Umsatzsteuer Newsletter 28/2024
Kippt der EuGH das Aufteilungsgebot für Beherbergungsumsätze?
Der BFH gibt dem EuGH die Möglichkeit, das nationale Aufteilungsgebot für Beherbergungsumsätze zu Fall zu bringen. Damit könnte das Durchhaltevermögen der Hotelbranche bald belohnt werden. Betroffene Unternehmen sollten Vorkehrungen treffen, um ggf. rückwirkend von einer Rechtsänderung zu profitieren.
1 Hintergrund
Das Umsatzsteuergesetz enthält in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG ein Aufteilungsgebot für Beherbergungsleistungen. Danach unterliegt nur die Übernachtungsleistung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz. Für Nebenleistungen, die nicht unmittelbar der Beherbergung dienen, gilt dagegen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG der Regelsteuersatz. In der Vergangenheit vertrat der XI. Senat des BFH (Urt. v. 24.04.2013 – XI R 3/11 – Frühstück; Urt. v. 01.03.2016 – XI R 11/14 – Parkplatz) die Auffassung, dass das Aufteilungsgebot unionsrechtskonform ist und dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung vorgeht, wonach eine (unselbständige) Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt.
 
2 Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufteilungsgebots
In den letzten Jahren gab es intensive Diskussionen über die Rechtmäßigkeit des nationalen Aufteilungsgebots. Ausgelöst wurde die Debatte durch das Urteil des EuGH vom 18.01.2018 in der Rs. Stadion Amsterdam CV (C-463/16). Darin hatte der EuGH entschieden, dass eine einheitliche Leistung nicht aufgeteilt werden darf, so dass sowohl der Regelsteuersatz als auch der ermäßigte Steuersatz Anwendung finden (vgl. dazu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 04 | 2018). In der Folge gewährte der XI. Senat des BFH die Aussetzung der Vollziehung (AdV) von Umsatzsteuer für Leistungen, auf die das nationale Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG Anwendung findet (Az. XI B 2/21). Streitgegenständlich waren Umsätze für Hotelunterkünfte, die inklusive Frühstück und Zugang zu einer hoteleigenen Badelandschaft (Spa) angeboten wurden (vgl. dazu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 23 | 2022). 
 
Rückenwind erhielten die Kritiker der nationalen Aufteilungsgebote kürzlich durch die Entscheidung des EuGH vom 04.05.2023 in der Rs. Finanzamt X (C-516/21). Darin bestätigte der EuGH im Zusammenhang mit dem Aufteilungsgebot für Betriebsvorrichtungen in § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG, dass eine wirtschaftlich einheitliche Leistung zur Wahrung eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf – auch nicht durch gesetzliche Maßnahmen der Mitgliedstaaten (vgl. dazu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 23 | 2023).  
 
3 EuGH-Vorlagen zum Aufteilungsgebot 
In gleich drei am 13.06.2024 veröffentlichten Beschlüssen wandte sich der XI. Senat des BFH im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH (BFH, Beschl. v. 10.01.2024 – XI R 11/23; XI R 13/23; XI R 14/23). Inhaltlich geht es jeweils um die Frage, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG normierte Aufteilungsgebot für Beherbergungsleistungen unionsrechtskonform ist.
 
In allen drei Fällen boten die Hotels und Fremdenpensionen ihren Kunden, zusätzlich zur Übernachtung, die kostenlose Inanspruchnahme weiterer Zusatzleistungen an, wie z.B. die Nutzung von Parkplätzen, Frühstück, Fitness- und Wellnesseinrichtungen oder hoteleigenem WLAN. Sie ordneten die Zusatzleistungen als unselbständige Nebenleistungen zu den Beherbergungsleistungen ein und unterwarfen sämtliche Leistungen einheitlich dem ermäßigten Steuersatz von 7%. Dieser Vorgehensweise widersprachen sowohl die Finanzämter als auch die erstinstanzlichen Finanzgerichte. Sie werteten das Angebot o.g. Zusatzleistungen als selbständige Leistungen. Diese seien mit dem regulären Steuersatz von 19% zu versteuern. Denn selbst wenn die erbrachten Leistungen als unselbständige Nebenleistungen zu der Beherbergungsleistung zu behandeln wären, käme das Aufteilungsgebot nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG zur Anwendung, wonach Nebenleistungen, welche nicht unmittelbar der Vermietung dienen, nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. 
 
Anders als noch in der Vergangenheit zweifelt der XI. Senat jedoch mittlerweile daran, dass das Aufteilungsgebot unionsrechtskonform ist. Der XI. Senat geht davon aus, dass die erstinstanzlichen Finanzgerichte die o.g. Zusatzleistungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als unselbständige Nebenleistungen eingeordnet haben. Dann legte er dem EuGH die Frage vor, ob das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG dem Unionsrecht entgegensteht, wenn es diese unselbständigen Nebenleistungen von der Steuersatzermäßigung für Übernachtungsleistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG ausnimmt.
 
4 Fazit
Endlich ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Nach dem Urteil des EuGH in der Rs. Stadion Amsterdam CV und den nachfolgenden Entwicklungen in der nationalen Rechtsprechung war es nur eine Frage der Zeit, bis das Aufteilungsgebot für Beherbergungsleistungen auf den Prüfstand des EuGH gestellt wird. Der lange Atem der Hotelbranche kann sich auszahlen. Spätestens jetzt sollten Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des Aufteilungsgebots nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG fallen, gegen ihre Umsatzsteuerbescheide Einspruch einlegen und nach Möglichkeit Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung sowie mit Hinweis auf die EuGH-Vorlagen ein Ruhen des Verfahrens beantragen. 
 
Erfahrungsgemäß scheitern Umsatzsteuererstattungen für die Vergangenheit regelmäßig daran, dass bereits Rechnungen mit Steuerausweis in der Welt sind. Gut beratene Unternehmen aus der Hotelbranche haben je-doch schon in der Vergangenheit gegenüber Privatpersonen auf eine Rechnungstellung verzichtet (vgl. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG) oder die Umsatzsteuer nicht offen ausgewiesen, um ggf. rückwirkend von einer Rechtsänderung zu profitieren. 
 
Ansprechpartner:
 


Dr. Matthias Oldiges

Rechtsanwalt
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Stand: 17.06.2024