Umsatzsteuer Newsletter 52/2018
EuGH zu Ratenzahlungsgeschäften: Keine Vorfinanzierung der Umsatzsteuer durch den Leistenden
Die aktuelle Entscheidung des EuGH in der Rechtssache baumgarten sports & more GmbH bedeutet für Unternehmer eine erfreuliche Entlastung bei Ratenzahlungsgeschäften (EuGH, Urt. v. 29.11.2018 – C 548/17). Auch wenn Unternehmer der sog. Soll-Besteuerung unterliegen, können sie es zukünftig vermeiden, im Zeitpunkt der (ersten) Leistungserbringung die Umsatzsteuer en bloc an das Finanzamt zahlen zu müssen. Sofern bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, muss der leistende Unternehmer die Umsatzsteuer bei Ratenzahlungsgeschäften daher nicht mehr vorfinanzieren.

Suche

1 Hintergrund
Mit Spannung wurde in der Fachwelt die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache baumgarten sports & more GmbH erwartet. Der BFH hatte dem EuGH grundlegende Fragen im Zusammenhang mit der sog. Soll-Besteuerung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 16 Abs. 1 S. 1 UStG)vorgelegt (BFH, Beschl. v. 21.06.2017, V R 51/16). Dabei ging es im Kern darum, ob der leistende Unternehmer bei der Soll-Besteuerung über mehrere Jahre zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer verpflichtet werden darf. Im Vergleich mit einem Unternehmer, welcher der Ist-Besteuerung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 20 UStG) unterliegt, konnte man hierin eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung sehen. Mit seiner nun veröffent­lichten Entscheidung beantwortet der EuGH diese Frage knapp, aber eindeutig (EuGH, Urt. v. 29.11.2018 – C‑548/17 – baumgarten sports & more GmbH).

2 Sachverhalt
Die Klägerin war Spielervermittlerin im Bereich des Profifußballs. Sie versteuerte ihren Umsatz nach der sog. Soll-Besteuerung. Bei erfolgreicher Vermittlung eines Spielers an einen Verein erhielt die Klägerin von dem Verein eine Provision. Voraussetzung für die Gewährung der Provision war, dass der Spieler einen Arbeitsvertrag bei dem Verein unterschrieb und Inhaber einer von der Deutschen Fußball Liga GmbH (DFL) erteilten Spielerlaubnis war. Die Provisionszahlungen hatten die Vereine in Raten zu leisten, verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages. Die Provisionszahlungen standen unter der Bedingung, dass der Arbeitsvertrag des Spielers mit dem Verein und die von der DFL erteilte Lizenz des Spielers fortbestanden. Das Finanzamt nahm an, dass die Klägerin ihre im Jahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen vollständig in 2012 der Umsatzsteuer zu unterwerfen habe. Die Klägerin machte hiergegen geltend, dass die Provisionen für das Jahr 2015 nicht sicher gewesen seien und dass die Umsatzsteuer hierfür erst zu dem Zeitpunkt fällig sein dürfe, zu dem diese Provisionen tatsächlich vereinnahmt wurden.
 
3 Entscheidung
Der EuGH urteilte im Sinne der Klägerin. Bei einer Leistung der vorliegenden Art, die durch bedingte Ratenzahlungen über mehrere Jahre nach der eigentlichen Vermittlung vergütet wurde, entstehe der Steuertatbestand erst mit Ablauf des Zeitraums, auf den sich die geleisteten Zahlungen beziehen. Der EuGH beruft sich hierbei auf Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL. Danach gelten Leistungen, die „zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass [geben],  […] jeweils als mit Ablauf des Zeitraums bewirkt, auf den sich diese Abrechnungen oder Zahlungen beziehen“. Der EuGH überlässt es dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob eine Leistung i.S.d. Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL im vorliegenden Fall tatsächlich gegeben ist. Er selber geht aber davon aus, dass es sich hier um eine solche Leistung handelt.

4 Praxisfolgen
Der EuGH hat mit dem Weg über Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL eine einfache, aber überzeugende Lösung gefunden. Der BFH war in seinem Vorlagebeschluss auf diese Norm gar nicht eingegangen. Er wollte vom EuGH wissen, ob Art. 63 MwStSystRL einschränkend dahin ausgelegt werden könne, dass der für die Leistung vereinnahmte Betrag fällig sein muss oder zumindest unbedingt geschuldet wird, damit die Vermittlungsleistung als erbracht angesehen werden kann. Indes stellte sich auch nach deutschem Recht die Frage, ob die Leistungen der Klägerin nicht als Teilleistungen einzuordnen waren (§ 13 Abs. 1 Buchst. a S. 2 UStG).

Für die Praxis ist das Urteil weit über den Bereich von Spielervermittlern hinaus von Bedeutung. In praktisch allen Fällen von Ratenzahlungs­geschäften sollte die Entscheidung beachtet werden. Zu denken ist dabei insbesondere an bestimmte Fälle des Leasings oder auch an Konstellationen des Mietkaufs. Mit Hilfe des Urteils (und entsprechender vertraglicher Gestaltung) wird sich in Zukunft eine vollständige Belastung mit Umsatzsteuer zum Zeitpunkt der Erbringung der Leistung vermeiden lassen. Die jeweiligen Leistungen müssen dabei allerdings „zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass [geben]“. Denn nur in diesen Fällen greift Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL seinem Wortlaut nach ein. Aus diesem Grund ist es u. E. auch verfrüht, schon jetzt von einem „Ende der Soll-Besteuerung“ zu sprechen.

Ansprechpartner:

Dr. Sandro Nücken, LL.B.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501243
sandro.nuecken@kmlz.de

Stand: 06.12.2018