Umsatzsteuer Newsletter 12/2016
Verkauf eines Miteigentumsanteils kann „Lieferung“ sein
Der BFH hat im Wege der Rechtsprechungsänderung entschieden, dass der Verkauf eines Miteigentumsanteils eine „Lieferung“ und keine „sonstige Leistung“ darstellt. Bei grenzüberschreitenden Umsätzen hat diese neue Sichtweise erhebliche Auswirkungen, da sich Verkäufer von Miteigentumsanteilen dann um Nachweispflichten bemühen müssen. Auch wenn das Urteil als Rechtsprechungsänderung eingestuft wird, so kann die Schlussfolgerung des BFH nicht auf jede Miteigentümergemeinschaft übertragen werden. Dem nationalen Zivilrecht wird eine entscheidende Bedeutung zukommen.

1. Hintergrund
Nach Auffassung der Finanzverwaltung stellt die entgeltliche Übertragung eines Miteigentumsanteils nach Abschn. 3.5. Abs. 3 Nr. 2 UStAE eine sonstige Leistung gemäß § 3 Abs. 9 UStG dar. Anders verhält es sich beim Verkauf von Anlagegold. Dieser stellt aufgrund gesetzlicher Fiktion eine Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG dar – vgl. Abschn. 25c.1 UStAE.

Die Auffassung der Finanzverwaltung beruht auf einer langjährigen gesicherten Rechtsprechung des BFH. Der BFH will nun seine Rechtsprechung geändert wissen. Er stellt dazu im Leitsatz seines Urteils v. 18.02.2016 (V R 53/14) fest: Die Veräußerung des Miteigentumsanteils an einer Sache kann Gegenstand einer Lieferung sein.

2. Entscheidung des BFH
Der Sachverhalt war im Kern folgender: Der Kläger verkaufte im Jahr 2008 einen 50%-Miteigentumsanteil an einem Buch an eine Galerie in London. Das Buch wurde noch im selben Jahr von der Käuferin nach England verbracht und dort ausgestellt. In 2010 verkaufte der Kläger dann auch die andere Hälfte an dem Buch an die Galerie. Der BFH entschied, dass es sich bei dem Verkauf der ersten 50 % um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung handelt.

Der BFH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verkauf des Miteigentumsanteils eine „Lieferung“ sein kann. Folgerichtig hat der BFH die Frage geprüft, ob die Lieferung als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG behandelt werden kann. Bisher – bei Annahme einer sonstigen Leistung – war diese Prüfung entbehrlich, da sich der Ort der sonstigen Leistung in der Unternehmerkette nach § 3a Abs. 2 UStG dort befand, wo der ausländische Käufer ansässig ist. Der Verkäufer hatte keine Dokumentationspflichten.

Der BFH begründet seine Rechtsprechungsänderung mit dem Verweis auf Unionsrecht: Eine Behandlung dieses Vorgangs als sonstige Leistung wäre nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Der BFH nimmt insoweit Bezug auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Centralan Property Ltd.

Schließlich weist der BFH darauf hin, dass die Aufspaltung der Verfügungsmacht an einem körperlichen Gegenstand mit der Folge, dass mehrere Personen das Recht innehaben, über den Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, der Rechtsposition eines Miteigentümers entspricht, der nach § 747 Satz 1 BGB über seinen Miteigentumsanteil frei verfügen kann. Miteigentum nach Bruchteilen sei – so der BFH – seinem Wesen nach dem Alleineigentum gleichartig, sodass der Miteigentümer dieselbe Rechtsposition habe wie ein Eigentümer.

3. Auswirkungen auf die Praxis
Die Ausführungen des BFH sind grundsätzlich korrekt, sie greifen aber zu kurz. Insbesondere die Schlussfolgerung, dass die Veräußerung eines Miteigentumsanteils stets als Lieferung zu bewerten wäre, kann u.E. nicht verallgemeinert werden. Miteigentümer haben nicht immer eine Rechtsposition inne, die der eines Eigentümers für Zwecke der Umsatzsteuer vergleichbar wäre.
Eine Eigentümer-Rechtsposition kann nur dann angenommen werden, wenn ein Umsatz die Befähigung nach sich zieht, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen. So hat es der EuGH in der Rs. Centralan Property Ltd festgestellt. Nach dem deutschen Zivilrecht kann der Inhaber eines Miteigentumsanteils lediglich über sein Anteilsrecht verfügen, nicht jedoch über den Gegenstand selbst. Denn das Miteigentum an einer Sache oder einer Sachgesamtheit bewirkt keine reale Teilung der Sache, sondern eine ideelle Teilung des Eigentumsrechts, das sich auf die ganze Sache bezieht. Nach § 749 Abs. 1 BGB steht jedem Teilhaber lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft gegenüber den übrigen Teilhabern zu. Hierzu bedarf es einer gesonderten Vereinbarung zwischen den Miteigentümern. Solange diese Vereinbarung nicht getroffen ist, besteht kein unbeschränkter Anspruch auf Herausgabe des konkreten Gegenstandes. Von einer Befähigung, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, kann daher nicht die Rede sein.

Die Finanzverwaltung wird sich nun überlegen müssen, wie sie das Urteil in den UStAE umsetzt. Eine pauschale Betrachtung wird hier nicht möglich sein. Es gibt solche und solche Eigentümergemeinschaften. Auch werden sich rein praktische Anwendungsfragen stellen, die einer Klärung bedürfen: Denn wie würde es sich verhalten, wenn in dem Streitfall das Buch nicht sofort nach England verbracht worden wäre. Der Verkäufer hätte dann wohl Umsatzsteuer in Rechnung stellen müssen. Der englische Käufer wäre nur auf dem Umweg über das Vorsteuervergütungsverfahren oder die umsatzsteuerrechtliche Registrierung in den Genuss des Vorsteuerabzugs gekommen. Das ist lebensfremd. Die Praxis braucht hier adäquate Lösungsansätze.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
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Stand: 09.05.2016