Umsatzsteuer Newsletter 23/2022
BFH: Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufteilungsgebots für Beherbergungsumsätze
Der BFH hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufteilungsgebots für Hotelumsätze. Zur Begründung verweist er auf die EuGH-Vorlage des V. Senats des BFH zum Aufteilungsgebot bei Betriebsvorrichtungen. Der AdV-Beschluss bringt damit neuerlich Bewegung in die mit dem EuGH-Urteil in der Rs. Stadion Amsterdam CV entfachte Diskussion, ob das Aufteilungsgebot für Hotelumsätze unionsrechtskonform ist.

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1 Hintergrund
Das Umsatzsteuergesetz enthält in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG ein Aufteilungsgebot für Beherbergungsleistungen. Danach unterliegt nur die Übernachtungsleistung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz. Für Nebenleistungen, die nicht unmittelbar der Beherbergung dienen, gilt dagegen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG der Regelsteuersatz. In der Vergangenheit vertrat der XI. Senat des BFH (Urt. v. 24.04.2013 – XI R 3/11 – Frühstück; Urt. v. 01.03.2016 – XI R 11/14 – Parkplatz) die Auffassung, dass das Aufteilungsgebot unionsrechtskonform ist und dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung vorgeht, wonach eine (unselbständige) Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt.
 
Nach dem Urteil des EuGH vom 18.01.2018 in der Rs. Stadion Amsterdam CV (C-463/16) wurden Zweifel daran geäußert, ob das nationale Aufteilungsgebot dem Unionsrecht entspricht (vgl. dazu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 04 | 2018). Denn nach Auffassung des EuGH darf eine einheitliche Leistung nicht aufgeteilt werden, mit der Folge, dass sowohl der Regelsteuersatz als auch der ermäßigte Steuersatz Anwendung finden. Bezugnehmend auf das EuGH-Urteil in der Rs. Stadion Amsterdam CV legte der V. Senat des BFH mit Beschluss vom 26.05.2021 (V R 22/20) dem EuGH die Frage vor, ob das in § 4 Nr. 12 S. 2 UStG normierte Aufteilungsgebot für Betriebsvorrichtungen gegenüber dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung vorrangig ist (vgl. dazu KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 30 | 2021).
 
2 AdV-Beschluss des BFH
In seinem Beschluss vom 07.03.2022 (Az.: XI B 2/21) gewährt der XI. Senat des BFH die Aussetzung der Vollziehung (AdV) von Umsatzsteuer für Leistungen, auf die das nationale Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG Anwendung findet. Streitgegenständlich waren Umsätze für Hotelunterkünfte, die inklusiv Frühstück und Zugang zu einer hoteleigenen Badelandschaft (Spa) angeboten wurden. Dabei dienen die Frühstücks- und Spa-Leistungen nicht unmittelbar der Vermietung und unterliegen daher nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG dem Regelsteuersatz. Nach Auffassung des XI. Senats bestehen nunmehr ernstliche Zweifel, dass das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG normierte Aufteilungsgebot mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Diese Zweifel begründet der XI. Senat mit dem Vorlagebeschluss des V. Senats vom 26.05.2021 (V R 22/20). Denn das beim EuGH unter dem Az. C-516/21 geführte Verfahren könnte auf die den Streitfall betreffende Frage zu übertragen sein, ob bei einer einheitlichen Leistung unterschiedliche Steuersätze nach dem nationalen Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG möglich sind. In Anbetracht der insofern noch ungeklärten Rechtslage hat der XI. Senat die AdV gewährt und die Entscheidung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
 
3 Auswirkungen auf die Praxis
Die Ausführungen des BFH überzeugen auf ganzer Linie, auch wenn sich der XI. Senat nicht selbst mit der Unionsrechtskonformität des Aufteilungsgebots in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG auseinandersetzen musste. Denn ernstliche Zweifel an der Unionsrechtskonformität ließen sich bereits durch Verweis auf den Vorlagebeschluss des V. Senats begründen, ohne dass sich der XI. Senat in Widerspruch zu seiner bisherigen Judikatur setzen musste. Der AdV-Beschluss des XI. Senats bringt damit neuerlich Bewegung in die mit dem EuGH-Urteil in der Rs. Stadion Amsterdam CV entfachte Diskussion, ob das nationale Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG dem Unionsrecht entspricht.
 
Spätestens jetzt sollten Unternehmen mit Beherbergungsumsätzen, die in den Anwendungsbereich des Aufteilungsgebotes nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG fallen, gegen ihre Umsatzsteuerbescheide jeweils Einspruch einlegen. Mit Verweis auf das Verfahren des BFH können sie zudem die Aussetzung / Aufhebung der Vollziehung nach § 361 AO beantragen. Im Hauptsacheverfahren ist aufgrund des anhängigen Verfahrens vor dem EuGH ein Antrag auf Ruhen des Verfahrens nach § 363 Abs. 2 S. 2 AO zweckmäßig. 
 
Zu beachten ist, dass es sich vorliegend lediglich um ein AdV-Verfahren handelt, d.h., der BFH hat die Rechtslage vorläufig in einem summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beurteilt. Der EuGH hat nun Gelegenheit, in dem unter dem Az. C-516/21 geführten Verfahren auf die Unionsrechtskonformität der nationalen Aufteilungsgebote einzugehen. Davon unabhängig ist es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis sich der XI. Senat des BFH mit dieser Frage in einem Hauptsacheverfahren beschäftigen muss. Denn derzeit sind gleich mehrere Revisionsverfahren beim XI. Senat zur Frage der Unionsrechtskonformität des in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG normierten Aufteilungsgebots für Beherbergungsumsätze anhängig, Az. XI R 34/20 – Frühstück und Parkplatz; Az. XI R 35/20 – Verpflegungsleistungn; Az. XI R 7/21 – Frühstück; XI R 22/21 – Parkplatz, W-LAN und Fitnesseinrichtungen. Der Hotelbranche ist zu wünschen, dass das bereits seit seiner Geburtsstunde am 01.01.2010 vielfach kritisierte Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 UStG auf den unionsrechtlichen Prüfstand gestellt wird.
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Matthias Oldiges
Rechtsanwalt
Tel.: +49 211 54 095 366
 
Stand: 25.05.2022