1 Verlängerung der Übergangsfrist für juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 2b UStG)
Vor vielen Jahren gab es einmal einen Gesetzgeber. Dieser wollte 2016 die Neuregelung der Besteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) an das Unionsrecht angleichen. Die bisherige Anknüpfung an den körperschaftsteuerlichen „Betrieb gewerblicher Art“ sollte aufgegeben werden. Nach der Neuregelung in § 2b UStG sollten
jPdöR stets als umsatzsteuerrechtliche Unternehmer gelten. Eine Ausnahme sollte nur greifen, wenn jPdöR öffentliche Gewalt ausübten und außerdem keine größeren Wettbewerbsverzerrungen drohten.
Zwischenzeitlich sind 9 Jahre vergangen und insbesondere Bund und Länder (= Gesetzgeber !?!) haben noch immer nicht ihre Hausaufgaben gemacht. Bei vielen ist die Umstellung noch nicht abgeschlossen. Man hat die ganze Problematik in Berlin komplett unterschätzt.
Der Gesetzgeber hat deshalb erneut gehandelt und zum dritten Mal eine weitere Übergangsfrist von zwei Jahren, jetzt bis zum 31.12.2026, ins Gesetz geschrieben. Damit haben wir einen neuen Rekord in der Umsatzsteuer: 11 Jahre Übergangszeitraum für eine einzige Vorschrift.
Gut oder schlecht? Für diejenigen, die nichts gemacht haben, ist es gut: Das Aussitzen hat sich gelohnt. Für den Rest, der die vollständige Einnahmenanalyse bereits abgeschlossen hat, kommt es darauf an: Einige werden das Vorsteuerpotential ausnutzen und in das neue Rechtssystem wechseln. Die meisten werden aber wohl nicht umstellen, da zukünftig vor allem Kooperationen umsatzsteuerpflichtig und damit teuer werden. Ein fader Beigeschmack bleibt für sie dennoch: Sie haben auf den Gesetzgeber vertraut und viel Personal- und Sachmittel in die Umstellung investiert. Sie werden ihre Einnahmenanalyse in zwei Jahren erneut vornehmen müssen. Das kostet wieder viel Geld und schafft Frust für alle Beteiligten.
Gleichwohl: Nichts ist umsonst im Leben. Diejenigen, die bereits viel in die Umstellung investiert haben, können sich nun voll und ganz auf die notwendige Anpassung der organisatorischen Strukturen in ihrer Behörde konzentrieren. Ganz im Sinne von Tax Compliance. Wie sich in der bisherigen Beratungspraxis gezeigt hat, sind viele Anstrengungen notwendig, um dezentral liegende Informationen zur zentralen steuerverantwortlichen Person zu schaffen. Die neue – ab dem 01.01.2025 geltende – elektronische Rechnung (sog. E-Rechnung) könnte an dieser Stelle wie ein Turbo wirken. Denn um die vielen Chancen der neuen E-Rechnung wirklich zu nutzen, müssen die Prozesse auf der Rechnungseingangs- wie auch auf der Rechnungsausgangsseite neu gedacht werden. Eine einmalige Gelegenheit, den Steuerbereich als festen Bestandteil in diese Prozesse zu integrieren.
2 Keine weitergehende Steuerbefreiung für den Sport
Zum Glück hat der Gesetzgeber von einer Ausdehnung der Steuerbefreiung für den Sport abgesehen. Diese hätte dazu geführt, dass die Überlassung von Sportanlagen (Sporthallen, Schwimmbäder etc.) zukünftig steuerfrei geblieben wäre. Der Vorsteuerabzug wäre damit nicht mehr möglich gewesen. Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG wären erforderlich geworden. Das wollte am Ende keiner, da in der Regel Vorsteuerüberhänge bestehen. Glück gehabt. Denn insbesondere nach der Umstellung auf § 2b UStG winken Vorsteuerpotentiale beim Neubau von Sporthallen.
3 Chaos bei Bildungsleistungen
Die Neuregelung der Steuerbefreiung für Bildungsleistungen in § 4 Nr. 21 UStG (KMLZ Newsletter 49 | 2024) hat auch Auswirkungen auf öffentlich-rechtlich organisierte und/oder gemeinnützig wirkende Bildungseinrichtungen. Sie erbringen ihre Bildungsleistungen gegenüber den Teilnehmern bisher steuerfrei nach § 4 Nr. 22 Buchst. a) UStG, da die Einnahmen in aller Regel überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden. Das Festhalten am Bescheinigungsverfahren im neuen § 4 Nr. 21 UStG wird aber auch für sie von großer Relevanz sein, wenn sie sicherstellen möchten, dass ihre Dozenten ihnen gegenüber weiterhin steuerfrei abrechnen. Da der Gesetzgeber den Inhalt der Bescheinigung neu formuliert hat, werden neue Bescheinigungen einzuholen sein. Chaos ist damit vorprogrammiert, da die für die Erteilung der Bescheinigung zuständigen Behörden die hochkomplexe Rechtsprechungsentwicklung bei EuGH und BFH zu den Bildungsbegriffen „Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung“ genauestens kennen müssen. Dem Vernehmen nach soll es zunächst eine Übergangsregelung geben. Weihnachten kann damit kommen. Man darf im nächsten Jahr gespannt sein, wie die Finanzverwaltung mit der neu geschaffenen Vorschrift umgehen wird.
4 Schwacher Trost: 500 Liter Bier sind zukünftig steuerfrei
Positiv bei dem ganzen Tohuwabohu aus Berlin ist die Ausdehnung der Steuerbefreiung für Bier: Denn die Ampel-Regierung verabschiedet sich aus dem Deutschen Bundestag mit einem süffigen Geschenk an alle Haus- und Hobbybrauer. Sie dürfen zukünftig 500 Liter statt bisher nur 200 Liter steuerfrei brauen. Mancher wird das Steuergeschenk annehmen und sein Bier steuerfrei aus dem eigenen Zuhause beziehen. Vielleicht lässt sich das Berliner Durcheinander damit etwas besser ertragen.
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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
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Stand: 27.11.2024