Umsatzsteuer Newsletter 04/2021
BMF: Sonderregelungen für Reiseleistungen nach § 25 UStG gelten nicht mehr für Unternehmen aus Drittländern
Nicht in der EU ansässige Unternehmer sollen nach Auffassung des BMF die Sonderregelungen des § 25 UStG für Reiseleistungen ab 2021 nicht mehr anwenden können. Wenn Drittlandsunternehmen Reisen nach Deutschland veranstalten, kann sich damit nun hier eine Umsatzsteuerpflicht ergeben. Andererseits kann ab jetzt die Vorsteuer aus damit verbundenen Eingangsleistungen geltend gemacht werden. Betroffene Unternehmen müssen nun prüfen, inwiefern sie von der Änderung betroffen sind und ob sie ihre Geschäftsprozesse ggf. anders strukturieren sollten, um mit der Änderung verbundene Nachteile zu vermeiden oder Vorteile zu nutzen.
1 Hintergrund
Für Reiseleistungen gibt es in der EU umsatzsteuerliche Sonderregelungen. Diese finden sich in Deutschland in § 25 UStG. Danach gelten die Reiseleistungen als dort erbracht, wo der Leistende ansässig ist. Die Differenzbesteuerung ist anzuwenden und der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen ausgeschlossen. In den letzten Jahren gab es einigen Wirbel um diese Regelung, weil einzelne Mitgliedstaaten die Reiseleistungen an andere Unternehmer (B2B) von der Sonderregelung ausgeschlossen hatten. Deshalb waren vom EuGH Deutschland (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 05 | 2018) und kürzlich auch Österreich (Urt. v. 27.01.2021, C-787/19) in Vertragsverletzungsverfahren verurteilt worden. 
 
2 BMF-Schreiben
Nun kommt mit einem BMF-Schreiben vom 29.01.2021 erneut Bewegung in das Thema. Folgender Satz 12 wird in Abschnitt 25.1. Abs. 1 UStAE ergänzt: „§ 25 UStG ist bei Reiseleistungen von Unternehmern mit Sitz im Drittland und ohne feste Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet nicht anwendbar.“ Es soll laut BMF nicht beanstandet werden, wenn Drittlandsunternehmen auf bis zum 31.12.2020 ausgeführte Reiseleistungen noch § 25 UStG anwenden. Eine Rückwirkung auf Anfang 2021 gibt es allerdings doch. 
 
3 Betroffene Unternehmen
Diese Änderung der Verwaltungsauffassung ist relevant für Unternehmen, die Reiseleistungen in Deutschland erbringen, allerdings außerhalb der EU ansässig sind und auch keine feste Niederlassung in einem EU-Mitgliedstaat haben. Hierzu gehören nicht nur Unternehmen aus dem außereuropäischen Drittland, sondern auch Unternehmen aus europäischen Drittländern wie der Schweiz oder Norwegen und seit 01.01.2021 nun auch Großbritannien.
 
4 Europarechtliche Aspekte / Wahlrecht 
Die Differenzbesteuerung von Reiseleistungen ist in Art. 306 – 310 MwStSystRL geregelt. In Art. 307 heißt es konkret: „Die einheitliche Dienstleistung wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat.“. Hieraus leitet das BMF vermutlich ab, dass die Sonderregelungen für Reiseleistungen nur für Unternehmen mit Sitz oder Niederlassung in der EU anwendbar sind. Es wird interessant zu beobachten sein, wie andere EU-Mitgliedstaaten hierzu Position beziehen. 
 
Aus dem Wortlaut des § 25 UStG erschließt sich die vom BMF vertretene Auffassung jedenfalls nicht. Anders als in Art. 307 MwStSystRL wird in § 25 Abs. 1 Satz 4 UStG nur darauf verwiesen, dass sich der Ort der Leistung aus § 3a Abs. 1 UStG ergibt. Und dort ist ebenfalls keine Einschränkung auf in der EU ansässige Unternehmen zu finden. Insofern stellt sich die Frage, ob betroffene Unternehmer § 25 UStG mit Verweis auf den Gesetzeswortlaut entgegen der Auffassung des BMF (bis zu einer möglichen Gesetzesänderung) anwenden können, wenn dies günstiger für sie ist.
 
5 Konsequenzen / Fragen
Wenn § 25 UStG nicht mehr greift, sind u.a. folgende materiell-rechtliche Fragen zu klären:
  • Sind die Reiseleistungen noch als einheitliche Leistung zu behandeln? Wenn ja, würde das Leistungsbündel dann in B2C-Fällen nach § 3a Abs. 1 UStG als dort erbracht gelten, wo der Leistende ansässig ist? Und in B2B-Fällen nach § 3a Abs. 2 UStG dort, wo der Leistungsempfänger ansässig ist? 
  • Oder liegen Einzelleistungen vor, die einzeln beurteilt werden müssen? Dann könnten sich unterschiedliche Besteuerungsorte ergeben, z. B.
    • für Beherbergungen dort, wo die Unterkunft liegt (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Buchstabe a UStG)
    • für  Verpflegungsleistungen dort, wo die Verpflegung erfolgt (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe b UStG)
    • für  Personenbeförderungen dort, wo die Beförderung erfolgt (§ 3b Abs. 1 UStG)
    • für Reiseführung nach § 3a Abs. 1 UStG oder § 3a Abs. 2 UStG
  • Welcher Steuersatz ist anzuwenden? Gilt der ermäßigte Steuersatz, z. B. temporär für Verpflegungsleistungen?
  • Geht in B2B-Fällen die Steuerschuld im Reiseland (Deutschland) auf die Kunden über?
  • Für welche Eingangsleistungen kann sich ein Steuerschuldübergang nach § 13b UStG von nicht in Deutschland ansässigen Subunternehmern ergeben? Hierzu gäbe es einen korrespondierenden Vorsteuerabzug, also keinen Liquiditätsabfluss, aber eine Registrierungspflicht in Deutschland.
 
Daneben ist abzuwägen, welche Anpassungen in der Geschäftsabwicklung möglich sind, um mit der Änderung verbundene Nachteile zu vermeiden oder Vorteile zu nutzen. Folgende Überlegungen sind dabei u.a. zu berücksichtigen:
  • Kann eine Doppelbesteuerung der Ausgangsleistungen eintreten, weil sowohl im Ansässigkeitsland als auch im Reiseland (Deutschland) eine Besteuerung erfolgt? 
  • Könnte sich ein Vorteil ergeben, weil die Ausgangsleistungen nach § 3a Abs. 1 UStG als im Ansässigkeitsland erbracht gelten, dort aber keine Besteuerung erfolgt (Doppel-Nichtbesteuerung der Ausgangsleistungen), während aus Eingangsleistungen in Deutschland (z. B. Hotels) eine Vorsteuererstattung möglich ist?
  • Kann das One-Stop-Shop-Verfahren für die Deklaration genutzt werden? Dann müssten Vorsteuern im Vergütungsverfahren zur Erstattung beantragt werden, wobei die Bearbeitungszeiten in der Regel über ein Jahr betragen. Wäre deshalb eine reguläre Abgabe von Voranmeldungen und Jahreserklärungen vorteilhafter?
  • Oder werden Eingangsleistungen mit Steuerschuldübergang bezogen, womit das One-Stop-Shop-Verfahren nicht anwendbar wäre? Vorsteuern müssen dann zwingend im Veranlagungsverfahren geltend gemacht werden.
 
Ansprechpartner:
 
 
Ronny Langer
Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501250
 
Stand: 04.02.2021