Umsatzsteuer Newsletter 46/2018
Geschäftsveräußerung im Ganzen auch bei Anmietung des Geschäftslokals von Dritten
Der BFH hat mit einem weiteren Urteil seine Rechtsprechung zur Geschäftsveräußerung im Ganzen präzisiert. Im Streitfall wurde nur das Inventar veräußert. Die Räume in Form des Ladenlokals gingen jedoch nicht mit über. Der BFH musste sich mit der Frage auseinander setzen, ob der isolierte Verkauf des Inventars bereits eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt.

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1   Hintergrund
 
Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen (Kurz: GiG) ist eine gefährliche Vorschrift im Umsatzsteuerrecht. Der Umsatz ist nicht steuerbar. Wer die GiG falsch beurteilt, hat rasch mit Umsatzsteuerproblemen zu kämpfen. Denn nimmt der Veräußerer fälschlicherweise eine GiG an, muss er Umsatzsteuer mit Zinsen nachentrichten. Wird hingegen irrtüm­licherweise eine GiG nicht erkannt und Umsatzsteuer ausgewiesen, so darf der Erwerber keinen Vorsteuerabzug vornehmen. Bei der Rückzahlung entstehen unliebsame Zinsen. Doch damit nicht genug: Bei der GiG greift zusätzlich die sog. Fuß­stapfentheorie, wonach der Erwerber in das Risiko von Berichtigungen nach § 15a UStG eintritt. In der Praxis geht es bei Geschäftsveräußerungen deshalb immer um die Verteilung von Umsatzsteuerrisiken, denen man häufig mit Steuer­klauseln zu begegnen versucht.
 
2 Urteil des BFH vom 29.08.2018, XI R 37/17
 
In dem Streitfall wurde die GiG von den Beteiligten leider nicht erkannt. Der Veräußerer hatte beim Verkauf seines Gastronomiebetriebes Umsatzsteuer ausgewiesen. Das Finanzamt versagte später den Vorsteuerabzug beim Erwerber. Zu Recht, wie der BFH nun entschied. Das Besondere an dem Fall war, dass lediglich das Inventar des Betriebs verkauft wurde. Die Räume in Form des Ladenlokals gingen nicht mit über. Vielmehr musste der Erwerber das Ladenlokal separat von einem Dritten anmieten.
 
 

Die Frage war also, ob es schädlich ist, wenn die Geschäftsräume nicht mit übergehen, sondern der Erwerber einen eigenen Mietvertrag mit dem (dritten) Vermieter abschließen muss. Mit anderen Worten ging es um die Frage: Stellt das übertragene Inventar ein Teilvermögen dar?

Nach Auffassung des BFH war dies der Fall. Die nationale Regelung des § 1 Abs. 1a UStG ist entsprechend Art. 19 MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen. Entscheidend ist dabei, ob der Erwerber mit dem übertragenen Vermögen die selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführen kann. Unschädlich ist, dass der Erwerber den Mietvertrag mit dem Vermieter gesondert geschlossen hat. Der BFH verweist auf die wichtige Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Schriever. Danach ist die Frage, ob die übertragene Gesamtheit (Teilvermögen) sowohl bewegliche als auch unbe­wegliche Sachen umfassen muss, im Hinblick auf die jeweilige Art der wirtschaftlichen Tätigkeit zu beurteilen. Zwar war im Streitfall das Ladenlokal untrennbar mit dem Inventar verbunden. Eigentlich hätte daher das unbewegliche Vermögen auch mit übertragen werden müssen. Der BFH macht davon aber eine Ausnahme: Es reiche aus, wenn das Geschäftslokal dem Erwerber entweder mittels eines Mietvertrages zur Verfügung gestellt wird oder wenn der Erwerber selbst über eine „eigene“ geeignete Immobilie verfügt. Letzteres – und das ist neu – könne auch dann bejaht werden, wenn der Erwerber die Immobilie nur aufgrund eines eigenen Mietvertrages innehat. 

 
3 Auswirkungen auf die Praxis
 
Auch die (isolierte) Übertragung eines Inventars kann ein Teilvermögen im Sinne einer GiG darstellen. Der Umsatz ist dann nicht steuerbar. Etwaige ausgewiesene Umsatzsteuer darf nicht zum Vorsteuerabzug gebracht werden. Es handelt sich in diesem Fall um eine nicht gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer im Sinne von § 14c UStG.
 

Der Annahme einer Fortführung des Unternehmens im Sinne einer GiG steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber einzelne Gegenstände von Dritten hinzuerwirbt. Wichtig ist nur, dass die übertragenen Gegenstände aus Sicht des Erwerbers ein hinreichendes Ganzes bilden. Für die Praxis ergibt sich damit folgendes Prüfungsschema:

 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 07.11.2018