Umsatzsteuer Newsletter 13/2023
EuGH: Keine Umsatzsteuer für Influencer auf der Plattform OnlyFans
Influencer-Marketing ist in den letzten Jahren zu einem Milliardenmarkt gewachsen. Eine der bekanntesten Plattformen ist „OnlyFans“. Influencer unterhalten dort Profile, auf denen sie Videos und Bilder posten. Abonnenten – sog. „Fans“ – zahlen dafür. OnlyFans zieht die Gelder ein und leitet 80% der Einnahmen an die Influencer weiter. Der EuGH entschied in der Rs. C-695/20 – Fenix International Ltd. (Betreiberin von OnlyFans), dass eine Leistungskommission vorliegt. Folglich erbringen Influencer eine Dienstleistung an OnlyFans und OnlyFans wiederum eine an die Abonnenten. Damit können Influencer aus Kontinentaleuropa ohne Umsatzsteuer an die britische Fenix International Ltd. abrechnen und sich in der Vergangenheit gezahlte Umsatzsteuer nun erstatten lassen. Für Plattformen hingegen verfestigt die Entscheidung erhebliche Deklarations- und Aufzeichnungspflichten.
1 Hintergrund
Influencer und Streamer erwirtschaften über Social-Media-Plattformen Milliardenumsätze. Bei der Umsatzversteuerung stellt sich die Frage, wer an die Endkunden leistet: der Leistungsanbieter oder aber die Plattform im Rahmen einer Dienstleistungskommission. Die Antwort darauf ist entscheidend, denn danach richtet sich, wer die Umsatzsteuer für die Unterhaltungsleistung an den Endkunden schuldet. Nimmt die Finanzverwaltung – für Influencer oder Plattformen – eine Leistung an die Konsumenten an, stehen oftmals horrende Steuernachforderungen und zahlreiche Folgefragen im Raum.
 
2 Sachverhalt
Die Fenix International Ltd. ist in Großbritannien ansässig und betreibt die Social-Media-Plattform OnlyFans. Influencer unterhalten dort Profile, in denen sie Inhalte wie Fotos und Videos hochladen und posten. Überdies können Videos in Echtzeit gestreamt werden. Wer sich diese Inhalte anschauen möchte, muss das Profil des Influencers kostenpflichtig abonnieren. Für weitergehende Inhalte und private Nachrichten ist zumeist eine Sonderzahlung zu leisten. OnlyFans stellt nicht nur die Plattform zur Verfügung, sondern organisiert auch den Einzug der Zahlungen der Fans und die Auszahlungen an die Influencer. Von den Zahlungen der Abonnenten leitet OnlyFans 80% an die Influencer weiter. Die verbleibenden 20% werden den Influencern für die Dienstleistung des Portals als Gebühr in Rechnung gestellt. In den Streitjahren deklarierte OnlyFans lediglich auf diese Gebühr von 20% des Abopreises britische Umsatzsteuer.
 
OnlyFans ging von einer Leistung an die Influencer aus. Die Influencer hingegen würden eine Dienstleistung unmittelbar an die Fans erbringen, die mit der gesamten Abonnementgebühr vergütet werde. Der britische Fiskus nahm hingegen auf Basis von Art. 9a Abs. 1 MwSt-DVO i. V. m. Art. 28 MwStSystRL (nach deutschem Recht: § 3 Abs. 11a UStG) eine Dienstleistungskommission an. Das bedeutet, dass die Influencer eine B2B-Dienstleistung an OnlyFans erbringen und OnlyFans wiederum eine elektronische B2C-Dienstleistung an die Abonnenten. Folge dessen wäre, dass OnlyFans Umsatzsteuer auf den gesamten Abopreis abführen müsste und dies weltweit, je nach Wohnsitz des Konsumenten. Das britische Finanzgericht hegte Zweifel an der Gültigkeit von Art. 9a Abs. 1 MwSt-DVO und rief den EuGH an.
 
3 Entscheidung des EuGH (Rs. C- 695/20 – Fenix International Ltd.)
Der EuGH bestätigt im Ergebnis die formelle Rechtsgültigkeit von Art. 9a Abs. 1 MwSt-DVO. Die Bestimmung beschränke sich darauf, die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie zu präzisieren, ohne sie zu ergänzen oder zu ändern. Der Rat der EU habe somit seine Kompetenzen nach Art. 397 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie nicht überschritten.
 
Auch materiell spreche im Fall von OnlyFans nichts gegen die Anwendung der Leistungskettenfiktion des Art. 9a Abs. 1 MwSt DVO i. V. m. Art. 28 MwStSystRL. Ein Portal gelte unwiderlegbar als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd, wenn es die Abrechnung mit dem Dienstleistungsempfänger autorisiert, die Erbringung der Dienstleistungen genehmigt oder die allgemeinen Bedingungen der Erbringung festlegt. Diese Umstände rechtfertigten unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität, den Portalbetreiber in der Leistungskette zwischen Influencer und Abonnent als Leistungserbringer anzusehen.
 
4 Auswirkungen für die Praxis
Für OnlyFans-Influencer ist die Entscheidung ein Segen. Wer außerhalb Großbritanniens agiert und in der Vergangenheit Umsatzsteuer an den Fiskus abgeführt hat, sei es deutsche oder ausländische Umsatzsteuer, die ggf. über den One-Stop-Shop deklariert wurde, sollte umgehend die Möglichkeit von Erstattungsanträgen prüfen. Influencer können auf Basis der Entscheidung auch für vergleichbare Plattformen argumentieren, eine B2B-Dienstleistung nach § 3a Abs. 2 UStG zu erbringen. Sitzt die Plattform im Ausland, sind die Umsätze folglich in Deutschland nicht steuerbar. 
 
Für OnlyFans und vergleichbare Social-Media-Plattformen führt die Entscheidung zu weitreichenden Deklarations- und Aufzeichnungspflichten. Die Geschäftsbesorgungs- bzw. Vermittlungsleistung an die Influencer wird umsatzsteuerlich negiert. Erbringt die Plattform elektronisch erbrachte Dienstleistungen und ist der Kunde eine Privatperson, was in den allermeisten Fällen zutrifft, richtet sich der Leistungsort gemäß § 3a Abs. 5 UStG nach dem Kunden-Wohnsitz. Das Portal muss dann nach Art. 24a und Art. 24b MwSt-DVO vergleichsweise aufwendig prüfen, wo die Leistung konsumiert wird, und nach den Vorgaben dieses Staates Umsatzsteuer abführen. Es stellen sich folglich weltweit Registrierungsfragen. Hinzu kommt, dass die Bemessungsgrundlage der Plattform-Leistung nicht etwa der Provision, sondern dem ungleich höheren Abopreis entspricht. Wurde bislang lediglich die Provision versteuert, so drohen jetzt horrende Umsatzsteuernachzahlungen. 
 
Nicht Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob es sich bei den OnlyFans-Inhalten überhaupt durchweg um elektronisch erbrachte Dienstleistungen handelt. Beim bloßen Anschauen geposteter Videos und Fotos erscheint dies plausibel. Echtzeit-Streams und private Nachrichten erfordern aber eine nicht nur minimale menschliche Beteiligung, was einer elektronisch erbrachten Dienstleistung und der Anwendung der Dienstleistungskommission entgegensteht. Plattformen müssen genau untersuchen, ob eine elektronisch erbrachte Dienstleistung vorliegt. 
 
Überdies müssen Plattformen das seit dem 01.01.2023 geltende Plattformen-Steuertransparenzgesetz (DAC7-Richtlinie) und die damit verbundenen Aufzeichnungspflichten beachten (vgl. KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 08 | 2023).
 

Ansprechpartner:

 

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 387
 
Stand: 06.03.2023