1 Hintergrund
Am 04.12.2018 ist die EU-Richtlinie 2018/1713 in Kraft getreten. Seitdem dürfen die Mitgliedstaaten elektronische Veröffentlichungen von Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften, so genannte E-Books und E-Paper, ermäßigt besteuern. Bisher war zwingend der Regelsteuersatz anzuwenden. Das BMF hat eine rasche Umsetzung in Aussicht gestellt.
Bis 2014 galt bei E-Books für private Endverbraucher innerhalb der EU noch das Ursprungslandprinzip. Die Einräumung einer Leselizenz unterlag der Umsatzbesteuerung des Landes, in dem der leistende Unternehmer seinen Sitz hatte. Wäre schon damals der ermäßigte Steuersatz möglich gewesen, hätte dies zu Wettbewerbsverzerrungen geführt. Für Anbieter von E-Books wäre es vorteilhaft gewesen, sich in dem Mitgliedstaat mit dem niedrigsten ermäßigten Steuersatz anzusiedeln. Diese Marktteilnehmer hätten dann einen erheblichen Vorteil gegenüber kleinen, lokalen Anbietern von E-Books, aber auch gegenüber Anbietern von im Bestimmungsmitgliedstaat höher besteuerten Büchern aus Papier gehabt. Der Sitz-Mitgliedstaat hätte sich an dem Steueraufkommen erfreut. Wie so oft halten sich nicht alle an die Regeln. Frankreich etwa probierte es mit 5,5 Prozent, Luxemburg zog mit nur 3 Prozent nach. Wenig überraschend hatten die größten Anbieter ihren Sitz in Luxemburg.
Zum 01.01.2015 änderten sich die Regeln. Seitdem gilt bei E-Books für private Endverbraucher das Bestimmungslandprinzip. Entscheidend ist der Sitz des Leistungsempfängers. Für B2B-Umsätze gilt dies bereits seit 01.01.2010. Deutsche Kunden zahlen seitdem 19 Prozent Umsatzsteuer – 12 Prozentpunkte mehr als für die Variante aus Papier.
Ob dieser Standpunkt überzeugt, darf jeder für sich entscheiden. Mit der geänderten Rechtslage entfällt dieser Rechtfertigungsgrund jedoch. Da nun ein ermäßigter Steuersatz für E-Books möglich ist, können elektronisch erbrachte Leistungen unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen. Der Richtliniengeber sieht Unternehmer und Finanzverwaltungen nunmehr offenbar in der Lage, elektronisch erbrachte Leistungen trotz unterschiedlicher Steuersätze zutreffend zu besteuern. Damit fehlt der Ungleichbehandlung von Büchern und E-Books seit dem 04.12.2018 der hinreichende Rechtfertigungsgrund. Unseres Erachtens ist kein anderer Grund gegeben, der die weitere unterschiedliche Besteuerung rechtfertigen würde.
Der deutsche Gesetzgeber ist daher umgehend (vielleicht sogar rückwirkend zum 04.12.2018?) zur Anpassung berufen. Das gebietet der Gleichheitssatz. Dieser ist sowohl in Art. 20 der Charta der Grundrechte der EU als auch in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verankert.
Die Änderung ist aber auch für Universitäten, Forschungseinrichtungen, Bibliotheken, Behörden und Kommunen bedeutsam. Beziehen diese Institutionen elektronische Publikationen aus dem Ausland, müssen sie bisher 19 Prozent Umsatzsteueran das Finanzamt abführen (Reverse-Charge-Verfahren). Die Vorsteuer dürfen sie in der Regel nicht oder nur anteilig abziehen. Hier könnte die neue Rechtslage somit zu einer echten finanziellen Entlastung führen.
Unternehmen und öffentliche Einrichtungen sollten prüfen, ob und wie sie von der neuen Rechtslage profitieren können. Eines muss klar sein: Setzt der deutsche Gesetzgeber die Neuregelung nicht oder nur verzögert um, wird der Steuerpflichtige sein Recht gerichtlich durchsetzen müssen. Die Finanzverwaltungen werden den ermäßigten Steuersatz ohne gesetzliche Grundlage nicht gewähren. Anbieter von E-Books müssten zudem ihre Rechnungstellung prüfen. Weisen sie weiterhin den Regelsteuersatz aus, könnte eine gerichtliche Durchsetzung schwieriger werden.
Ansprechpartner:
Dr. Anja-Maria Schreiber
Steuerberaterin, Dipl.-Kauffrau
Tel.: +49 89 217501237
anja-maria.schreiber@kmlz.de
Stand: 18.01.2019