Umsatzsteuer Newsletter 11/2016
Das neue Unionszollrecht ist da – die Regelungen sind seit 01.05.2016 in Kraft
Das neue Unionszollrecht ist am 01.05.2016 in Kraft getreten und bringt grundlegende Änderungen mit sich. Das BMF und die Generalzolldirektion haben einen Einführungserlass und eine Verfügung zur Anwendung des neuen Zollrechts veröffentlicht. Die Schreiben gehen auf wesentliche Rechtsänderungen und Überleitungsmaßnahmen im Hinblick auf bestehende Bewilligungen und Verfahren ein. Bezüglich der praktischen Umsetzung sind allerdings noch viele Fragen offen.

1. Hintergrund
Seit dem 01.05.2016 gilt ein neues Zollrecht. Das neue Zollrecht besteht aus folgenden Rechtstexten: dem Unionszollkodex (Verordnung (EU) Nr. 952/2013 „UZK“), der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 („DelVO“), der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 („DVO“) und der Delegierten Verordnung (EU) 2016/341 („TDA“). Letztere wurde am 15.03.2016 im Amtsblatt der EU (L69, S. 1ff.) veröffentlicht. Sie regelt die Anwendung der Vorschriften des UZK, DA und IA, bis die erforderlichen IT Systeme bis Ende 2020 eingerichtet sind.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 11.03.2016 einen Einführungserlass zur Anwendung des neuen Unionszollrechts veröffentlicht. Der Erlass geht auf die wesentlichen Rechtsänderungen und die Überleitungsmaßnahmen im Hinblick auf bestehende Bewilligungen und Verfahren ein. Am 02.05.2016 hat die Generalzolldirektion ebenfalls eine Verfügung zu diesen Fragen erlassen.

2. Grundprinzipien des neuen Zollrechts
Eines der Hauptziele der Reform ist die Vereinfachung der Zollabwicklung. Die Wirtschaftsbeteiligten sollen eine größere Verantwortung für die Einhaltung der zollrechtlichen Verpflichtungen tragen. Der elektronische Datenaustausch und die elektronische Datenspeicherung werden zum Regelfall.

3. Wesentliche Änderungen
Die Frist für die vorübergehende Verwahrung wird auf einheitlich 90 Tage verlängert. Eine weitere Verlängerung der Frist im Einzelfall ist nicht vorgesehen. Für die vorübergehende Verwahrung ist zukünftig eine Sicherheit zu stellen. Der Ausführerbegriff wird nunmehr gesetzlich definiert. Die weiteren Änderungen betreffen insbesondere die Neustrukturierung der Zollverfahren, die Einführung eines zollrechtlichen Verwaltungsverfahrens, das Schuldrecht sowie die (angebliche) Schaffung von weiteren Vereinfachungen für Zugelassene Wirtschaftsbeteiligte (AEO). Die Regelungen zu verbindlichen Zolltarifauskünften sowie zu einzelnen Ursprungs- und Zollwertthemen ändern sich ebenfalls. Im Folgenden stellen wir die Änderungen genauer vor. Die Änderungen im Zollschuldrecht werden wir in einem separaten Newsletter erläutern.

3.1 Neustrukturierung der Zollverfahren
Ab dem 01.05.2016 existieren folgende drei Zollverfahren: Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr, besondere Verfahren und Ausfuhr. Die besonderen Verfahren umfassen: Versand (externer und interner), Lagerung (Zolllager und Freizonen), Verwendung (vorübergehende Verwendung und Endverwendung) und Veredelung (aktive und passive Veredelung, außerdem Zerstörung von Waren auf Antrag). Das bisherige Umwandlungsverfahren geht in der aktiven Veredelung auf. Die Freizonen Kontrolltyp II („ohne Zaun“) fallen weg. Sie können auf Antrag als Zolllager fortgeführt werden. Das Zollrückvergütungsverfahren im Rahmen der Veredelung und die Erhebung von Ausgleichszinsen entfallen. Die Grundprinzipien des Ausfuhrverfahrens bleiben laut BMF unverändert. Der Begriff des „Ausführers“ wird allerdings an die Regelungen im Außenwirtschaftsrecht angepasst. Ausführer ist u. a. die im Zollgebiet der Union ansässige Person, die zum Zeitpunkt der Annahme der Anmeldung Vertragspartner des Empfängers im Drittland ist und die über das Verbringen der Waren außerhalb des Zollgebiets der Union bestimmen kann. Es wird nicht mehr auf die Eigentümerstellung Bezug genommen. Weiterhin entfällt der „Zugelassene Ausführer“ im Rahmen des heutigen Anschreibeverfahrens.

3.2 Neues Verwaltungsverfahren
Der UZK führt ein neues zollrechtliches Verwaltungsverfahren ein, das nationale Vorschriften überlagert. Bei Anträgen auf zollrechtliche Entscheidungen ist spätestens innerhalb von 30 Tagen ab dem Eingang über die Annahme des Antrags zu entscheiden. Die Entscheidung über den Antrag selbst hat spätestens innerhalb von 120 Tagen nach Annahme zu ergehen. Die Frist kann um weitere 30 Tage verlängert werden. Bei belastenden Entscheidungen ist rechtliches Gehör zu gewähren. Die nicht verlängerbare Frist zur Stellungnahme beträgt 30 Tage.

3.3 Verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA)
Verbindliche Zolltarifauskünfte binden künftig nicht nur die Zollverwaltung, sondern auch den Inhaber. Dieser soll in der Zollanmeldung auf eine bestehende vZTA hinweisen. Die Gültigkeitsdauer beträgt nicht mehr sechs, sondern nur noch drei Jahre. Verbindliche Ursprungsauskünfte gelten auch drei Jahre ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens.

3.4 Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter
Für den Status des Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten wird künftig kein Zertifikat mehr ausgestellt, sondern eine Bewilligung. Es gibt nur noch den AEO C (AEO Customs) und den AEO S (AEO Security und Safety). Die dritte Variante AEO F (AEO Full) entfällt. Wirtschaftsbeteiligte können jedoch gleichzeitig den AEO C und den AEO S beantragen. In diesem Fall wird eine kombinierte Bewilligung erteilt. Alle AEO müssen zusätzliche Voraussetzungen zum Erhalt der Bewilligung erfüllen. Der Antragsteller darf keine schwerwiegenden oder wiederholten Verstöße gegen die zoll- oder steuerrechtlichen Vorschriften und keine schweren Straftaten im Rahmen seiner Wirtschaftstätigkeit begangen haben. Das gilt auch für Beschäftigte des Antragstellers, die für dessen Zollangelegenheiten zuständig sind. Dies betrifft neben dem Leiter der Zollabteilung oder dem Zollbeauftragten jeden mit Zollangelegenheiten befassten Mitarbeiter. Bewilligungsrelevant sind nunmehr auch Verstöße gegen steuerrechtliche Vorschriften (einschl. Außenwirtschaftsrecht und Verbrauchsteuern). Der AEO C (und die für die Zollangelegenheiten zuständigen Personen) müssen einen praktischen oder theoretischen Befähigungsnachweis im Zollbereich erbringen (mind. drei Jahre Erfahrung oder eine entsprechende Ausbildung). Der AEO S muss eine für Sicherheitsfragen zuständige Kontaktperson benennen. Die AEO-Bewilligung ist künftig Voraussetzung für die Gewährung von Verfahrensvereinfachungen und Vergünstigungen.

3.5 Ursprung und Präferenzen
Im Bereich des nicht präferenziellen Ursprungs sowie bei den Vorschriften über die Ausfertigung und Überprüfung von Lieferantenerklärungen entfällt die Zulassung als Ermächtigter Ausführer ersatzlos. Langzeit-Lieferantenerklärungen können eine Geltungsdauer von bis zu zwei Jahren ab dem Tag ihrer Ausfertigung haben. Sie können zukünftig auch rückwirkend für ein Jahr ausgestellt werden.

3.6 Zollwert
Für die Bestimmung des Zollwerts ist nach wie vor der Transaktionswert maßgeblich. Der Transaktionswert der zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Union verkauften Waren wird künftig zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldungen bestimmt, und zwar aufgrund des unmittelbar vor dem Verbringen der Waren in das Zollgebiet erfolgten Verkaufs. Die Möglichkeit, den sog. Vorerwerberpreis zugrunde zu legen, entfällt. Bis zum 31.12.2017 können Vorerwerberpreise angemeldet werden, wenn der Käufer der Einfuhrwaren vor dem 18.01.2016 an einen Kaufvertrag gebunden ist. Zusätzlich muss vor diesem Datum ein Vertrag zwischen dem Lieferanten und dem Vorerwerber über das entsprechende Vorerwerbergeschäft abgeschlossen worden sein.

Die Regelungen hinsichtlich der Hinzurechnung von Lizenzgebühren werden verschärft. Künftig sind Lizenzgebühren im Regelfall zollwertrelevant. Es ist insbesondere unerheblich, ob der Verkäufer die Zahlung der Lizenzgebühr vom Käufer an den Lizenzgeber verlangt.

4. Überleitungs- und Umsetzungsmaßnahmen
Die bis zum 30.04.2016 erteilten befristeten Bewilligungen und Zertifikate gelten bis zum Ablauf ihrer Befristung, längstens bis zum 01.05.2019 fort. Die Bestandsbewilligungen werden bis zum 01.05.2019 neu bewertet. Sie gelten bis zum Abschluss ihrer Neubewertung fort. VZTAs, die am 01.05.2016 bereits in Kraft sind, bleiben für den in ihnen genannten Zeitraum gültig. Sie sind aber auch für den Inhaber bindend. Entscheidungen über den Zahlungsaufschub bleiben unbefristet gültig, es sei denn, es erfolgt eine Neubewertung. Das IT-Verfahren ATLAS wird als Zollabfertigungssystem unter dem UZK fortgeführt. Bis zur Anpassung von ATLAS bleiben die bisherigen Abläufe der Bescheiderteilung unverändert.

5. Praxishinweise
Für die Anwendung der Bewilligungen gilt grundsätzlich das neue Recht. In Bezug auf die Neubewertung kommen die Zollbehörden auf die Unternehmen zu. Es ist aber sinnvoll, die bestehenden Bewilligungen bereits im Vorfeld zu überprüfen und die Verfahren zur Abwicklung zollrechtlicher Vorgänge anzupassen. Es ist weiterhin zu überprüfen, ob z. B. genutzte Zollverfahren wegfallen oder eine Bewilligung zum AEO erforderlich ist. Sind die IT-Systeme so eingerichtet, dass VZTAs bei der Einfuhr in der Zollanmeldung angegeben werden können? Sind Lieferantenerklärungen zu überarbeiten oder Verträge mit den Lieferanten anzupassen? Diese Fragen sollten Unternehmen schnellstmöglich beantworten, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben.

Ansprechpartner:

Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 85
christian.salder@kmlz.de

Stand: 04.05.2016