1 Hintergrund
Die Neuregelung zur Besteuerung der öffentlichen Hand in § 2b UStG mutiert immer mehr zur „never ending story“. Erst kürzlich haben wir berichtet, dass der Gesetzgeber mit dem JStG 2024 zum wiederholten Mal die Anwendung des § 2b UStG hinausschieben möchte (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 13 | 2024). Hintergrund ist, dass viele juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) mit der Neuregelung schlichtweg überfordert sind. Meist geht es dabei nicht um Rechtsfragen, sondern vielmehr um organisatorische Schwierigkeiten, die vor allem der dezentralen Organisationsstruktur der öffentlichen Hand geschuldet sind. Deshalb ist es auch so wichtig, dass im Zuge der Umstellung Tax-Compliance-Strukturen geschaffen werden, um Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten klar festzulegen. Der Gesetzgeber räumt diese Probleme auch ein. In der Gesetzesbegründung gibt er zu, dass jPöR immer noch vor „administrativen Herausforderungen“ stehen. Gleichzeitig räumt er ein, dass daneben auch noch „weitere, grundlegende Rechtsanwendungsfragen bestehen“. Die Finanzverwaltung hat nun mit dem neuen BMF-Schreiben v. 12.06.2024 versucht, eine dieser grundlegenden Fragen zu lösen, nämlich die, ob und welche Vereinfachungen beim Vorsteuerabzug möglich sind.
2 Herausforderungen beim Vorsteuerabzug
Anders als bei „normalen“ Unternehmern muss beim Vorsteuerabzug nicht nur danach unterschieden werden, ob die Eingangsleistung einem steuerpflichtigen oder einem steuerfreien (nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden) Ausgangsumsatz zuzurechnen ist. Bei jPöR kommt die vorgelagerte Frage hinzu, ob die Eingangsleistung dem hoheitlichen (nichtunternehmerischen) Bereich oder dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen ist. Wir haben deshalb von Anbeginn der Neuregelung des § 2b UStG vor bereits 10 Jahren darauf hingewiesen, dass die o.g. Zuordnung die eigentliche Herausforderung in der Praxis sein wird. Man könnte nun einwenden, dass die Frage des Vorsteuerabzugs von untergeordneter Bedeutung ist, da niemand den Vorsteuerabzug geltend machen muss. Dies ist aber zu kurz gedacht: Denn der Rechtsanwender ist stets zu einer sparsamen Haushaltsführung verpflichtet. Er muss den Vorsteuerabzug geltend machen. Anderenfalls muss er die Rechnungsprüfung oder gar den Rechnungshof fürchten. Hinzu kommt, dass er bei Zuschussanträgen häufig Farbe bekennen und sich festlegen muss, ob die jPdöR zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und damit eine Netto- oder eine Bruttoförderung im Raum steht.
3 Inhalt des BMF-Schreibens v. 12.06.2024
Die Finanzverwaltung hat mit ihrem Schreiben das Maximale versucht – zum Vorteil der vielen und sehr unterschiedlich ausgeprägten jPdöR. Mancher hat sich noch mehr erhofft und wird jetzt nicht glücklich sein. Die Finanzverwaltung kann sich aber auch nur innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen. Was ist also alles gut an dem Schreiben?
- Keiner muss, jeder darf! Das BMF bietet Vereinfachungen beim Vorsteuerabzug an. Größere jPdöR dürfen in Bezug auf teilunternehmerisch verwendete Leistungen einen sog. „Einnahmeschlüssel“ bilden, kleinere jPdöR mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen von < 45 TEUR werden in aller Regel den sog. „pauschalen Vorsteuersatz“ anwenden. Besonderheiten gelten bei gemischt genutzten Grundstücken. Hier ist zunächst zu prüfen, ob ein sachgerechter Schlüssel nach den üblichen Voraussetzungen möglich ist.
- Das BMF als „Experte“ erkennt an, dass die Aufteilung der Vorsteuern nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand möglich ist. Dies bedeutet für uns: Es ist legitim, die neuen Vereinfachungen des BMF heranzuziehen – auch wenn möglicherweise der Vorsteuerabzug bei einer sehr aufwändigen exakten Ermittlung höher ausfallen könnte. Die Rechnungsprüfung wird diese pauschalen Vorsteuerschlüssel akzeptieren müssen. Denn bei einer wirtschaftlichen Haushaltsführung ist neben den finanziellen Auswirkungen auch der organisatorische Aufwand bei der Berechnung und dem Nachhalten (§ 15a UStG !!!) zu berücksichtigen.
- Das BMF zeigt in vielen Beispielen auf, wie der Einnahmeschlüssel in % zu bilden ist. Ausgangspunkt ist die Quote:
Einnahmen aus dem unternehmerischen Bereich x 100 / Einnahmen aus dem unternehmerischen und dem nichtunternehmerischen Bereich (Gesamteinnahmen)
Bei einer Quote von < 10 % gelten die gemischt genutzten Gegenstände zwar nicht als dem Unternehmen zugeordnet, mit der Folge, dass der Vorsteuerabzug insoweit ausgeschlossen ist. Diese Grenze ist aber für die Beschaffung von Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Verbrauchsmaterialien (z.B. Büromaterial) und bei sonstigen Leistungen unbeachtlich. Ist die Quote > 10 %, so muss grundsätzlich der Vorsteuerabzug nach § 15a UStG (inkl. der Bagatellgrenzen des § 44 UStDV) berichtigt werden. Hat die jPdöR auch steuerfreie Umsätze, so ist die Vorsteuerquote auf einer zweiten Stufe weiter zu verfeinern. Dies alles ist aber nicht tragisch und einfach zu händeln, da Maßstab für die Anwendung des § 15a UStG der jährliche Einnahmeschlüssel ist. Bei einer späteren Veräußerung des Gegenstandes unterliegt dann nur der unternehmerisch genutzte Teil des Gegenstandes der Umsatzsteuer. Dies wird zu komischen Rechnungen führen, da nur ein Teilbetrag umsatzsteuerpflichtig ist. Werden teilunternehmerisch verwendete Leistungsbezüge ausschließlich von einem abgrenzbaren Teilbereich der jPöR (z.B. BgA, Eigenbetrieb) verwendet, kann der Vorsteueraufteilung ein einrichtungsbezogener Einnahmeschlüssel zugrunde gelegt werden. Ein Zuckerl hält das BMF noch in Bezug auf § 15a UStG bereit: Eine Überwachung und Korrektur kann unterbleiben, wenn am Ende der Nutzung bei Veräußerung oder Entnahme der volle Veräußerungspreis bzw. Wiederbeschaffungspreis der Umsatzsteuer unterworfen wird.
Dem Rechtsanwender bleibt es selbstverständlich freigestellt, eine genaue Aufteilung der Vorsteuern nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung vorzunehmen. Das könnte sich jedoch schwierig gestalten, weil neben kompliziertesten Fragen rund um § 15a UStG häufig schlichtweg die personellen Kapazitäten für diese Mammutaufgabe fehlen werden.
Ansprechpartner:

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
Stand: 19.06.2024