1 Hintergrund und bisheriges Verfahren
Seit dem 01.01.2019 differenziert das Umsatzsteuerrecht zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen. Stehen bei der Ausgabe Leistungsort und geschuldete Steuer für die dem Gutschein zugrunde liegende Leistung bereits fest, handelt es sich um einen Einzweck-Gutschein, dessen Ausgabe und Übertragung(en) jeweils steuerbar sind. Andernfalls liegt ein Mehrzweck-Gutschein vor, der erst mit Einlösung zu einem steuerbaren Umsatz führt.
Die sich ergebenden Abgrenzungsprobleme bei der Einordnung von länderspezifischen Gutscheinen für digitale Inhalte haben bereits zu einer Vorlage beim EuGH geführt. Die am 25.06.2025 ergangene und nun veröffentlichte Folge-Entscheidung des BFH war einerseits absehbar. Der BFH hatte schon in der Vorlage erklärt, dass seines Erachtens Ort und Steuer für die dem Gutschein zugrunde liegenden Leistungen feststehen und deshalb Einzweck-Gutscheine vorliegen (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 10 | 2023). Seine verbleibenden Zweifel, ob die grenzüberschreitenden Übertragungen in der Vertriebskette der Einordnung der Gutscheine als Einzweck-Gutscheine entgegenstehen, hat der EuGH ausgeräumt (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 20 | 2024). Andererseits sah sich der BFH nach der EuGH-Entscheidung mit weiteren Argumenten der Klägerseite konfrontiert, wodurch er seine erste Einordnung nochmals hinterfragen musste.
2 Sachverhalt
Die Klägerin kauft von Sony herausgegebene Guthabenkarten (PSN Cards) zum Erwerb digitaler Inhalte im PlayStation Store von Zwischenhändlern aus dem EU-Ausland und verkauft sie an Endkunden. Die PSN Cards haben eine deutsche Länderkennung. Sie können nach den Vorgaben von Sony nur von Nutzerkonten mit deutscher Adresse eingelöst werden.
3 Entscheidung des BFH (Beschluss v. 25.06.2025 – XI R 14/24 (XI R 21/21))
Der BFH bleibt bei seiner Einschätzung, dass es sich bei den PSN Cards um Einzweck-Gutscheine handelt. Im Anschluss an den EuGH stellt der BFH zunächst fest, dass sich die Abgrenzung nur danach richtet, ob Ort und Steuer der an den Endkunden erbrachten Leistungen feststehen. Vertriebsketten sind unbeachtlich. Zudem betont der BFH, dass es allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Gutscheinausstellung ankommt. Nach diesen Grundsätzen berechtigen die PSN Cards nach Ansicht des BFH nur zum Bezug elektronischer Dienstleistungen zum Regelsteuersatz. Die Möglichkeit späterer Sortimentsänderungen sei unerheblich. Da die Einlösung der PSN Cards durch die Länderkennung auf Kunden mit Wohnsitz in Deutschland beschränkt ist, stehe der Leistungsort bei vertragsgemäßer Nutzung fest.
Der von der Klägerin noch vorgebrachte Einwand, dass die PSN Cards vertragsgemäß auch in den Sondergebieten Helgoland und Büsingen einlösbar sind (die zwar territorial zu Deutschland gehören, aber umsatzsteuerrechtlich Drittland darstellen), könne mangels Feststellungen des Finanzgerichts dazu verfahrensrechtlich nicht mehr gehört werden. Vielmehr spräche die vom Finanzgericht festgestellte Behandlung der PSN Cards durch Sony als Einzweck-Gutscheine gegen eine solche Einlösbarkeit. Ebenfalls aus verfahrensrechtlichen Gründen wies der BFH das Argument zurück, dass die PSN Cards auch für Leistungen eingelöst werden können, deren Ort nach § 3a Abs. 1 UStG am Sitz von Sony im Ausland liegt.
4 Auswirkungen für die Praxis
Einerseits bringt das Urteil Klarheit: Vertriebsketten spielen für die Einordnung als Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein keine Rolle. Maßgeblich sind die vertragsgemäße Nutzung und die Verhältnisse im Zeitpunkt der Gutscheinausstellung.
Andererseits fehlt eine Antwort des BFH zu der ganz wesentlichen Frage, wie sich die Einlösbarkeit durch Kunden mit Wohnsitz auf Helgoland und in Büsingen auf die Gutscheineinordnung auswirkt. Vielmehr zieht der BFH sich für das konkrete Verfahren darauf zurück, dass dieser Aspekt verfahrensrechtlich nicht mehr eingebracht werden darf.
Was bedeutet dies für die rechtliche Einordnung in anderen Fällen? Muss es sich bei Gutscheinen, die für Leistungen im Inland und für Leistungen in den Sondergebieten einlösbar sind, nicht eigentlich um Mehrzweck-Gutscheine handeln? Diese Einschätzung wird durch die von der Klägerseite vorgetragene spanische Auffassung bekräftigt. Kommt es dann darauf an, dass die Einlösbarkeit für Leistungen in diesen Gebieten explizit erlaubt wird? Oder genügt es, dass sie nicht ausgeschlossen ist? Unternehmer sollten diese Fragestellungen bei der Gestaltung von Gutscheinbedingungen und der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung ihrer Gutscheinübertragungen berücksichtigen.
Auch in Bezug auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Gutscheinausstellung bleiben Fragen offen: Welche Nachweis- und Prüfpflichten bestehen insoweit für ausgebende Unternehmer sowie für Zwischenhändler? Beispielsweise wird es Zwischenhändlern in der Regel nicht möglich sein, das Sortiment im Zeitpunkt der erstmaligen Gutscheinausstellung zu überprüfen. Inwieweit können sie sich auf die Einordnung des Ausstellers verlassen? Unter bestimmten Voraussetzungen geht zumindest die Finanzverwaltung von einem Vertrauensschutz aus (Abschn. 3.17 Abs. 2 S. 8 f., Abs. 9 S. 8 f. UStAE).
Eine weitere wesentliche Frage ist, wo die durch die B2B-Übertragung des Einzweck-Gutscheins in Vertriebsketten fingierte Leistung steuerbar ist. Der BFH schien in seiner Vorlagefrage zu implizieren, dass sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt. Demgegenüber wird teilweise auch die Meinung vertreten, dass die Gutscheinübertragung jeweils dort steuerbar ist, wo bei Gutscheineinlösung die Leistung an den Endkunden erbracht wird. Auch hier fehlt es noch an einer Klarstellung. Die vorliegende Entscheidung wird also sicherlich nicht die letzte des BFH zu Gutscheinen gewesen sein.
Ansprechpartnerin:
Steuerberaterin, Master of Science (M.Sc.)
(Rechts- und Wirtschaftswissenschaften)
Telefon: +49 89 217501296
Stand: 05.11.2025