Umsatzsteuer Newsletter 36/2021
Tankkartenumsätze – Entwurf eines neuen BMF-Schreibens
Branchenverbände haben kürzlich vom BMF den Entwurf eines BMF-Schreibens über die „Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von Umsätzen im Tankkartengeschäft“ zur Stellungnahme bis 04.11.2021 erhalten. Das BMF-Schreiben soll bereits ab 01.01.2022 greifen. Sofern es in der aktuell vorgesehenen Fassung kommt, kippt das BMF die branchenübliche Ausgestaltung von Tankkartenumsätzen und folgt dem EuGH in der Rs. Vega International: Tankkartengeschäfte sollen im Regelfall Kreditgewährungsleistungen sein. Für alle Beteiligten resultiert daraus dringender Handlungsbedarf.
1 Hintergrund
Tankkartenumsätze werden bislang in der Regel als umsatzsteuerliches Reihengeschäft abgewickelt. Mineralölgesellschaften („MÖG“) rechnen Warenbezüge an den Kartenemittenten („KE“) ab. Der KE rechnet dann eigene Lieferungen an seine Kartenkunden („KK“) ab:
 
 
Mit Eintritt des KE in die Lieferkette werden alle Tankvorgänge und fahrzeugbezogenen Waren- und Dienstleistungsbezüge je Karte gebündelt. Unternehmen, die als KK Tankkarten nutzen, brauchen ihren Vorsteueranspruch nicht mehr aus mühsam eingesammelten Einzelbelegen über Kleinbeträge zu verbuchen, sondern können die Vorsteuer wesentlich effizienter aus monatlichen Sammelrechnungen geltend machen. 
 
Bereits mit Urteil vom 06.02.2003 hatte der EuGH in der Rs. Auto Lease Holland (C-185/01) entschieden, dass die Tankstellen bei der Abgabe von Kraftstoff gegen Verwendung einer Tankkarte die Verfügungsmacht am Treibstoff direkt an den KK bzw. Leasingnehmer übertragen und nicht erst an den KE bzw. Leasinggeber verkaufen. Der EuGH sah die Leistung des Leasinggebers an den Leasingnehmer als steuerfreie Finanzierungsdienstleistung, siehe folgende Grafik. 
 
 
Das BMF hatte daraufhin mit Schreiben vom 15.06.2004 reagiert und die Anwendbarkeit der Grundsätze aus dem Urteil des EuGH stark eingeschränkt. Ein Katalog an Voraussetzungen gab klar vor, wann Kraftstofflieferungen unter Verwendung von Tankkarten Reihengeschäfte darstellten. Die Branche hat ihre Verträge sorgfältig daran ausgerichtet. 
 
Neue Rechtsunsicherheit brachte dann das EuGH-Urteil vom 15.05.2019 (C-235/18) in der Rs. Vega International (siehe KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 25 | 2019), in dem der EuGH eine Direktlieferung der MÖG an den KK und eine Kreditgewährung des KE an den KK unter Verweis auf Auto Lease Holland bestätigte. Hierauf war vom BMF zunächst kein Handlungsbedarf zu vernehmen. Allgemein wurde auch Vega als Einzelfallurteil betrachtet. Das obenstehende BMF-Schreiben aus 2004 mit seinem Katalog galt weiter.
 
Auch in anderen EU-Mitgliedstaaten, wie Österreich oder Lettland, gab es Ansätze, das EuGH-Urteil Vega umfassend umzusetzen. Dort konnte jedoch durch intensive Gespräche mit den Branchenbeteiligten erreicht werden, dass die Besonderheiten des Tankkartengeschäfts berücksichtigt wurden. 
 
2 Inhalte des Entwurfs mit weitreichender Wirkung 
Das frühere BMF-Schreiben vom 15.06.2004 soll nun durch das neue Schreiben ersetzt werden. Darin ändert das BMF seine bisherige Auffassung grundlegend. Der Entwurf stellt bereits im Einleitungssatz die Tankkartenumsätze auf eine Ebene mit Kreditkartenumsätzen, indem er sie, ungeachtet der vertraglichen Ausgestaltung, pauschal als Zahlungsmittel qualifiziert. In Textziffer 1. definiert das BMF dann für „Tankkartengeschäfte“ die Erbringung steuerfreier Kreditgewährungsleistungen als umsatzsteuerlichen Regelfall. Lediglich als Ausnahme sollen Kraftstofflieferungen als Reihenlieferung möglich sein – und zwar nur, wenn die Voraussetzungen des neuen Katalogs kumulativ erfüllt sind. Diese aber wurden, im Vergleich zu den bisherigen Voraussetzungen, in Anlehnung an das EuGH-Urteil Vega verschärft: 
„Der „KE“ erwirbt den Gegenstand der Lieferung in der Absicht, diesen an den „KK“ weiterzuliefern. Der „KE“ kann dabei über Qualität, Menge und den Ort und Zeitpunkt der Lieferung frei entscheiden. Nicht ausreichend ist, wenn eine […] Autorisierung durch den „KE“ automatisiert nur auf die Einhaltung bestehender […] Bedingungen / Restriktionen beschränkt ist (z. B. Prüfung des Verfügungslimits der jeweiligen Karte).“ Die rechtssichere Umsetzung dieser Vorgaben in der Praxis dürfte schwierig werden.
 
3 Fazit
Sämtliche an Tankkartenumsätzen beteiligten Unternehmen müssen schnellstens handeln: Sie müssen prüfen, ob und wie die neuen Voraussetzungen für die Beibehaltung der Reihengeschäfte umgesetzt werden können, falls das Schreiben ohne Änderung zum 01.01.2022 kommt. Ansonsten muss vertraglich, abrechnungstechnisch und umsatzsteuerlich komplett umstrukturiert und umgerüstet werden. Darüber hinaus könnten sich die betroffenen Unternehmen über die Verbände in den Stellungnahmen evtl. nochmals um Entschärfung des Voraussetzungskatalogs bemühen.
 
Ansprechpartner:
 

Fresa Amthor
Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Tel.: +49 (0) 89 217 50 1245
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Stand: 01.11.2021