Umsatzsteuer Newsletter 11/2021
Nicht steuerbare Zuschüsse an gemeinnützige Einrichtungen
Der BFH hat mit Urteil vom 23.09.2020 (XI R 35/18) festgestellt, dass Finanzzuweisungen von Gesellschaftern an die gemeinsame Tochtergesellschaft auch echte (nicht steuerbare) Zuschüsse sein können. Denn die bloße Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Gesellschafter genüge nicht für die Annahme eines Leistungsaustausches. Der BFH hat seine frühere restriktive Rechtsprechung aufgrund neuerer EuGH-Entscheidungen präzisiert. Begrüßenswert ist zudem, dass der BFH den Wettbewerbsbegriff in Art. 132 Buchst. f) und l) MwStSystRL einschränkend ausgelegt wissen will.
1 Hintergrund
Bei Zuschüssen an gemeinnützige Einrichtungen stellt sich immer die Frage, wie der Zuschuss einzuordnen ist. Es kann sich um einen echten (nicht steuerbaren) oder um einen unechten (steuerbaren) Zuschuss handeln (vgl. Abschn. 10.2 UStAE). Denkbar ist immer auch, dass ein Entgelt von dritter Seite vorliegt. Gelangt man zu dem Ergebnis, dass der Zuschuss nicht steuerpflichtig ist, schließt sich stets die Frage des Vorsteuerabzugs an. Steuerpflichtige haben in der Regel bei Diskussionen mit den Finanzbehörden einen schweren Stand, da der BFH in regelmäßiger Rechtsprechung Zuschüsse als steuerpflichtig qualifiziert. So verhielt es sich auch im Jahr 2008, als der BFH den Zuschuss an einen kirchlichen Verein für die Erbringung journalistischer Medienarbeit als steuerbar eingestuft hatte (Urt. vom 27.11.2008, V R 8/07). War nunmehr die Zeit reif für eine Rechtsprechungsänderung?
 
2 Sachverhalt
Der Sachverhalt, der dem neuen Urteil vom 23.09.2020 (XI R 35/18) zugrunde lag, war dem alten aus dem Jahr 2008 durchaus ähnlich. Wieder ging es um eine kirchliche Einrichtung in Form einer gGmbH, die Nachrichten beschaffte und verbreitete. Sie erhielt von ihren beiden Gesellschaftern, den Kirchen A und B, Zuschüsse in Form von Finanzzuweisungen. Die gGmbH meldete ihren Finanzbedarf einmal jährlich einheitlich bei beiden Kirchen an, wobei die Zuwendungen anhand der Mitgliederzahl bzw. nach Kassenlage zwischen den beiden Kirchen aufgeteilt wurden. Das FG Baden-Württemberg entschied, dass die gGmbH für die beiden Gesellschafter die Medienarbeit übernommen und dadurch beiden einen verbrauchsfähigen Vorteil zugewendet habe. Das FG verwies auf die Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2008, wonach für die Steuerbarkeit einer Leistung nicht entscheidend sei, ob sie im öffentlichen Interesse liegt oder nicht. Denn ein Interesse der Allgemeinheit an der Leistung schließe die Identifizierbarkeit des Leistungsempfängers nicht aus. 
 
Als Revisionsführer sahen wir von KMLZ dies vollkommen anders. Wir wiesen auf die Unterschiede im Sachverhalt zum Urteil aus dem Jahr 2008 hin und machten deutlich, dass die Tätigkeit der gGmbH nicht den beiden Gesellschaftern, sondern in erster Linie der Allgemeinheit zugute kam. Schließlich wäre zur Not auch eine Berufung auf die unionsrechtliche Steuerbefreiungsnorm des Art. 132 Buchst. f MwStSystRL möglich gewesen. 
 
 
 
3 Entscheidungsgründe des BFH
Der Steuerstreit hat sich gelohnt. Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechungslinie angepasst, die Revision als begründet angesehen und die Sache an das FG zurückverwiesen. Ein voller Erfolg. Das für einen Leistungsaustausch erforderliche Rechtsverhältnis kann grundsätzlich zwar auch in einem Gesellschaftsvertrag bestehen, jedoch müsse der verbrauchsfähige Vorteil im Lichte der neueren Rechtsprechung des EuGH und des BFH beurteilt werden. Die bloße Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Gesellschafter genügt jedenfalls nicht mehr für die Annahme eines Leistungsaustausches. Denn ein verbrauchsfähiger Vorteil könne nur angenommen werden, wenn ein individueller Leistungsempfänger aus der Leistung einen konkreten Vorteil zieht. Mittelbare Vorteile reichen dafür aber nicht aus. 
 
Äußerst interessant ist, dass der BFH nicht nur den Anwendungsbereich des Art. 132 Buchst. f) MwStSystRL für eröffnet hält, sondern auch die Steuerbefreiungsnorm des Art. 132 Buchst. l) MwStSystRL als relevant erachtet. Während die sog. Kostengemeinschaft zwischenzeitlich in § 4 Nr. 29 UStG umgesetzt wurde, hält der BFH fest, dass Art. 132 Buchst. l) MwStSystRL (Dienstleistungen von religiösen Einrichtungen an ihre Mitglieder) noch nicht vollständig in nationales Recht umgesetzt ist. Beiden unionsrechtlichen Steuerbefreiungsnormen ist gemein, dass es nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommen darf. Für Wettbewerb sieht der BFH jedoch wenig Raum. Zum einen dürfe dieses Merkmal nicht zu weit ausgelegt werden. Zum anderen stelle sich bei der Erledigung des Verkündigungsauftrags bereits in einem ersten Schritt die Frage, ob die Kirchen nicht ein Recht auf Auswahl der Personen hätten, die an ihrem Verkündigungsauftrag mitwirken. Wettbewerb könne daher u. U. von vornherein ausgeschlossen sein. 
 
4 Auswirkungen auf die Praxis
Das Urteil ist ein Paukenschlag für die Praxis. Fest steht, dass ein Leistungsaustausch einen identifizierbaren Leistungsempfänger voraussetzt. Mittelbare Vorteile für den Zuwendungsgeber, die aus der Wahrnehmung der allgemeinen Interessen folgen, reichen jedenfalls nicht für die Steuerpflicht aus. Wie so häufig kommt es deshalb auf die Ermittlung des Sachverhalts an. Sehr erfreulich ist auch, dass der BFH Ansätze aufzeigt, wie der Wettbewerbsbegriff in § 4 Nr. 29 UStG einschränkend ausgelegt werden kann. Die Finanzverwaltung hat es seit über einem Jahr nicht geschafft, das bereits im Entwurf vorliegende BMF-Schreiben auf den Weg zu bringen. Zu diffus waren die Ausführungen zum Wettbewerb. Wie der BFH nunmehr klargestellt hat, darf der Wettbewerbsbegriff nicht zu streng ausgelegt werden. 
 
Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 30.03.2021