Umsatzsteuer Newsletter 30/2015
Konsignationslager – Innergemeinschaftliche Lieferung bei verbindlicher Bestellung
Das Hessische FG hat am 25.08.2015 (Az. 1 K 2519/10) erneut der Auffassung der Finanzverwaltung hinsichtlich Lieferungen über ein deutsches Call-off Stock widersprochen. Das FG hat entschieden, dass von einer innergemeinschaftlichen Lieferung auszugehen sei, wenn vor Beginn der Beförderung in das Lager eine verbindliche Bestellung des Abnehmers vorlag. Dass die Verfügungsmacht erst in Deutschland verschafft wird, ist laut FG dann unerheblich. Das Finanzamt hat Revision gegen das Urteil eingelegt (Az. V R 31/15). Es ist also in absehbarer Zeit endlich mit einer höchstrichterlichen Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Lieferungen aus der EU über ein deutsches Konsignationslager zu rechnen.

1. Sachverhalt
Eine spanische Produktions- und Handelsgesellschaft verkaufte Waren an eine deutsche Firma. Die Lieferung der in Spanien produzierten Waren wurde über ein in Deutschland belegenes Call-off Stock abgewickelt. Hierzu hatte der deutsche Abnehmer einen Dienstleistungsvertrag mit dem Lagerbetreiber abgeschlossen. Die Beauftragung des Lagerbetreibers erfolgte im Namen und für Rechnung der Klägerin. Dies hatte der deutsche Abnehmer der Klägerin zu festgelegten Rahmenbedingungen vorgeschrieben. Der Lagerhalter sollte verschiedene Dienstleistungen in Bezug auf die eingelagerten Waren erbringen (z. B. Ausladen, Einlagern, Entnahme von Stichproben). Der deutsche Abnehmer hatte jederzeit Zugang zu den gelagerten Waren. Zwischen den Parteien gab es umfangreiche Vereinbarungen. In zentralen Lieferverträgen wurden die zu liefernden Produkte, die Zahlungsmodalitäten, die Lieferbedingungen und die Preise geregelt. Die konkreten Liefermengen und Lieferdaten hingegen wurden bestimmt durch die Lieferabrufpläne, die der deutsche Abnehmer täglich oder in Abständen von wenigen Tagen an die Klägerin übersandte. Nur diese hatten juristisch bindende Wirkung. Die Lieferabrufe enthielten stets Freigaben für die nächsten 12 Wochen im Voraus und bestimmten für diesen Zeitraum die Liefertermine. Die in das Lager versandten Waren waren Mengen, die zur Deckung des Bedarfs des Kunden  in den nächsten Wochen und Monaten benötigt werden.

2. Rechtslage
Die deutsche Finanzverwaltung sieht in der Abwicklung von Warenlieferungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten über ein in Deutschland belegenes Auslieferungs- und Konsignationslager ein innergemeinschaftliches Verbringen mit anschließender lokaler Lieferung des Lieferanten (vgl. Ab-schn. 3.12 Abs. 3 Satz 7 und Abschn. 1a.2 Abs. 6 UStAE, Verfügung der OFD Frankfurt am Main vom 17.10.2010). Mehrere Finanzgerichte und auch der BFH haben an dieser Auffassung Zweifel geäußert und sind von einer innergemeinschaftlichen Lieferung des jeweiligen Lieferanten aus dem EU-Ausland ausgegangen.

3. Entscheidung des Finanzgerichts
Das FG führt aus, dass zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung bereits ein Umsatzgeschäft bestand. Das FG sieht ein Umsatzgeschäft als gegeben an, wenn – wie hier – bereits bei Beginn der Beförderung eine verbindliche Bestellung des Abnehmers vorlag. In diesem Fall erfolgt die Beförderung laut dem FG nicht mehr zur Verfügung des Lieferanten im Inland, sondern damit der Lieferant seiner schuldrechtlich eingegangenen Lieferverpflichtung nachkommen kann. Daher müsse trotz einer tatsächlich erst später in Deutschland erfolgten Verschaffung der Verfügungsmacht der Ort der Lieferung – wie in jedem anderen Beförderungs-fall auch – nach dem Beginn der Beförderung bestimmt werden. Aus diesem Grund lässt das FG auch ausdrücklich offen, wann im zu entscheidenden Fall die Verfügungsmacht tatsächlich verschafft worden ist. Weil von Anfang an verbindliche Bestellungen vorlagen, ist dies hier irrelevant.

Der Umstand, dass die für den von vornherein feststehenden Abnehmer bestimmten Waren noch für einen kurzen Zeitraum in einem Lager, das auf Initiative des Abnehmers eingerichtet worden war, zwischengelagert werden, führt laut FG nicht dazu, dass von einem innergemeinschaftlichen Verbringen des Lieferanten auszugehen sei.

Da die Beteiligten sich einig waren, dass für den weit überwiegenden Teil der Lieferungen bereits vor Beginn der Beförderung verbindliche Bestellungen vorlagen, musste das FG zu den Voraussetzungen für das Vorliegen von verbindlichen Bestellungen keine Ausführungen machen. Das FG erklärt in seinem Urteil darüber hinaus die Ansicht der Finanzverwaltung aus der Verfügung der OFD Frankfurt am Main vom 17.10.2010 ausdrücklich für unzutreffend.

4. Fazit
Die Entscheidung des Hessischen FG bringt keine neuen Erkenntnisse darüber, wie Lagerverträge und hiermit zusammenhängende Lieferverträge so gestaltet werden können, dass von einer bereits vor Beginn der Beförderung vorliegenden verbindlichen Bestellung auszugehen ist. Allerdings stellt sich das FG nochmals eindeutig gegen die Auffassung der Finanzverwaltung, dass in Konsignationslagerfällen grundsätzlich von einem innergemeinschaftlichen Verbringen auszugehen sei.

Das Finanzamt hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt. Diese ist beim BFH unter dem Az. V R 31/15 anhängig. Somit ist in der näheren Zukunft das Ergehen höchstrichterlicher Rechtsprechung zu Konsignationslagern zu erwarten. Es bleibt zu hoffen, dass der BFH in seiner Entscheidung konkrete Ausführungen dazu macht, wann von einer bereits vor Beginn der Beförderung bestehenden verbindlichen Bestellung und damit einer innergemeinschaftlichen Lieferung auszugehen ist und wann demgegenüber noch keine verbindliche Bestellung und damit ein innergemeinschaftliches Verbringen anzunehmen sind. Hierauf basierend könnten sowohl die Lager- als auch damit zusammenhängende Lieferverträge in der Praxis entsprechend gestaltet werden, um Rechtssicherheit bezüglich der umsatzsteuerlichen Behandlung zu erreichen.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 30.11.2015