Umsatzsteuer Newsletter 32/2015
BMF klärt wesentliche Zweifelsfragen zur gebrochenen Beförderung (nicht)
Das BMF hat mit Schreiben vom 07.12.2015 zu sog. gebrochenen Beförderungen oder Versendungen Stellung genommen. Das Schreiben hat drei Regelungskomplexe. Zum einen die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen oder innergemeinschaftliche Lieferungen bei gebrochenem Transport. Die (unzutreffende) Klarstellung, dass bei gebrochenen Beförderungen oder Versendungen keine Reihengeschäfte vorliegen, sowie eine Kollisionsregelung „light“, die bei Ausfuhrlieferungen über deutsche Häfen Anwendung finden soll.

1. Sachverhalt
Schon das FG Sachsen hat im Urteil vom 24.05.2011 (6 K 2176/09) mit überzeugenden Argumenten dargelegt, dass auch bei gebrochenem Transport die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen zur Anwendung kommen kann. Nichts anderes kann bei Ausfuhren gelten. Weder der Wortlaut der Steuerbefreiungsvorschriften noch deren Sinn und Zweck gebieten nämlich, dass die Ware nur von einem Beteiligten ins Ausland transportiert wird. Auch die Möglichkeit, den Gegenstand vor der Ausfuhr oder innergemeinschaftlichen Lieferung noch bearbeiten zu lassen, legt die Annahme nahe, dass ein geteilter Transport unschädlich ist. Andernfalls könnten § 6a Abs. 1 S. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2 UStG nie zur Anwendung kommen. Insofern setzt das BMF nur um, was die Rechtsprechung schon lange vorgegeben hatte. Das BMF stellt für die Anwendung aber zusätzliche Voraussetzungen auf:

• Der Abnehmer muss feststehen.
• Es muss ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lieferung des Gegenstands und seiner Beförderung gegeben sein.
• Außerdem muss ein kontinuierlicher Vorgang der Warenbewegung vorliegen.

Dies alles ist zudem nachzuweisen. Während die erste Voraussetzung klar erscheint, handelt es sich bei den beiden weiteren Voraussetzungen um unbestimmte Rechtsbegriffe. Unklar ist, wann ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang gegeben sein soll. Ebenso ist unklar, worin sich dieses Kriterium von einem „kontinuierlichen Vorgang der Warenbewegung“ unterscheiden soll. Das BMF nennt ein Beispiel, in dem die Ware eine Woche im Hafen liegt. Das BMF löst dieses Beispiel aber leider nicht. Man darf nun also rätseln, ob hier ein gebrochener Transport gegeben ist, bei dem die Steuerbefreiungsvorschriften noch greifen. Aus dem Zusammenhang heraus ist dies wohl zu bejahen. Es wäre wünschenswert gewesen, dass sich das BMF nicht auf Leerformeln zurückzieht, sondern konkrete Anwendungsbeispiele formuliert und diese auch löst. Vollkommen offen ist, inwiefern dieser Teil des BMF-Schreibens Auswirkungen auf Konsignationslager hat.

2. Reihengeschäfte bei gebrochenem Transport
Das BMF hält an der bisherigen Regelung des Abschn. 3.14 Abs. 4 UStAE fest. Danach scheidet ein Reihengeschäft aus, wenn am Transport mehrere Unternehmer beteiligt sind. Dies ist bedauerlich. Auch im EuGH-Verfahren VSTR (C-587/10) war die Ware im Hafen eingelagert und wurde von mehreren Beteiligten transportiert. Gleichwohl kamen sowohl EuGH als auch BFH zur Anwendung der Grundsätze des Reihengeschäfts. Man darf davon ausgehen, dass beide Spruchkörper die Transportteilung erkannt hatten. Insofern bleibt das BMF hinter den Möglichkeiten, die die Rechtsprechung vorgegeben hat, deutlich zurück. Festzuhalten ist, dass auch nach dem BMF-Schreiben bei gebrochenem Transport noch vor oder nach der Transportunterbrechung Reihengeschäfte vorliegen können. Dies muss jeweils separat geprüft werden. Die Klarstellung des BMF, dass bei einheitlichen Transporten die dem Transportvorgang geschuldeten Unterbrechungen (z. B. Wechsel des Beförderungsmittels) keine Bedeutung haben, dürfte rein deklaratorischer Natur sein. Die Belanglosigkeit solcher Unterbrechungen hat auch zuvor kaum jemand in Zweifel gezogen.

3. Kollisionsregelung „light“
Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass enthält seit jeher eine sehr begrüßenswerte Kollisionsregelung. Nach Abschn. 3.14 Abs. 11 UStAE (a.F.) wird dem Unternehmer, der in ein Reihengeschäft eingebunden ist, eine wichtige Handreichung gegeben. Sofern ein Mitgliedstaat die Beför-derung oder Versendung anderweitig zuordnet, als dies nach deutschem Verständnis geschehen müsste, wird es nicht beanstandet, wenn der deutsche Unternehmer (und die Finanzverwaltung) dem folgt. Diese Kollisionsregelung ist nicht nur einzigartig in der Europäischen Union; sie ist auch hoch sinnvoll. Durch das neue BMF-Schreiben bleibt sie erhalten. Sie wird nur in einen anderen Absatz verlagert (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 19 UStAE n.F.) und ergänzt. Allerdings gilt dies nur für einen engen Anwendungsbereich: gebrochene Transporte aus einem anderen EU-Mitgliedstaat über Deutschland ins Drittlandsgebiet. Die Kollisionsregelung nimmt ausdrücklich Bezug auf „Verschiffungen“ ins Drittlandsgebiet. Sie greift daher nach dem Wortlaut nur bei Ausfuhren über deutsche Seehäfen.

Beispiel:

In dem oben aufgeführten Beispielsfall hätte B ohne die Vereinfachungsregelung in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb und eine Ausfuhr zu erklären. Unter den Voraussetzungen der erweiterten Kollisionsregelung werden der Zwischenstopp im Hafen und die unterschiedliche Transportveranlassung ignoriert. Damit hat der mittlere Unternehmer keinen in Deutschland steuerbaren Vorgang zu erklären. Voraussetzungen hierfür sind allerdings:

• Eine Verschiffung ins Drittlandsgebiet und
• der Nachweis, dass im Abgangsstaat trotz der unterschiedlichen Transportveranlassung von einem Reihengeschäft ausgegangen werden würde.

Der mittlere Unternehmer erspart es sich also, einen (ggf. gem. § 4b UStG steuerfreien) innergemeinschaftlichen Erwerb sowie eine steuerfreie Ausfuhrlieferung in Deutschland zu erklären. Anstatt Ausfuhrnachweise zu erbringen, muss der mittlere Unternehmer nun belegen, dass die Ware per Schiff ins Drittlandsgebiet transportiert wurde und im Abgangsland (im Beispiel Belgien) von einem Reihengeschäft ausgegangen wird. Ob dies wirklich einfacher ist, als sich (ggf. nach erfolgter Registrierung) Ausfuhrnachweise zu besorgen, sei dahingestellt.

 

Ansprechpartner:

Dr. Stefan Maunz
Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 40
stefan.maunz@kmlz.de

Stand: 22.12.2015