Umsatzsteuer Newsletter 10/2016
BMF-Schreiben zur Reform der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand erschienen
Der Gesetzgeber hat mit § 2b UStG die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand reformiert. Flankiert hat er die Änderung durch die Übergangsregelung in § 27 Abs. 22 UStG. § 2b UStG ist auf Umsätze ab dem 01.01.2017 anwendbar. Durch eine Erklärung gegenüber dem Finanzamt kann unter Fortführung der bisherigen Rechtslage auf die Anwendung der Neuregelung bis zum 31.12.2020 verzichtet werden. Das BMF nimmt nun zu § 27 Abs. 22 UStG Stellung. JPöR müssen zeitnah prüfen, ob die Anwendungsregelung für sie von Vorteil ist.

1. Ausgangslage
Der Gesetzgeber hat die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand durch § 2b UStG vollständig neu ausgestaltet (vergleiche Newsletter 02/2016). Er hat das deutsche UStG dadurch der MwStSystRL und der Rechtsprechung des BFH stark angenähert. Juristische Personen des öffentlichen Rechts (=jPöR) sind nach § 2b UStG unternehmerisch tätig, sobald sie Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage oder im Wettbewerb mit privaten Dritten erbringen. Durch diese Regelung werden jPöR häufiger in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer geraten. Insbesondere die bisherigen Ausnahmen der Finanzverwaltung im Bereich der Vermögensverwaltung und der Beistandsleistungen wird es zukünftig so nicht mehr geben. Damit jPöR sich auf diese vollkommen veränderte Situation einstellen können, hat der Gesetzgeber mit § 27 Abs. 22 UStG eine großzügige Übergangsregelung geschaffen. § 2b UStG ist erst für Umsätze ab dem 01.01.2017 anwendbar. Durch eine Erklärung kann sie den bisher geltenden § 2 Abs. 3 UStG für sämtliche ihrer Umsätze bis zum 31.12.2020 weiter in Anspruch nehmen. Die Erklärung der jPöR muss bis zum 31.12.2016 beim zuständigen Finanzamt eingegangen sein.

2. Inhalt des BMF-Schreibens
Die Erklärung kann nach dem BMF-Schreiben lediglich die jPöR selbst durch einen gesetzlichen Vertreter oder einen Bevollmächtigten abgeben. Nicht möglich ist die Abgabe durch eine einzelne Organisationseinheit der jPöR wie z. B. eine Behörde oder einen BgA. Ein „Rosinenpicken“ ausgesuchter Tätigkeitsbereiche ist daher nicht möglich. So muss z. B. für ein Bundesland der Ministerpräsident oder eine von diesem bevollmächtigte Person die Option für alle Landesbehörden, BgA und anderen unternehmerischen Einheiten einheitlich erklären.

Die Erklärung ist gegenüber dem Finanzamt abzugeben, von dessen Bezirk aus die jPöR ihr Unternehmen ganz oder vorwiegend betreibt (§ 21 AO). Soweit eine jPöR bisher in den Bezirken verschiedener Finanzämter jeweils einen BgA  betrieb, können sich Zuständigkeitsprobleme ergeben. Die vom Finanzamt angeregte Schriftform bei der Erklärung ist nicht zwingend, aber zu Nachweiszwecken auch aus Sicht der jPöR dringend zu empfehlen. Die Erklärung muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Weitere Formvorschriften nennt das BMF-Schreiben nicht.

Schon bisher konnten jPöR sich auf die Rechtsprechung des BFH zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand berufen. Mit dieser Rechtsprechung stimmt § 2b UStG weitestgehend überein. Wenn die jPöR sich auf die BFH-Rechtsprechung  berufen hat, musste sie diese Rechtsprechung bisher für alle ihre Tätigkeiten anwenden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung konnte sie nicht mehr zu § 2 Abs. 3 UStG zurückkehren. Diese Verwaltungsauffassung wird laut dem BMF-Schreiben von der gesetzlichen Neuregelung durchbrochen. Somit kann eine jPöR, die sich auf die Rechtsprechung des BFH bereits berufen hat, durch Abgabe der Erklärung gegenüber dem Finanzamt für Umsätze ab dem 01.01.2017 jetzt wieder § 2 Abs. 3 UStG anwenden.

Wenn die jPöR erklärt, § 2 Abs. 3 UStG weiter anzuwenden, gilt dies automatisch bis 31.12.2020. Eine zeitliche Beschränkung ist weder vom Gesetz noch vom BMF-Schreiben vorgesehen. Allerdings kann die Erklärung widerrufen werden. Der Widerruf muss bis zum 31.12. eines Kalenderjahres eingehen, damit die jPöR ab Beginn des darauf folgenden Jahres § 2b UStG anwenden kann. Eine nochmalige Rückkehr zur Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG ist dann nicht möglich.

Nach dem 31.12.2016 entstehende jPöR können § 2 Abs. 3 UStG nicht anwenden. Soweit nur einzelne jPöR eines Zu-sammenschlusses optiert haben, hat die neu entstandene jPöR die Wahl, § 2b oder § 2 Abs. 3 UStG anzuwenden. Eine erklärte Option wirkt auch für den Rechtsnachfolger.

3. Handlungsempfehlungen
Alle JPöR müssen im Laufe des Jahres 2016 prüfen, ob die Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG für sie weiter sinnvoll ist. Als Faustregel gilt: Soweit kein hohes Vorsteuervolumen im Raum steht, ist § 2 Abs. 3 UStG meist die bessere Alternative. Diese Faustregel ist aber im Einzelfall jeweils zu überprüfen, um tatsächlich sparsam mit Haushaltsmitteln umzugehen. Da jPöR, die die neue Rechtsprechung des BFH bereits anwenden, zur Altregelung zurückkehren können, empfiehlt sich auch für diese eine entsprechende Prüfung.

Es ist daher ein Projektplan aufzustellen. In diesem müssen nicht nur mögliche Vorsteuer-Volumina geprüft werden, sondern auch sämtliche Einnahmetitel daraufhin untersucht werden, ob die Einnahmen zukünftig der Umsatzbesteuerung unterliegen. Neben vielen weiteren Fragen wie der Einrichtung eines Steuerreferats wird auch geklärt werden müssen, wie die vorhandene IT im Rechnungswesen die neuen Anforderungen abbilden kann.

Sollte die Prüfung ergeben, dass die Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG vorteilhaft ist, sollte die jPöR – ggf. nach Einholung der entsprechenden Gremienbeschlüsse – fristgemäß eine entsprechende schriftliche Erklärung abgeben. Einen Zugangsnachweis sollte sie aufbewahren.

Auch wenn eine jPöR § 2 Abs. 3 UStG bis zum 31.12.2020 anwendet, empfiehlt es sich bereits jetzt, alternative Gestaltungen zu prüfen. Oftmals sind hierfür Verhandlungen mit Vertragspartnern, Abstimmungen mit in- und externen Gremien oder sogar Änderungen von Satzungen, Verordnungen oder Gesetzen notwendig. Um diesen Prozess zeitlich zu ermöglichen, ist ein frühzeitiger Beginn erforderlich.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 28.04.2016