Ja! Nein!? Doch! – Das Europäische Parlament hat dem Richtlinienentwurf zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (kurz: CSDDD) nach Abstimmung im Parlament zugestimmt. Trotz der Ablehnung des Entwurfs durch Deutschland auf der Zielgeraden bekam der politisch umstrittene Richtlinienentwurf zur CSDDD die erforderliche Mehrheit bei der Abstimmung der Mitgliedstaaten im Europäischen Rat. Nach dieser turbulenten Phase hat das Europäische Parlament nunmehr am 24.04.2024 den Richtlinienentwurf gebilligt.
1 Hintergrund
Mit der CSDDD verfolgt die EU das Ziel, Unternehmen in der EU zu mehr Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzvorgaben innerhalb ihrer gesamten Lieferkette zu verpflichten. Die Vorgaben der Richtlinie betreffen insbesondere den Schutz vor Kinderarbeit und Zwangsarbeit, den Schutz vor Landraub, den Arbeits- und Gesundheitsschutz, das Recht auf faire Löhne, das Recht, Gewerkschaften zu bilden, sowie den Schutz vor umweltrechtlichen Verstößen.
2 Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Deutschland
Das in Deutschland bereits seit dem 01.01.2023 geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) normiert Sorgfalts- und Überwachungspflichten in der Lieferkette. Zu den in den §§ 4 ff. LkSG festgelegten Pflichten gehören insbesondere die Schaffung eines unternehmensinternen Risikomanagements zur Durchführung von Risikoanalysen, die regelmäßige Veröffentlichung von Berichten über die Compliance mit der Richtlinie sowie die Einrichtung und Ergreifung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen, um eine Verletzung der Sorgfaltspflichten zu vermeiden bzw. Verstöße zu beseitigen. Diese Pflichten gelten sowohl für den eigenen Geschäftsbereich als auch abgestuft, je nach Verbundenheit mit dem Unternehmen, für das Handeln eines Vertragspartners und das Handeln weiterer (mittelbarer) Zulieferer. Erfasst wird also die gesamte Liefer- bzw. Wertschöpfungskette bis zum fertigen Produkt. Unter den Schutzbereich fallen im Gegensatz zur CSDDD jedoch keine umweltbezogenen Sorgfaltspflichten. Seit 01.01.2024 sind die im deutschen LkSG niedergelegten Verpflichtungen von allen Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsgemäßem Sitz oder einer Zweigniederlassung in Deutschland, die mindestens 1000 Arbeitnehmer beschäftigen, zu erfüllen.
3 Europäische Lieferkettenrichtlinie
Die CSDDD sieht im Unterschied zum LkSG zusätzlich Sorgfaltspflichten für die dem Produkt des Unternehmers nachfolgende Wertschöpfungskette vor. Zunächst müssen Unternehmen die Risiken in ihren Lieferketten ermitteln, bewerten und priorisieren (vgl. Art. 7, 8, 9 CSDDD). Daneben sind Prozesse zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu etablieren. Des Weiteren müssen Maßnahmen ergriffen werden, um präventiv mögliche Verstöße gegen die Menschenrechte sowie Schädigungen der Umwelt zu vermeiden bzw. bereits eingetretene Verstöße zu minimieren (vgl. Art. 10, 11, 12 CSDDD). Diese Maßnahmen müssen bei der berechtigten Annahme von neuen Risiken, wenigstens jedoch alle 12 Monate überwacht, bewertet und bei Bedarf angepasst werden (vgl. Art. 15 CSDDD). Ferner ist ein Beschwerdekanal für Personen in den Lieferketten einzurichten (vgl. Art. 14 CSDDD). Alle vorstehend genannten Maßnahmen sind jährlich in einem Bericht zu erfassen und zu veröffentlichen (vgl. Art. 16 CSDDD). Da die Maßnahmen nicht nur Verstöße gegen Menschenrechte, sondern auch die Vermeidung von Schädigungen für die Umwelt zum Gegenstand haben, gehen die Verpflichtungen auch hier deutlich über die des deutschen LkSG hinaus.
Die Pflicht, die vorstehenden Maßnahmen vorzusehen, trifft sämtliche nach Vorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Unternehmen, sofern sie mindestens 1000 Arbeitnehmer beschäftigen und einen (Welt-)Nettoumsatz von mindestens EUR 450 Mio. jährlich erzielen (vgl. Art. 2 Abs. 1 CSDDD). Zum anderen werden auch Unternehmen erfasst, welche nach den Rechtsvorschriften eines Drittlandes gegründet wurden, wenn sie in der EU in einem Jahr einen Nettoumsatz von mindestens EUR 450 Mio. erzielt haben, unabhängig von ihrer Mitarbeiteranzahl (vgl. Art. 2 Abs. 2 CSDDD). Schließlich sind solche Unternehmen verpflichtet, die Franchise- oder Lizenzvereinbarungen in der EU geschlossen und dafür über EUR 22,5 Mio. Gebühren bezahlt haben und, sofern das jeweilige Unternehmen nach Vorschriften eines Drittlands gegründet wurde, in der EU einen Nettoumsatz von mehr als EUR 80 Mio. jährlich erzielen. Geldstrafen bei Verstoß gegen die Verpflichtungen sollen sich am weltweiten Nettoumsatz des Unternehmens orientieren und sind von den einzelnen Mitgliedstaaten festzulegen (vgl. Art. 27 CSDDD). Hinzu kommt eine zivilrechtliche Haftung gegenüber Geschädigten bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstößen gegen die Verpflichtungen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen als Grundlage zur Kompensation der entstandenen Schäden (vgl. Art. 29 CSDDD). Die Mitgliedstaaten müssen die Erhebung solcher Schadensersatzklagen ermöglichen.
4 Fazit
Die CSDDD geht deutlich über die bestehenden Verpflichtungen des LkSG hinaus. Auch solche Unternehmer, die bereits die Verpflichtungen aus dem LkSG umgesetzt haben, müssen sich auf weitere Compliance-Pflichten aus der CSDDD einstellen. Sowohl der Kreis der verpflichteten Unternehmer als auch der Umfang der Pflichten wird erheblich erweitert. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie umzusetzen. Bis dahin gilt in Deutschland weiterhin das bestehende LkSG. Die Zeit bis zur Umsetzung der CSDDD bietet sich an, um sich schon jetzt einen Überblick über die neuen Verpflichtungen zu verschaffen und erste Maßnahmen zu ergreifen.
Ansprechpartner:
Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
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Stand: 25.04.2024