1 Hintergründe
Verträge können (ggf. zusammen mit einem Überweisungsbeleg) als Rechnung angesehen werden, wenn sie die nach § 14 Abs. 4 UStG erforderlichen Rechnungsangaben enthalten. Das bedeutet eine erhebliche Vereinfachung für die Praxis. Bei Dauerschuldverhältnissen, wie der langfristigen Vermietung, wird von dieser Möglichkeit oftmals Gebrauch gemacht. Sind die Voraussetzungen für eine Rechnung erfüllt, kommt es bei Ausweis eines zu hohen Steuerbetrages im Vertrag zu einem sog. unberechtigten Steuerausweis. Nach § 14c Abs. 1 UStG schuldet der Rechnungsaussteller auch den Mehrbetrag. Was passiert aber, wenn der Erwerber eines vermieteten Gebäudes in einen solchen „Mietvertrag als Rechnung“ samt unberechtigtem Steuerausweis eintritt? Ist er dann Steuerschuldner nach § 14c UStG? Mit diesen Fragen hat sich der BFH in der Entscheidung vom 05.12.2024 – V R 16/22 auseinandergesetzt.
2 Sachverhalt
Die Klägerin erwarb im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens ein Grundstück samt mehrstöckigem, vermietetem Bürogebäude. Zu den Mietern zählten unter anderem auch sog. Umsatzsteuerschädlinge (Fachklinik, Physiotherapiepraxis, Wohnungsbaugesellschaft). Bei diesen Mietern war eine Option zur steuerpflichtigen Vermietung nach § 9 Abs. 2 UStG ausgeschlossen. Gleichwohl hatte der Voreigentümer in den Mietverträgen jeweils die monatliche Nettokaltmiete, die sonstigen Kostenvorschüsse und die auf diese Beträge entfallende Umsatzsteuer mit dem Zusatz „+ 19 % Mehrwertsteuer“ benannt. Die Klägerin trat in diese Mietverträge nach § 57 ZVG i. V. m. § 566 Abs. 1 BGB ein. In der Umsatzsteuererklärung behandelte die Klägerin diese Mietumsätze umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Klägerin die in den Mietverträgen offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG schulde, und setzte diese entsprechend fest.
3 Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass aus den übernommenen Mietverträgen keine Haftung des Grundstückserwerbers für die unrichtigen Steuerausweise des Voreigentümers resultiert. Die Inanspruchnahme der in einer Rechnung als Aussteller bezeichneten Person nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG setzt voraus, dass diese an der Erstellung der Rechnung mitgewirkt hat oder dass ihr die Rechnungsausstellung anderweitig zuzurechnen ist. Zwar lag ein unrichtiger Steuerausweis vor. Die Ausstellung der Rechnung (Abschluss der Mietverträge) erfolgte jedoch nicht durch die Erwerberin selbst – im eigenen Namen – oder unter deren Mitwirkung.
Es kommt daher nur eine Zurechnung der durch den Voreigentümer bereits ausgestellten Rechnungsdokumente in Form der Mietverträge – und somit der dem unrichtigen Steuerausweis innewohnenden abstrakten Gefährdungshaftung – in Betracht. Die Zurechnung des unrichtigen Steuerausweises scheidet aber aus. Eine solche Zurechnung resultiert nicht aus § 566 Abs. 1 BGB. Der dort geregelte Eintritt des Erwerbers in ein bestehendes Mietverhältnis dient dem Schutz des Mieters, indem der Erwerber die Rechte und Pflichten des Voreigentümers übernimmt. Als Ausnahmevorschrift ist § 566 Abs. 1 BGB eng auszulegen und nur anzuwenden, soweit der mit ihr bezweckte Mieterschutz dies erfordert. Weder dient eine Steuerschuldentstehung nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG dem Mieterschutz, noch gehört ein unrichtiger Steuerausweis zu den Vermieterrechten und -pflichten, auf deren Übergang diese Vorschrift gerichtet ist. Im Übrigen besteht – ungeachtet des Übergangs der Rechnungsausstellungspflicht auf den Erwerber – jedenfalls keine Verpflichtung, eine gesetzlich nicht geschuldete Umsatzsteuer in einer Rechnung auszuweisen. Eine Zurechnung folgt auch nicht aus einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) nach § 1 Abs. 1a UStG. Aus der Annahme einer GiG ergibt sich zwar, dass der Erwerber i. S. e. umsatzsteuerlichen Einzelrechtsnachfolge an die Stelle des Veräußerers tritt. Diese Konsequenz bezieht sich aber nur auf die übertragenen Wirtschaftsgüter, wozu der unrichtige Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 S. 1 UStG nicht zählt. Schließlich erfolgt keine Zurechnung über die Annahme eines Überwachungsverschuldens (vgl. EuGH, Urt. v. 30.01.2024 – C442/22). Denn eine Verletzung der Überwachungsverpflichtung führt nur zu einer Zurechnung, sofern die Klägerin als Rechnungsausstellerin benannt war.
4 Auswirkungen auf die Praxis
Aus umsatzsteuerrechtlicher Perspektive sind Grundstückstransaktionen sowohl auf Seiten des Veräußerers als auch des Erwerbers risikobehaftet. Die Entscheidung des BFH ist zumindest aus Sicht der Grundstückserwerber zu begrüßen, weil kein weiteres Risiko für diese in Form einer Haftung für unrichtige Umsatzsteuerausweise in übernommenen Mietverträgen begründet wird. Vor dem Hintergrund der perspektivischen E-Rechnungspflicht wird die Bedeutung dieser Entscheidung allerdings abnehmen. Die Vorgaben des BMF-Schreibens vom 15.10.2024 zur E-Rechnungspflicht im B2B-Bereich – insbesondere zu Verträgen als Rechnung (Tz. 44 - 46) – sind zu beachten.
Die Entscheidung wirft aber auch Folgefragen auf. So bleibt offen, ob der Voreigentümer die von ihm ausgewiesene Steuer im Mietvertrag nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet, weil er zwar nicht mehr der Leistende ist, der offene Umsatzsteuerausweis aber ggf. ihm (und nicht dem Neueigentümer) zuzurechnen ist. Um diesem Risiko zu begegnen, sollte der Voreigentümer noch vor dem Vertragsübergang Maßnahmen zur Vermeidung dieses Risikos (z. B. Erklärung der Stornierung des Steuerausweises) ergreifen. Aus Sicht des Mieters ist wiederum fraglich, ob dieser im Falle der steuerpflichtigen Vermietung den Vorsteuerabzug aus dem Mietvertrag als Rechnung nur geltend machen kann, wenn der Grundstückserwerber eine ordnungsgemäße Rechnung in Form eines ihm zurechenbaren Vertrages (Rechnung) nach den Grundsätzen der Entscheidung gestellt hat. Hierfür spricht zumindest ab Geltung der E-Rechnungspflicht, dass es durch den Vertragsübergang zu einem Wechsel kommt, der die Pflicht zur Ausstellung einer E-Rechnung nach sich ziehen könnte.
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Stand: 06.03.2025