2 Fokus Ertragsteuer
Um die Wirtschaft wieder flottzumachen, soll in den Jahren 2025, 2026 und 2027 ein Investitions-Booster in Form einer degressiven Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen von 30 % gezündet werden. Zusätzlich ist ab 2028 die Senkung der Körperschaftsteuer in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt geplant. Auch für kleine und mittlere Einkommen soll zur Mitte der Legislatur die Steuer gesenkt werden. Die Entscheidung, den Solidaritätszuschlag beizubehalten, wurde wohl auch durch das jüngste Urteil des BVerfG beflügelt. Erwähnenswert sind zudem die dauerhafte Erhöhung der Pendlerpauschale ab 01.01.2026 auf 0,38 EUR ab dem ersten Entfernungskilometer und steuerrechtliche Anreize für Mehrarbeit bzw. längeres Arbeiten: So will die Koalition Überstundenzuschläge, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei stellen. Wir dürfen gespannt sein, wie hier die genauen Grenzen gezogen werden. Steuergestaltungen sind vorprogrammiert. Genauso interessant ist das Versprechen, dass Rentner, die freiwillig weiterarbeiten möchten, ihr Gehalt bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei einstreichen können. Wahrlich rosige Aussichten für den Ruhestand. 
 
3 Umsatzsteuer: Wenig bis gar nichts
Wer nun auf einen Booster auch in der Umsatzsteuer gehofft hat, wird enttäuscht: Lediglich der Steuersatz für Speisen in der Gastronomie soll sich ab 2026 wieder auf 7 % reduzieren. Eine never ending story findet damit ihr Ende. Denn bereits während Corona war der Restaurantbesuch mit 7 % begünstigt. Diese Vergünstigung lief 2023 aus und wird nunmehr wieder eingeführt. Die Restaurants wird es freuen. Für die Gäste dagegen bleibt wohl alles wie gehabt. Denn die Steuerersparnis wird wohl nicht an sie weitergegeben werden. Zumindest die Kandidaten in Examensprüfungen können sich freuen: Sie werden zukünftig nicht mehr erklären müssen, warum „zum hier Essen und Mitnehmen“ umsatzsteuerrechtlich einen Unterschied macht und woran man dies im Umsatzsteuergesetz festmachen kann. Die Auflösung folgt übrigens ganz am Ende (*).
 
Leider versäumt es die neue Bundesregierung wieder einmal, die Reform der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft auf den Weg zu bringen. Ein Antrags- und Feststellungsverfahren ist überfällig. Dieses würde für Unternehmen, aber auch für die Finanzverwaltung wesentlich mehr Rechtssicherheit bedeuten. Auch wäre es dringend notwendig, eine Reform des Umsatzsteuerverfahrensrechts anzustoßen. Um das materiell-rechtliche Prinzip der Neutralität der Umsatzsteuer auch verfahrensrechtlich zu garantieren, bedarf es Vorschriften, die sicherstellen, dass die Umsatzsteuer für die an einer Transaktion Beteiligten korrespondierend und damit im Ergebnis neutral festgesetzt wird.
 
Versöhnlich ist, dass zumindest die Einführung eines Verrechnungsmodells für die Einfuhrumsatzsteuer angestrebt wird. Mit dem Verrechnungsmodell entfiele für die Unternehmen der Liquiditätsnachteil, der sich aus dem Zeitversatz zwischen Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer einerseits und der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs andererseits ergibt. Zugleich hätten die deutschen Häfen, Flughäfen sowie Zolldienstleister gegenüber den Wettbewerbern in anderen Mitgliedstaaten keinen Wettbewerbsnachteil mehr. Die allermeisten Mitgliedstaaten arbeiten bereits seit Jahren mit einem Verrechnungsmodell. Deutschland zieht nun endlich nach. 

Und dann wird noch das Fernunterrichtsschutzgesetz angepasst (Zeile 2402 f.). Ob dies eine Auswirkung auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG hat, wird sich erst noch zeigen (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 07 | 2025).
 
4 Fazit
Wenn wir in vier Jahren, nach dem Ende der nun beginnenden 21. Legislaturperiode, sagen können, dass die schwarz-rote Koalition stabil und vertrauensvoll zusammengearbeitet hat, wir die großen Herausforderungen bei der Migration bewältigt, unsere liberale Demokratie verteidigt und unsere Wirtschaft wieder in Schwung gebracht haben, dann nehmen wir es gerne in Kauf, dass unsere Leidenschaft, die Umsatzsteuer, in dieser Legislaturperiode nicht im Vordergrund gestanden hat. Wir sind zuversichtlich, dass Deutschland das schaffen wird. 
 
* Der Grund liegt darin, dass der Steuersatz von 7 % nur bei Lieferungen, aber nicht bei sonstigen Leistungen in Frage kommt.

Ansprechpartner:
 
 
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
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Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 11.04.2025