Nationale Zollbehörden sind zur Zahlung von Zinsen verpflichtet, wenn sie Einfuhrabgaben unter Verstoß gegen das Unionsrecht erheben. Die Rechtsprechung des EuGH und der deutschen Finanzgerichte hat den Anspruch auf Zinszahlung schon mehrfach bestätigt. Zuletzt bekräftigte diesen Anspruch auch der BFH mit seinem Beschluss vom 07.08.2024, VII B 168/22 (KMLZ Zoll Newsletter 05 | 2024). Mit Beschluss vom 30. Dezember 2024, VII B 96/23 festigte der BFH die bisherige Rechtsprechung in begrüßenswerter Deutlichkeit. Dem Beschluss liegt eine bemerkenswerte Entscheidung in erster Instanz zugrunde.
1 Entscheidung in erster Instanz
Die Klägerin führte verschiedene technische Geräte, u.a. Monitore in die EU ein. Zwischen ihr und dem abfertigenden HZA bestand Uneinigkeit hinsichtlich der Warennummer. Die Klägerin vertrat eine Einreihungsauffassung, die zu einem Zollsatz von 0% geführt hätte. Das HZA war anderer Ansicht und setzte entsprechend Einfuhrabgaben fest. Im Rahmen der Einreihungsprüfung erstellte das Bildungs- und Wissenschaftszentrum (BWZ) ein Gutachten, in dem es die Auffassung der Finanzverwaltung stützte. Es erging außerdem eine gleichlautende verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA).
Nach mehreren Einspruchsverfahren und einer zweiten vZTA, welche die Auffassung der Klägerin bestätigte, gab das HZA schließlich der Klägerin recht. Es erstattete die erhobenen Einfuhrabgaben, wehrte sich jedoch weiter gegen die Pflicht zur Zahlung von Zinsen. Seine Ablehnung erklärte das HZA unter anderem damit, dass ein Zinsanspruch im Falle der Erstattung in einem kostenlosen Rechtsbehelfsverfahren nicht anwendbar sei. Außerdem sei ein Zinsanspruch nicht gegeben, wenn für die Waren im Zeitpunkt der Anmeldung keine vZTA vorlag. Weiter bestehe kein Anspruch, wenn die Klägerin die Möglichkeit hatte, die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Letztlich sei nicht ausreichend, dass dem HZA ein einfacher Rechtsanwendungsfehler im Hinblick auf die Einreihung der Waren unterlaufen sei.
Mit keinem seiner Argumente hatte das HZA Erfolg. Das FG stellte bereits in erster Instanz klar, dass der Zinsanspruch besteht, wenn ein HZA aufgrund eines Rechtsanwendungsfehlers Einfuhrabgaben erhebt und diese dann zurückerstatten muss. Auf die vom HZA vorgebrachten Verfahrensmodalitäten komme es nicht an. Insbesondere sei unerheblich, ob eine vZTA besteht oder nicht. Bemerkenswert ist, dass das FG in seinem Urteilsspruch nicht bloß auf die Verpflichtung zum Erlass eines entsprechenden Zinsbescheides abstellte. Stattdessen verurteilte es das HZA zur Zahlung des entsprechenden Zinsbetrages. Zur Begründung führte es an, es sei bekannt, dass die HZÄ die Urteile der Finanzgerichte zuweilen nicht umsetzten. Die Klägerin konnte ihren Antrag auf mehrere Beispielfälle stützen, in denen Urteilssprüche zum Erlass von Zinsbescheiden von den verurteilten HZÄ nicht umgesetzt wurden.
Das FG ließ die Revision nicht zu. Das beklagte HZA legte Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) ein.
2 Entscheidung des BFH
Der BFH wies die NZB als unbegründet zurück. Eine inhaltliche Überprüfung des Urteils erfolgte nicht, da der BFH der Sache keine grundlegende Bedeutung zumaß. Somit lag schon kein Revisionsgrund vor. Der BFH verwies auf die detaillierte Rechtsprechung, die Zinsansprüche in verschiedenen Konstellationen bestätigte. Die Vorgaben des EuGH seien demgemäß von nationaler Rechtsprechung rezipiert und auch durch den BFH selbst bereits ausgestaltet worden.
Letztlich verwies der BFH erneut darauf, dass eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen gem. Art. 116 Abs. 6 UZK nur in den Fällen gelte, in denen die rechtswidrige Abgabenerhebung unmittelbar auf die notwendige Schnelligkeit und damit einhergehende Fehleranfälligkeit des Zollabfertigungsverfahrens zurückzuführen ist. Auch diese Erkenntnis sei nicht neu, sondern ergebe sich bereits aus den vorhergehenden EuGH-Entscheidungen. Die Rechtslage sei insoweit eindeutig (acte clair), sodass ein weiterer Klärungsbedarf nicht bestehe.
3 Auswirkungen auf die Praxis
Mit dem vorangegangenen Beschluss vom 07.08.2024, VII B 168/22 (KMLZ Zoll Newsletter 05 | 2024) hat der BFH bereits seine Auffassung deutlich gemacht. Die hier gegenständliche NZB nahm er erneut zum Anlass, um zu betonen, dass die Frage des Zinsanspruches keiner weiteren Klärung bedürfe.
Es ist davon auszugehen, dass die HZÄ dieser Rechtsprechung in Zukunft folgen werden. Inzwischen hat nämlich auch das BMF mit einem Anwendungserlass den Weg zur Umsetzung der Rechtsprechung freigemacht. Streitigkeiten um Zinsen – jedenfalls dem Grunde nach – dürften damit der Vergangenheit angehören.
Unternehmer, die gezahlte Einfuhrabgaben erstattet bekommen, sollten daher stets daran denken, den Zinsanspruch geltend zu machen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein HZA die Einfuhrabgaben von Amts wegen oder im Einspruchs- bzw. Erstattungsverfahren erstattet. Die Festsetzungsfrist für Zinsen beträgt zwei Jahre, beginnend mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung oder Gewährung der zu viel erhobenen Einfuhrabgaben erfolgt ist.
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Stand: 16.09.2025