Umsatzsteuer Newsletter 12/2025
BFH zu Boni bei Zentralregulierung – Klarheit und Handlungsbedarf zugleich
Die Zentralregulierung mit ihren zahlreichen Leistungsbeziehungen unterlag im Jahr 2014 einer weitreichenden Rechtsprechungsänderung. Das jetzt ergangene Urteil des BFH wurde mit großer Spannung erwartet, weil es die Uhr hätte zurückdrehen können. So hatte das Finanzgericht geurteilt. Doch der BFH bestätigt seine mittlerweile gefestigte Linie. Dies schafft einerseits rechtliche Klarheit, kann andererseits aber auch dringende Anpassungen erforderlich machen. Zentralregulierer, die die Rechtsprechungsänderung nicht umgesetzt haben, weil sie sie als für ihren Fall nicht anwendbar sahen, mindern noch immer – ggf. zu Unrecht – ihre Umsatzsteuer. Sie müssen unverzüglich die umsatzsteuerliche Behandlung ihrer Leistungsbeziehungen überprüfen und womöglich die Abrechnungen anpassen.
1 Hintergrund
Wo in großem Volumen Waren eingekauft und verkauft werden, agieren oftmals Zentralregulierer als Vermittler zwischen Lieferanten und dem Zentralregulierer angeschlossenen Unternehmen. Diese Anschlusshäuser versprechen sich durch die Nachfragebündelung bessere Konditionen beim Wareneinkauf von Lieferanten. Dem Zentralregulierungsgeschäft liegen zahlreiche verschiedene Zahlungs- und Leistungsbeziehungen zugrunde. Unter anderem erhält der Zentralregulierer von Warenlieferanten Boni, die er aus eigenen Stücken ganz oder teilweise an seine Anschlusshäuser weitergibt. In 2014 hatten EuGH (Rs. Ibero Tours – C-300/12) und BFH (Az.: V R 3/12) entschieden, dass die Weitergabe dieser Boni nicht umsatzsteuerbar ist. Zuvor hatten Zentralregulierer die Bemessungsgrundlage ihrer Vermittlungsleistung bei Auszahlung dieser Boni gemindert. Obwohl es sich bei dem Warenerwerb des Anschlusshauses von den Lieferanten um eine ganz andere Leistungsbeziehung handelt, hatten die Anschlusshäuser korrespondierend den Vorsteuerabzug aus dem Warenbezug gemindert. In der Praxis führte die Änderung der Rechtsprechung zu einem enormen Anpassungsbedarf.
 
2 Sachverhalt und Vorinstanz
Der Entscheidung liegt ein klassischer Zentralregulierungsfall zugrunde: Der Zentralregulierer vereinbarte mit den Lieferanten jährlich die Konditionen für u. a. die Warenlieferungen der Lieferanten an die Mitgliedsunternehmen. Die Verhandlungen führte der Zentralregulierer mit den Lieferanten, ohne dass die Anschlusshäuser hier Einfluss nehmen konnten. Die vereinbarten Konditionen beinhalteten u. a. die streitgegenständlichen Boni, die der Regulierer im eigenen Namen vereinnahmt (sog. Gruppenboni). Letztgenannte Vergütungen zahlen die Lieferanten dem Zentralregulierer für wirtschaftliche Vorteile wie Bündelungsfunktionen, Konditionsverhandlungen, Absatzförderung etc. Der Zentralregulierer reichte sämtliche Boni an seine Anschlusshäuser weiter.
Entsprechend der ursprünglichen Rechtslage im Streitjahr 2012 minderte der Zentralregulierer die Bemessungsgrundlage im Zeitpunkt der Weiterleitung der Gruppenboni an die Anschlusshäuser. Letztere minderten den Vorsteuerabzug aus den Warenbezügen nach § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG. Auf Basis der geänderten Rechtsprechung beantragte das Anschlusshaus später jedoch die Rückgängigmachung der Vorsteuerberichtigung und damit eine Steuererstattung.
 
Das FG Münster wies die Klage ab. In Abkehr von der EuGH- und BFH-Rechtsprechung sei, abweichend von den zivilrechtlichen Vereinbarungen, eine wirtschaftliche Betrachtung vorzunehmen. Demnach stünden die Gruppenboni wirtschaftlich in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Warenlieferungen an die Anschlusshäuser. Es handle sich der Sache nach um Minderungen des Einkaufspreises und nicht um Entgelt für Leistungen des Zentralregulierers. 
 
3 Entscheidung des BFH
Die Revision des Anschlusshauses hatte Erfolg. Klar und stringent stellt der BFH die Rechtsprechungsentwicklung dar und unterstreicht, dass umsatzsteuerlich entscheidend ist, ob ein Rabatt innerhalb oder außerhalb einer Leistungskette gewährt wird. Vorliegend sei keine Leistungskette gegeben. Denn der Vertragslieferant beliefere das Anschlusshaus des Zentralregulierers unmittelbar. Der Zentralregulierer hingegen erbringe eine gesondert zu betrachtende Dienstleistung an den Vertragslieferanten. Nach der Ibero-Tours-Rechtsprechung des EuGH schließe dies eine Entgeltminderung aus.
 
Erfreulicherweise setzt sich der BFH auch mit der Argumentation des FG Münster auseinander. Richtig sei, dass die weitergereichten Gruppenboni mit den Wareneinkäufen zusammenhängen. Dies grenze den Fall aber gerade nicht von der Rechtsprechung ab, sondern sei gängige Praxis, wenn Vermittler Rabatte weitergeben. Die Weiterleitung habe schließlich immer etwas mit dem vermittelten Umsatz zu tun. Die neueren EuGH-Urteile zu gesetzlich vorgeschriebenen Rabatten im Pharmabereich stünden dem Ergebnis nicht entgegen, da vorliegend gerade keine gesetzliche Pflicht zur Gewährung der Rabatte bestand. Ebenso seien die Unterschiede zum BFH-Verfahren (Az.: V R 20/23), in denen ein Zentralregulierer klagte, nicht entscheidungserheblich. Auch in diesem Verfahren entschied der BFH, dass weitergeleitete Gruppenboni nicht umsatzsteuerbar sind und der Zentralregulierer seine Umsatzsteuer für Leistungen an die Lieferanten nicht mindern kann. Das FG Münster hat im weiteren Verfahren noch Fragen zu klären, die sich aufgrund der Rechtsauffassung nicht stellten.
 
4 Auswirkungen auf die Praxis
Anschlusshäuser: Sie können sich über die Entscheidung freuen. Es ist nunmehr gefestigte Rechtsprechung, dass sie den Vorsteuerabzug aus Wareneinkäufen wegen Gruppenboni nicht mindern müssen. Nach der Rechtsprechungsänderung im Jahr 2014 wurden vielfach Erstattungsanträge gestellt. Etliche dieser Verfahren sind noch immer offen. Das Pendel schwingt mit der BFH-Entscheidung klar in Richtung der Erstattungsansprüche der Anschlusshäuser.
 
Zentralregulierer: Einige Zentralregulierer haben die Rechtsprechungsänderung nicht umgesetzt, etwa weil sie sich – wie auch das FG Münster – in einer anderen Konstellation wähnten. Mit dieser Entscheidung wird die Luft dünner und das Risiko deutlich höher. Denn diese Zentralregulierer mindern noch immer – ggf. zu Unrecht – ihre Umsatzsteuer. Sie müssen schnellstmöglich die umsatzsteuerliche Behandlung ihrer Leistungsbeziehungen überprüfen und womöglich die Abrechnungen anpassen. Dies gilt sowohl gegenüber den Anschlusshäusern wie auch den Vertragslieferanten.
 
Lieferanten: Die Entscheidung stellt auch klar, dass es sich bei den Gruppenboni um Entgelt für eine Dienstleistung des Zentralregulierers an den Lieferanten handelt. Lieferanten benötigen daher eine Rechnung des Zentralregulierers für den Vorsteuerabzug. Es liegt indes keine Entgeltminderung vor, bei der die Umsatzsteuer bei Zahlung gemindert wird.
 

Ansprechpartner:

 

Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 387
 
Stand: 28.04.2025