Umsatzsteuer Newsletter 02/2021
Steuerbefreiung in § 4 Nr. 13 UStG europarechtswidrig – eine Klatsche für Wohnungseigentümer
Bisher waren nach § 4 Nr. 13 UStG bestimmte Leistungen von Wohnungseigentümergemeinschaften an ihre Mitglieder steuerbefreit. Diese Steuerbefreiung erklärt der EuGH mit seinem Urteil vom 17.12.2020 in der Rs. WEG Tevesstraße (C-449/19) für unionsrechtswidrig. Die Umsatzsteuerbelastung wird in Zukunft zu einer Schlechterstellung von Wohnungseigentümern im Vergleich zu Mietern und Gebäudeeigentümern führen.
1 Hintergrund
Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) hat das WEG-Recht jüngst auf den Kopf gestellt. Dank § 9a WEG n. F. erstarken Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) zum vollrechtsfähigen Verband. Mit dieser Neuausrichtung des WEMoG vollzieht der Gesetzgeber eine Annäherung an das allgemeine Verbandsrecht – in Abkehr vom Recht der Bruchteilsgemeinschaft. Die jüngste Diskussion zur Unternehmereigenschaft von Bruchteilsgemeinschaften (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 09 | 2019) ist damit für WEGs zwar passé. Nun öffnet der EuGH aber ein neues Fass. Nach derzeitiger Rechtslage erbringen WEGs im Rahmen ihrer Verwaltungsaufgaben nicht steuerbare Gemeinschaftsleistungen, die den Gesamtbelangen aller Mitglieder dienen, und steuerbare Sonderleistungen an einzelne Mitglieder (Abschn. 4.13.1. Abs. 2 S. 1 UStAE). Wohnungseigentümer sehen sich daher (anders als Mieter oder Hauseigentümer) einer Umsatzsteuerbelastung ausgesetzt. Eine solche Benachteiligung von Wohnungseigentümern galt es nach Auffassung des nationalen Gesetzgebers zu verhindern (BT-Drucks. IV/1590, S. 37 f.). Nach § 4 Nr. 13 UStG befreit sind deshalb nicht nur Leistungen der WEG, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen, sondern auch die Lieferung von Wärme und ähnlichen Gegenständen für das Sondereigentum der Gemeinschafter.
 
2 Neue Rechtsprechung des EuGH
Dieses Entgegenkommen geht dem EuGH nun doch zu weit. Mit seinem Urteil vom 17.12.2020 (Az. C-449/19) hat er die nationale Steuerbefreiung mit dem berühmten Federstreich über den Haufen geworfen: § 4 Nr. 13 UStG ist nach Auffassung des EuGH unionsrechtswidrig. Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde: Die Klägerin, eine WEG, errichtete 2012 auf dem Anwesen der Gemeinschafter ein Blockheizkraftwerk (BHKW). Den mit diesem BHKW produzierten Strom lieferte die WEG an ein Energieversorgungsunternehmen, die daneben erzeugte Wärme an die Gemeinschafter. Nun begehrte die WEG den Vorsteuerabzug aus der Anschaffung und dem Betrieb des BHKW. Diesen erkannte das Finanzamt nur anteilig an, soweit die vorsteuerbelasteten Kosten auf die Stromerzeugung entfielen. Für den auf die Wärmegewinnung entfallenden Anteil versagte das Finanzamt den Vorsteuerabzug. Es handle sich insofern um Ausschlussumsätze (§ 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG i. V. m. § 4 Nr. 13 UStG, § 15 Abs. 4 S. 1 UStG). Das FG Baden-Württemberg legte dem EuGH in diesem Zusammenhang folgende Frage vor: Ist die Steuerbefreiung für die Lieferung von Wärme durch Wohnungseigentümergemeinschaften an die Wohnungseigentümer mit der MwStSystRL vereinbar?
 
 
Der EuGH erteilte dem eine klare Absage. Die MwStSystRL sieht nach Auffassung des EuGH eine Befreiung von Wärmelieferungen der WEGs an deren Gemeinschafter nicht vor. In der Wärmelieferung an die Gemeinschafter für deren Sondereigentum sieht der EuGH schlichtweg den Verkauf eines körperlichen Gegenstandes. Dieser kann der eng auszulegenden Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL („Vermietung und Verpachtung von Grundstücken“) nicht unterfallen.
 
3 Auswirkungen auf die Praxis
Die Entscheidung besiegelt nun die umsatzsteuerliche Schlechterstellung von Wohnungseigentümern, wie sie der nationale Gesetzgeber mit § 4 Nr. 13 UStG zu verhindern suchte. Will Deutschland einem Vertragsverletzungsverfahren entgehen, ist der Gesetzgeber zum Tätigwerden aufgerufen. Bis dahin genießen WEGs (noch) Vertrauensschutz durch das nationale Recht. Eine richtlinienkonforme Auslegung contra legem wäre unzulässig.
 
Im Übrigen eröffnet die Entscheidung neue Handlungsspielräume: WEGs können sich in Zukunft auf die Nichtanwendbarkeit von § 4 Nr. 13 UStG berufen und die Leistungen an ihre Gemeinschafter als steuerpflichtig behandeln. Dies ermöglicht den Vorsteuerabzug – innerhalb des Berichtigungszeitraums nach § 15a UStG auch nachträglich. Für betroffene WEGs empfiehlt es sich daher zu prüfen, ob sich der Vorsteuerabzug im Einzelfall „auszahlt“.
Überdies scheint der EuGH die Tür zur Steuerbefreiung nicht komplett zugemacht zu haben. Entscheidend war für den EuGH wohl, dass bei einer „Lieferung“ von Wärme kein Raum mehr blieb für die Annahme einer Vermietungsleistung. Anders gewendet bedeutet das: Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich andere sonstige Leistungen der WEGs im Dunstkreis der steuerbefreiten Vermietungsleistungen (Art. 135 MwStSystRL) bewegen. Zu denken wäre hier an Umlagen für die Überlassung und Instandhaltung gemeinschaftlichen Eigentums, die Waschküchen- und Waschmaschinenbenutzung, die Müllabfuhr oder Schornsteinreinigung …
 
Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 14.01.2021