Umsatzsteuer Newsletter 23/2021
BMF zur Steuerbefreiung der Besorgungsleistung von Kommissionären
Bereits in 2018 entschied der BFH, dass sich die personenbezogene Steuerbefreiung im Rahmen von Dienstleistungskommissionen (kulturelle Leistungen nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG) auch auf die Besorgungsleistungen des Kommissionärs erstreckt. Diese Rechtsprechung wird das BMF gemäß Schreiben vom 09.06.2021 künftig anwenden. Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass wird entsprechend angepasst. Leider verwehrt das BMF jedoch eine Übertragung der Urteilsgrundsätze auf weitere personenbezogene Steuerbefreiungsmerkmale. Alle Kommissionäre sollten prüfen, ob für die Zukunft ohne Umsatzsteuer abgerechnet werden kann und ob für die Vergangenheit Steuererstattungen beantragt werden können.
1 Hintergrund
Kommissionsgeschäfte sind ein Paradebeispiel dafür, dass Zivilrecht und Umsatzsteuer nicht immer gleichzusetzen sind. Kommissionäre handeln in Abgrenzung zu Eigenhändlern und Vermittlern im eigenen Namen und für fremde Rechnung. Zivilrechtlich liegt eine Geschäftsbesorgung (§ 384 Abs. 2 HGB; § 675 BGB) vor. Doch Vorsicht: Die Geschäfts-besorgungsleistung des Kommissionärs an den Kommittenten existiert umsatzsteuerlich nicht! Über sie darf daher nicht abgerechnet werden. § 3 Abs. 11 UStG fingiert für Dienstleistungskommissionen vielmehr eine Leistungskette, der zufolge Kommissionäre so behandelt werden, als hätten sie die besorgte Leistung selbst erhalten und zugleich erbracht.
 
2 BFH-Rechtsprechung zu personenbezogenen Steuerbefreiungen
Ist die besorgte Leistung, die als an den Kommissionär ausgeführt gilt, steuerfrei, stellt sich die Frage nach der Steuerpflicht der Besorgungsleistung des Kommissionärs an den Kunden. Die Finanzverwaltung vertritt in Abschnitt 3.15 Abs. 3 Satz 1 UStAE die Auffassung, dass die personenbezogenen Merkmale / Qualifikationen der an der Leistungskette Beteiligten für jede Leistung gesondert zu würdigen sind. In seiner Entscheidung XI R 16/16 vom 25.04.2018 (KMLZ USt-Newsletter 35 | 2018) übertrug der BFH auch die für die Anwendung einer Steuerbefreiung maßgeblichen personenbezogenen Merkmale auf die Besorgungsleistung.
 
 
Im Urteilsfall besorgte ein Hotelservice für Gäste Opernkarten. Die personenbezogene Steuerbefreiung des Kommittenten nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG strahle auch auf die Besorgungsleistung des Kommissionärs ab. Der Kommissionär verlangt für seine Tätigkeit im Regelfall einen Aufschlag. Die Entscheidung stellt klar, dass sich die Fiktion und damit die Steuerbefreiung auch auf diesen Aufschlag erstreckt. Die Allgemeinheit der Aussagen des BFH legt nahe, dass die Grundsätze auf alle unternehmerbezogenen und damit persönlichen Besteuerungsmerkmale abgeleitet werden können.
 
3 Das BMF-Schreiben vom 09.06.2021
Das BFH-Urteil ist zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen. Die Finanzverwaltung muss das Urteil folglich verpflichtend anwenden. In diesem Zuge wird in Abschnitt 3.15 Abs. 3 UStAE ein neuer Satz 3 eingefügt. Dieser gibt den Urteilstenor sinngemäß wieder und beschränkt sich auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG.
 
4 Auswirkungen auf die Praxis
Zwar ist die Anpassung des UStAE an die BFH-Rechtsprechung grundsätzlich zu begrüßen, doch bleibt die Änderung hinter den an sie gestellten Erwartungen deutlich zurück. Da die unionsrechtliche Grundlage der Dienstleistungskommission in Art. 28 MwStSystRL allgemein gehalten ist, hatte der BFH festgestellt, dass sich die Fiktion des § 3 Abs. 11 UStG auf die Leistung selbst und deren Inhalt bezieht, nicht aber auf die leistende Person. Die besorgte Leistung und die Besorgungsleistung teilen deshalb umsatzsteuerrechtlich das gleiche Schicksal. Beide sind stets entweder steuerpflichtig oder steuerfrei. Eine Beschränkung dieser Grundsätze auf die unternehmerbezogenen Merkmale des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG ist nicht geboten. So fügt sich der neue Satz 3 eher unglücklich in den Kontext der umliegenden Sätze in Abschnitt 3.15 Abs. 3 UStAE ein. Denn während Abschnitt 3.15 Abs. 3 Sätze 1, 2 und 5 UStAE unverändert eine gesonderte umsatzsteuerliche Betrachtung der personenbezogenen Merkmale im Rahmen des § 3 Abs. 11 UStG fordern, erscheint die auf § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG limitierte Anpassung als Ausnahmefall und somit widersprüchlich.
 
Wenngleich bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt, könnten die Aussagen des BFH zur Steuerbefreiung der Besorgungsleistung auf alle Kommissionäre übertragen werden. Dies betrifft z. B. die unternehmerbezogenen Merkmale / Qualifikationen der nachfolgenden Steuerbefreiungen:
  • Ärzteeigenschaft i.S.d. § 4 Nr. 14 UStG (anhängig: BFH XI R 18/20)
  • Kleinunternehmer i.S.d. § 19 UStG
  • Pauschalierende Land- und Forstwirte i.S.d. § 24 UStG
  • Blinde i.S.d. § 4 Nr. 19 UStG
  • Allgemeinbildende und berufsbildende Einrichtungen i.S.d. § 4 Nr. 21 UStG
  • Juristische Personen des öffentlichen Rechts, Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, Volkshochschulen und Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen (§ 4 Nr. 22 UStG)
Das BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Haben Kommissionäre in der Vergangenheit nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG von der Umsatzsteuer befreite Leistungen besorgt, sollten sie prüfen, ob eine Steuererstattung in Betracht kommt. Diese Kommissionäre dürfen künftig nicht mehr mit Umsatzsteuer über ihre Leistung abrechnen. Dennoch ausgewiesene Umsatzsteuer wird nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet.
Kommissionäre, die nach einer anderen Norm steuerbefreite Leistungen besorgen, müssen sich die Steuerbefreiung ihrer Besorgungsleistung noch vor den Finanzgerichten erstreiten. Aufgrund der allgemein gefassten unionsrechtlichen Grundlage in Art. 28 MwStSystRL stehen die Chancen für eine Steuerbefreiung nicht schlecht. 
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Markus Müller, LL.M.
Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 387
E-Mail: markus.mueller@kmlz.de
 

Stand: 21.06.2021