Umsatzsteuer Newsletter 37/2024
Keine Umsatzsteuerpflicht bei Landeszuschüssen für den ÖPNV
Nicht jeder Zuschuss ist steuerpflichtig. Und nicht jeder echte Zuschuss mindert den Vorsteuerabzug. Das BFH-Urteil vom 17.04.2024 (XI R 13/21) markiert hierfür einen Meilenstein. Zudem sendet der BFH eine klare Botschaft: Landeszuschüsse an den kommunalen ÖPNV unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine erfreuliche Nachricht für den gesamten ÖPNV in Deutschland.
1 Hintergrund
Bei Zuschüssen stellen sich umsatzsteuerrechtlich vier Überlegungen: Handelt es sich beim Zuschuss um ein verkapptes Entgelt (1) oder gar um ein Entgelt von dritter Seite (2), oder ist der Zuschuss als sog. echter (nichtsteuerbarer) Zuschuss (3) einzustufen. Selbst wenn man die Hürde der Nichtsteuerbarkeit genommen hat, darf man sich als Zuschussempfänger noch nicht in Sicherheit wiegen. Denn dann wird die Finanzverwaltung noch versuchen, den Vorsteuerabzug (4) wegen der Nichtsteuerbarkeit des Zuschusses zu versagen. So weit muss es aber in der Praxis nicht kommen. Der BFH (XI R 13/21) hat in einem Fall, in dem es um ÖPNV-Zuschüsse geht, nun festgestellt, dass der Zuschuss nicht steuerpflichtig ist und zudem der Vorsteuerabzug in vollem Umfang gewährt werden muss. Ein schöner Geldregen für die klagende Kommune. 
 
2 Sachverhalt
Streitig war die Behandlung einer Landeszuweisung an eine Gemeinde für den Bau einer Anlegerbrücke. Im Anschluss an die Errichtung vermietete die Gemeinde die Anlegerbrücke dann (dauerdefizitär) an eine X-GmbH, welche die Brücke im Rahmen ihres ÖPNV für den öffentlichen Fährverkehr nutzte. Zur Finanzierung der Anlegerbrücke erhielt die Gemeinde Zuschüsse vom Landkreis (Kreiszuweisung) und auch vom Land (Landeszuweisung). Das FG Schleswig-Holstein kam zu dem Ergebnis, dass der Kreiszuschuss als Entgelt von dritter Seite umsatzsteuerpflichtig sei. Die Landeszuweisung qualifizierte das FG hingegen als einen echten, nichtsteuerbaren Zuschuss. Im Übrigen kam das FG zu dem Schluss, dass die Gemeinde in vollem Umfang als unternehmerisch einzuordnen sei und ihr somit der volle Vorsteuerabzug zustehe. Das Finanzamt wollte das Ergebnis des FG jedoch nicht gelten lassen und trug beim BFH vor, dass auch die Landeszuweisung als Entgelt von dritter Seite der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist. Denn der Landkreis hätte ohne die Landeszuweisung wesentlich mehr für die Errichtung der Brücke an die Gemeinde zahlen müssen. Der Zuschuss des Landes hätte daher preisauffüllenden Charakter.
 
3 Entscheidung des BFH
Der BFH bestätigt im Ergebnis das Urteil des FG. Die Landeszuweisung unterliegt nicht der Umsatzsteuer, da diese aus strukturpolitischen Gründen zur Förderung der Verkehrsinfrastruktur gezahlt wurde. In der Landeszuweisung ist kein Entgelt für eine Leistung der Gemeinde an das Land als Zuschussgeber zu sehen, da der ÖPNV nicht zum Aufgabenbereich des Landes gehört. Schon daher könnte das Land der Gemeinde keine „eigenen“ Aufgaben gegen Entgelt übertragen haben. Auch liegt nach dem BFH kein Entgelt von dritter Seite (für die Vermietung der Anlegerbrücke durch die Gemeinde an die X-GmbH) vor. Das Finanzgericht habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Landeszuweisung vorrangig zur allgemeinen Förderung aus strukturpolitischen Gründen erfolgt sei. Die Zahlung diene der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur allgemein. Eine bloß technische Anknüpfung an ein bestimmtes Förderprojekt (hier: Bau der Brücke) ist bekanntlich nicht entscheidend. Auch sei der Einwand des Finanzamts unerheblich, dass die Kreiszuweisung ohne Landeszuweisung höher ausgefallen wäre. Denn dies entspreche nicht den Vereinbarungen der Parteien und sei daher schon in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. 
 
Erfreulich ist, dass der BFH auch den vollen Vorsteuerabzug aus den Baukosten der Brücke bestätigt. Auch wenn der Betrieb der Brücke dauerdefizitär bleibt (vierstellige Einnahmen bei siebenstelligen Baukosten), ist die Gemeinde als Unternehmer tätig geworden. Damit steht fest, dass die ertragsteuerrechtliche Liebhaberei in der Umsatzsteuer nichts verloren hat (vgl. dazu auch KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 18│2023). Unschädlich für den Vorsteuerabzug sei zudem, dass Bürger die Anlegerbrücke kostenlos betreten können. Ein solcher möglicher Vorteil für die Allgemeinheit sei allenfalls nebensächlich und daher zutreffend ohne Belang für den Vorsteuerabzug. Besonders begrüßenswert ist am Ende die klare und eindeutige Feststellung des BFH, dass nicht steuerbare Zuschüsse die Vorsteuerabzugsquote nicht beeinflussen – eine ganz wichtige Botschaft, die der BFH an dieser Stelle aussendet. Denn bei Eingangsleistungen, die ausschließlich in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen stehen, hat die Art der Finanzierung (durch Einnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit oder durch Zuschüsse) für das Recht auf Vorsteuerabzug keine Bedeutung.
 
4 Auswirkungen auf die Praxis
Das Urteil ist ein Meilenstein. Die dunklen Gewitterwolken rund um öffentliche Zuschüsse lichten sich langsam. Während in der Vergangenheit Zuschüsse oft als umsatzsteuerpflichtig oder zumindest als vorsteuermindernd eingestuft wurden, zeigt das aktuelle Urteil ganz deutlich: Zuschüsse können sehr wohl als sog. echte Zuschüsse nicht steuerbar sein. Und es ist gerade nicht so, dass Zuschüsse zwingend die Vorsteuerquote negativ beeinflussen (vgl. auch KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 12│2022). Auch der deutsche ÖPNV wird etwas aufatmen: Wir wissen nun, dass Landeszuschüsse an den kommunalen ÖPNV nicht umsatzsteuerpflichtig sind. 
 
Und für die Gemeinde: Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Schlussendlich hatte die Revision des Finanzamts dennoch Erfolg. Grund hierfür war die gleiche Nachlässigkeit des Finanzamts, die den BFH bereits in dem Kurgemeinde-Urteil (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 11│2024) beschäftigt hat. Der Bescheid des Finanzamts war an den BgA der Gemeinde, nicht an die Gemeinde selbst gerichtet. Der BFH wird an dieser Stelle nicht müde zu betonen, dass eine solche Adressierung falsch ist. Denn die Gemeinde unterhält umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen. 
 
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Stand: 18.09.2024