Umsatzsteuer Newsletter 57/2024
Konzerninterne Verrechnungen: EuGH entscheidet zum Vorsteuerabzug der Tochtergesellschaft
Die Finanzbehörden stellen den Vorsteuerabzug bei Holding-Gesellschaften oft in Frage. Ein aktuelles Urteil des EuGH lenkt jetzt den Blick in eine andere Richtung. Es geht um den Vorsteuerabzug einer Konzerngesellschaft aus klassischen Leistungen einer anderen Gesellschaft der Gruppe. Die Argumente, mit denen der EuGH sich in diesem Zusammenhang auseinandersetzt, könnten von der Finanzverwaltung auch in jedem anderen Konzern gegen den Vorsteuerabzug von Tochtergesellschaften vorgebracht werden.
1 Sachverhalt
Die Foserco SA gehört zur Unternehmensgruppe Weatherford. Sie ist aber nicht Teil einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft. Foserco hat – wie auch weitere Unternehmen der Weatherford-Gruppe – von anderen Weatherford-Gesellschaften mit Sitz außerhalb Rumäniens allgemeine Verwaltungsdienstleistungen (IT, Personalwesen, Marketing, Buchhaltung und Beratung) bezogen. Insoweit hat Foserco als Leistungsempfängerin aufgrund des Steuerschuldübergangs Umsatzsteuer deklariert. Die Finanzverwaltung verweigerte Foserco den Vorsteuerabzug, da diese keine Dokumente vorgelegt habe, die den Zusammenhang zwischen den Verwaltungsleistungen und ihren Ausgangsumsätzen belegten. Die Dienstleistungen seien an mehrere Gesellschaften der Gruppe erbracht und damit anderen Mitgliedern dieser Gruppe oder der Gruppe als solcher zugutegekommen. Auch seien die Eingangsleistungen für Foserco nicht erforderlich gewesen. 
 
2 Entscheidung des EuGH, Urt. v. 12.12.2024 – Rs. C-527/23
Damit das Recht auf Vorsteuerabzug besteht, müssen die Eingangsleistungen in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den Ausgangsleistungen des Leistungsempfängers stehen. Dies ist bei sog. allgemeinen Aufwendungen der Fall, bei denen dieser Zusammenhang zur gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen besteht. Derartige Allgemeinkosten sind – als solche – Kostenelement der Ausgangsleistungen. Der EuGH betont, dass es auf den objektiven Inhalt der Umsätze ankommt. Insoweit ist die tatsächliche Verwendung der Umsätze unter Berücksichtigung des Grundes für den Erwerb entscheidend. Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH besteht kein Recht auf Vorsteuerabzug, wenn die Eingangsleistung unentgeltlich an eine Tochtergesellschaft (z. B. als Gesellschafterbeitrag) weitergegeben und für deren Zwecke verwendet wird.
Auf den konkreten Fall bezogen, erscheint es dem EuGH unerheblich, dass entsprechende Dienstleistungen an mehrere Empfänger gleichzeitig erbracht wurden und ob der Erwerb für den Empfänger erforderlich oder zweckmäßig war. Allerdings muss das vorlegende Gericht ermitteln, ob der von Foserco getragene Kostenanteil tatsächlich den Dienstleistungen entspricht, die Foserco für seine besteuerten Umsätze in Anspruch genommen hat. Hierfür ist im Zweifel Foserco beweispflichtig, ebenso wie für alle anderen Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen.
 
3 Praxisfolgen
Dass die Erbringung gleichartiger Dienstleistungen an mehrere Empfänger innerhalb eines Konzerns den Vorsteuerabzug nicht per se ausschließt, ist unzweifelhaft. So erbringt eine Muttergesellschaft (Holding) oftmals an verschiedene (alle) Konzerntöchter Holdingleistungen (Buchhaltung, Steuerberatung, Lizenzüberlassungen usw.). Es gibt keinen Grund, weshalb diese Verteilung eines Leistungsgegenstands auf mehrere Tochterunternehmen den Vorsteuerabzug ausschließen sollte. Ebenfalls richtig ist es, dass beim Leistungsempfänger keine Erforderlichkeits- oder Zweckmäßigkeitskontrolle notwendig ist. Der Steuerpflichtige entscheidet selbst, welche Eingangsleistungen er meint zu benötigen. Letzteres ist aber kein Spezifikum des Vorsteuerabzugs im Konzern, sondern gilt für alle Steuerpflichtigen. 
 
Nicht eindeutig ist, was der EuGH mit seiner Aussage meint, dass der getragene Kostenanteil den in Anspruch genommenen Dienstleistungen entsprechen muss. Diese Feststellung trifft der EuGH lediglich in den Entscheidungsgründen, nicht aber in seiner Antwort selbst. Er möchte damit wohl zum Ausdruck bringen, dass die abgerechneten Dienstleistungen tatsächlich erbracht worden sein müssen. Anderenfalls darf der Leistungsempfänger keinen Vorsteuerabzug vornehmen. Für Konzerne bedeutet dieser Hinweis nichts Neues. Allein die Weiterbelastung von Kosten der Holding, ohne dass es zu Leistungen gegenüber der belasteten Tochtergesellschaft kommt, genügt für steuerbare Umsätze nicht. Auch darf es sich insoweit nicht „nur“ um einen Gesellschafterbeitrag handeln. 
 
Was mit der genannten Aussage des EuGH jedoch nicht gemeint sein kann, ist eine generelle Angemessenheitsprüfung von Entgelten. Konzerninterne Verteilungsschlüssel sind deshalb (ebenso wie absolute Beträge) im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug bei der Tochtergesellschaft nicht auf ihre „Angemessenheit“ o. Ä. hin zu untersuchen. Oftmals orientieren diese Schlüssel sich an Notwendigkeiten aus dem Bereich der Verrechnungspreise. In diesem Fall sollten sie auch umsatzsteuerrechtlich über jeden Zweifel erhaben sein. Nichts anderes kann aber gelten, wenn die Holding selbst einen für sie angemessenen Schlüssel entwickelt und entsprechend die Kosten auf die leistungsempfangenden Tochtergesellschaften umlegt. 
 
Abstrakt erwähnt der EuGH, dass die Allgemeinkosten als solche Kostenelement der Ausgangsleistungen sind. Dies ist richtig. Sofern eine Eingangsleistung zu den Allgemeinkosten gehört, ist sie Kostenelement einer Vielzahl von Ausgangsleistungen. Die Prüfung der Berücksichtigung einer Eingangsleistung in einer Kostenkalkulation o. Ä. ist aber keine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Dies entspricht so auch der abstrakten Aussage des EuGH. Es muss also gerade keine entsprechende Kalkulation o. Ä. nachgewiesen werden. Demzufolge erwähnt der EuGH die Voraussetzung des Kostenelements nicht in seinen Ausführungen zum konkreten Fall.
 
In der Praxis kommt es regelmäßig vor, dass die Finanzverwaltung bei der Muttergesellschaft, also der Holding, den Vorsteuerabzug hinterfragt. Die hier angesprochene Ebene der Tochtergesellschaften ist in diesem Zusammenhang seltener das Ziel von Aufgriffen. Das Urteil zeigt aber, dass auch bei der Verrechnung von Leistungen einer Holding an andere Konzerngesellschaften bestimmte Aspekte beachtet werden müssen, um nicht den Vorsteuerabzug zu gefährden. 

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Stand: 18.12.2024