Waren, die binnen drei Jahren aus dem Zollgebiet der Union ausgeführt und im Anschluss im selben Zustand wieder eingeführt werden (Rückwaren), sind bei der Wiedereinfuhr von den Einfuhrabgaben (Zoll und Mehrwertsteuer) befreit (Art. 203 UZK, Art. 143 Abs. 1 Buchst. e) MwStSystRL). Bei der Wiedereinfuhr ist für die Waren eine Zollanmeldung abzugeben, die Waren müssen gestellt und die Befreiung von den Einfuhrabgaben beantragt werden. Unterbleibt die Zollanmeldung, entsteht gem. Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) UZK die Zollschuld. Hieraus ergibt sich indes nicht automatisch, dass ebenfalls die Einfuhrmehrwertsteuer anfällt. Dies macht der EuGH nun in seinem Urt. v. 12.06.2025, Rs. C‑125/24 – Palmstråle deutlich.
1 Sachverhalt und Vorlagefrage
Die Klägerin verbrachte zwei Pferde von Schweden nach Norwegen, um dort mit ihnen an Turnieren teilzunehmen. Im Anschluss führte sie die Pferde wieder nach Schweden ein. Beim Grenzübertritt nach Schweden gab die Klägerin keine Zollanmeldung ab, gestellte die Pferde nicht und beantragte auch keine Befreiung von den Einfuhrabgaben wegen der Rückwareneigenschaft. Die schwedische Zollverwaltung setzte daraufhin Einfuhrabgaben gem. Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) UZK wegen Verstoßes gegen zollrechtliche Vorschriften fest. Aufgrund des Zollsatzes von 0% umfasste die Festsetzung lediglich Einfuhrmehrwertsteuer.
Die Klägerin ging gegen die Festsetzung vor und unterlag in erster und zweiter Instanz vor der schwedischen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Diese stellte sich auf den Standpunkt, dass für die Befreiung von den Einfuhrabgaben die Abgabe einer Zollanmeldung sowie ein entsprechender Befreiungsantrag notwendig seien. Das oberste schwedische Verwaltungsgericht äußerte in dritter Instanz Zweifel an dieser Auffassung. Es erkannte, dass die Befreiung von den Einfuhrabgaben gem. Art. 86 Abs. 6 UZK auch in den Fällen der Zollschuldentstehung nach Art. 79 UZK möglich ist, wenn kein Täuschungsversuch vorliegt. Es äußerte indes Zweifel daran, dass sich die Befreiung von den Einfuhrabgaben auch auf die Einfuhrmehrwertsteuer erstreckt, wenn keine Zollanmeldung abgegeben wurde und es an dem entsprechenden Befreiungsantrag fehlt. Dementsprechend legte es diese Frage dem EuGH vor.
2 Entscheidung
Der EuGH beantwortet die Vorlagefrage eindeutig. Der Verstoß gegen zollrechtliche Vorschriften schließt die Befreiung von der Einfuhrmehrwertsteuer nicht aus, wenn die materiellen Voraussetzungen vorliegen und der Verstoß kein Täuschungsversuch war. Seine Entscheidung begründet der EuGH damit, dass dies der vorgesehene Anwendungsfall des Art. 86 Abs. 6 UZK sei. Denn dieser kommt gerade dann zur Anwendung, wenn wegen formaler Verstöße (z.B. fehlende Zollanmeldung) die Zollschuld nach Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) UZK entsteht. Der EuGH verweist insoweit auch auf Erwägungsgrund 38 zum UZK, nach dem die nachteiligen Folgen bei fahrlässigen Verstößen gegen zollrechtliche Verpflichtungen auf ein Mindestmaß abzumildern sind. Ob ein Täuschungsversuch vorliegt, der die Befreiung von den Einfuhrabgaben verhindert, ist jeweils durch das nationale Gericht zu entscheiden.
Art. 143 Abs. 1 Buchst. e) MwStSystRL spiegelt insoweit die Wertungen des Zollrechts. Die Norm verweist auf die „Wiedereinfuhr von unter eine Zollbefreiung fallenden Gegenständen“. Da die Zollbefreiung gem. Art. 86 Abs. 6 UZK angewendet wird, erstreckt sich diese Wertung auch auf die Einfuhrmehrwertsteuer.
3 Einordnung
Das Urteil des EuGH stärkt Unternehmer, die oftmals unter der hohen Formalisierung des Zollrechts leiden. Erstens verdeutlicht es, dass aufgrund der Regelung des Art. 86 Abs. 6 UZK nicht jeder Verstoß gegen zollrechtliche Verpflichtungen auch das Entstehen der Zollschuld zur Folge hat. Darüber hinaus wird erneut der Unterschied zwischen Zoll und Einfuhrmehrwertsteuer deutlich. Nicht selten wenden nationale Zollverwaltungen die Vorschriften über die Zölle ohne Einschränkung auch auf die Einfuhrmehrwertsteuer an. Dabei ist es inzwischen ständige Rechtsprechung des EuGH, dass die Vorschriften über die Zölle nur sinngemäß auf die Einfuhrmehrwertsteuer Anwendung finden können (vgl. nur EuGH, Urt. v. 10.07.2019, Rs. C-26/18 – Federal Express). Dieses Detail ist auch bei Einfuhren in Deutschland hochrelevant. Denn die deutsche Zollverwaltung wendet häufig ebenfalls die Vorschriften über die Zölle parallel statt sinngemäß auf die Einfuhrumsatzsteuer an. Sie begründet dies mit der Vorschrift des § 21 Abs. 2 UStG.
Dass eine solche Anwendung im vorliegenden Fall zu einem besonders unsachgemäßen Ergebnis führen würde, zeigt auch die Darstellung der Generalanwältin Kokott am EuGH in ihren Schlussanträgen. Demnach würde auf einen lediglich formalen Verstoß gegen Verfahrensrecht vorliegend Einfuhrmehrwertsteuer festgesetzt, obwohl das Mehrwertsteuerrecht einen Steuerentstehungstatbestand wegen Verfahrensverstößen wie Art. 79 Abs. 1 Buchst. a) UZK gar nicht kennt. Gleichzeitig würde der Verstoß sich auf die Festsetzung von Zoll nicht auswirken, weil der Zollsatz 0% beträgt. Er hätte also stärkere Auswirkungen auf ein fremdes Rechtsregime. Der EuGH hat dies bereits erkannt. Er spricht schon lange nur noch von einem „Zusammenhang“ bzw. einer „Verknüpfung“ von Zoll und Einfuhrmehrwertsteuer. Damit soll verdeutlicht werden, dass bei der Anwendung der Vorschriften über den Zoll immer das Mehrwertsteuersystem mit seinen eigenen Wertungen mit bedacht werden muss. Das Urteil des EuGH ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zur tatsächlich nur sinngemäßen Anwendung der Zollvorschriften auf die Mehrwertsteuer durch die nationalen Zollverwaltungen.
Ansprechpartner:
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
Stand: 22.07.2025