Umsatzsteuer Newsletter 20/2013
Umsatzsteuerfreie Beratung einer Kapitalanlagegesellschaft
Wie bereits der EuGH (Urt. v. 07.03.2013, Rs. C-275/11 – Rs. GfBk) sieht nun auch der BFH in seiner Nachfolgeentscheidung v. 11.04.2013, V R 51/10, Beratungsleistungen in Form von Anlageempfehlungen an Kapitalanlagelagegesellschaften (KAG) als umsatzsteuerfrei an. Berater, die KAG beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren für die von der KAG verwalteten Sondervermögen gegen Entgelt beraten, profitieren von diesen Urteilen.


1. Sachverhalt

Eine Kapitalanlagegesellschaft (KAG) verwaltete einen Publikumsfonds als Sondervermögen nach dem damals geltenden Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften. Bei der Verwaltung des Fondsvermögens ließ sich die KAG von der GfBk Gesellschaft für Börsenkommunikation mbH (GfBk) beraten, bei der es sich selbst um keine KAG handelte.

Laut dem geschlossenen Anlageberatungsvertrag hatte die GfBk „unter ständiger Beobachtung des Fondsvermögens Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von Vermögensgegenständen [zu] erteilen“. Die GfBk hatte hierbei „den Grundsatz der Risikomischung, die gesetzlichen Anlagebeschränkungen (…) sowie die …Anlagebedingungen … zu berücksichtigen“. Die GfBk wurde nach einem vom Wert des Sondervermögens berechneten Prozentsatz vergütet.

Die GfBk übermittelte der KAG Empfehlungen zum An- und Verkauf von Wertpapieren per Telefon, Telefax oder Web-Server, ohne dabei umfangreiche Expertisen zu erstellen. Die KAG stellte die Empfehlungen in ihr Order-System ein, um diese einer Überprüfung zu unterziehen. Die Anlageempfehlungen der GfBk setze die KAG – oft innerhalb weniger Minuten – um, soweit kein Verstoß gegen bestehende Anlagegrenzen vorlag. Zu den Empfehlungen über die Zusammensetzung des Fondsvermögens traf die KAG hinsichtlich der Vermögenswerte keine eigene Auswahl, ihr verblieb aber die Letztentscheidung und Letztverantwortung. Die GfBk erhielt Rückmeldungen zur Ausführung der Em­pfehlungen sowie tägliche Aufstellungen über die Zusammensetzung des von ihr beratenen Investmentvermögens.

2. Finanzamt – Finanzgericht – BFH – EuGH – BFH

Die GfBk beantragte im Rahmen einer Betriebsprüfung, die Beratungsleistungen als nach § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG umsatzsteuerfrei zu behandeln. Das Finanzamt ging hingegen von der Umsatzsteuerpflicht der Leistungen aus. Einspruch und Klage zum Finanzgericht hatten keinen Erfolg. Der angerufene BFH legte die Frage nach der Umsatzsteuerfreiheit dem EuGH vor.

Mit Urteil vom 07.03.2013 entschied der EuGH, dass von einem Dritten gegenüber einer KAG als Verwalterin eines Sondervermögens erbrachte Beratungsdienstleistungen für Wertpapieranlagen als umsatzsteuerfrei zu beurteilen sind. Der BFH folgte dem EuGH in seiner Entscheidung vom 11.04.2013, V R 51/10. Die Beratungsleistungen der GfBk, die sie für die KAG erbracht hat, sind laut BFH umsatzsteuerfrei.

3. Offene Fragen

In der Investmentbranche werden Kauf- und Verkaufsempfehlungen in zwei verschiedenen Grundformen erteilt:

  • Bezifferte Empfehlungen: Der Berater gibt Empfehlungen ab, die nach Stückzahl oder Nennwert der Wertpapiere beziffert sind.
  • Unbezifferte Empfehlungen: Der Berater gibt allgemeine Empfehlungen ab, z.B. wegen einer zu erwartenden Änderung des Kapitalmarktzinses Schuldverschreibungen gegenüber Aktien über- oder unterzugewichten. Oder es wird empfohlen, Titel bestimmter Kategorien (z.B. Bankaktien) zu kaufen oder zu verkaufen.

Dem EuGH-Urteil lag ein Sachverhalt mit bezifferten Empfehlungen zugrunde. Fraglich ist gleichwohl, ob die Steuerfreiheit auch für unbezifferte Empfehlungen gilt. Dafür spricht der allgemein formulierte Leitsatz des EuGH-Urteils.

Jedenfalls fallen unseres Erachtens allgemeine Beratungsleistungen, wie z.B. die Rechts- und Steuerberatung an eine KAG nicht unter die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG.

4. Folgerungen für die Praxis

Die deutschen Finanzämter sind derzeit noch an die Anweisung in Abschn. 4.8.13 Abs. 18 Nr. 3 UStAE gebunden. Danach fallen Beratungsleistungen mit oder ohne konkrete Kauf- oder Verkaufsempfehlungen nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. h UStG. Die Bindung der Finanzämter an den UStAE endet erst mit einer Änderung des UStAE, die frühestens im Herbst 2013 zu erwarten ist.

4.1 Berater von KAG

Berater sollten prüfen, welche zurückliegenden Besteuerungszeiträume noch „offen“ sind. Für jeden einzelnen Besteuerungszeitraum ist zu untersuchen, ob die Berufung auf das neue EuGH-Urteil vor dem Hintergrund der dann eintretenden Vorsteuerkürzung (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG) sinnvoll ist. Wenn ja, dann sollte Einspruch eingelegt oder ein Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 AO gestellt werden.

Dabei ist zu beachten, dass die Berater an die KAG in der Regel Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis gestellt haben. Bei einer Steuerfreiheit der Beratungsleistung liegt damit eine Steuerschuld wegen unrichtigem Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG vor. Die § 14c Abs. 1 UStG-Steuerschuld entfällt durch entsprechende Rechnungsberichtigung wieder, jedoch nicht rückwirkend. Da regelmäßig im Beratungsvertrag mit der KAG eine Nettovergütung „zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer“ vereinbart wurde, dürfte die Rechnungsberichtigung in einer Vielzahl der Fälle dazu führen, dass die KAG die überwiesene Umsatzsteuer auf zivilrechtlichem Weg zurückfordert. Der Berater sitzt damit „zwischen den Stühlen“ des Finanzamts auf der einen Seite und der KAG auf der anderen Seite.

Die laufende Rechnungsstellung sollte auf Bruttorechnungen ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis umgestellt werden, um keine weiteren § 14c UStG-Rechnungen zu produzieren. Wer in der laufenden Voranmeldung die Umsätze als umsatzsteuerfrei behandelt, sollte dies gegenüber dem Finanzamt schriftlich offenlegen, um sich nicht dem Vorwurf einer Steuerhinterziehung auszusetzen.

4.2 KAG

KAG sollten von den Beratern zivilrechtlich die gezahlte Umsatzsteuer zurückfordern. Dabei ist die zivilrechtliche Verjährung des Bereicherungsanspruchs der KAG im Auge zu behalten.

Ansprechpartner:

Dr. Oliver Zugmaier
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 60
oliver.zugmaier@kmlz.de

Stand: 01.08.2013