Umsatzsteuer Newsletter 28/2016
Elektronische Dienstleistung trotz menschlicher Beteiligung
Der BFH hatte jüngst darüber zu entscheiden, ob die Leistungen des amerikanischen Anbieters von Internet-Kontaktbörsen in Deutschland umsatzsteuerpflichtig sind. Die Leistungen beinhalteten auch Tätigkeiten von Mitarbeitern der Klägerin. Dennoch bejahte der BFH die Steuerpflicht in Deutschland mit der Begründung, die Leistungen würden elektronisch erbracht. Die Entscheidung sollte alle Unternehmer aufhorchen lassen. Sie sollten prüfen, ob sie Dienstleistungen elektronisch erbringen. Falls ja, könnten diese im Ausland steuerpflichtig sein.

1. Hintergrund
B2C-Dienstleistungen an deutsche Kunden unterliegen deutscher Umsatzsteuer, wenn die Dienstleistungen elektronisch erbracht werden. Andernfalls sind sie dort steuerbar, wo der Unternehmer ansässig ist. Für Unternehmer ist es daher vorteilhafter, wenn ihre B2C-Dienstleistungen nicht als elektronisch erbracht gelten.

Eine elektronische Dienstleistung liegt vor, wenn die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt sind: Die Leistung wird über das Internet oder ein elektronisches Netz erbracht. Sie ist im Wesentlichen automatisiert. Die Leistung wird durch Informationstechnologie erst möglich. Schließlich darf die Leistung nur mit minimaler menschlicher Beteiligung erbracht werden.

Insbesondere hinsichtlich der letzten beiden Voraussetzungen bestand Streit zwischen der deutschen Finanzverwaltung und der US-amerikanischen Klägerin.

2. Sachverhalt
Die Klägerin betrieb mehrere Kontaktbörsen im Internet. Die Nutzer dieser Kontaktbörsen mussten einen regelmäßigen Mitgliedsbeitrag entrichten. Im Gegenzug konnten sie Nutzerprofile anlegen, auch als Videoprofil. Darüber hinaus umfasste der Mitgliedsbeitrag folgende Leistungen:

• Zugriff auf persönliche Informationen anderer Nutzer
• Kontaktaufnahme mit anderen Nutzern
• Suche anderer Nutzer inklusive Filterfunktion
• Online-Nachrichtenmagazine
• Chat-Räume
• Beschwerde-Hotlines
• Abteilung zur Kontrolle der Nutzer-Aktivitäten, der Verletzung der Privatsphäre und von Missbrauch.

Die Klägerin ging davon aus, dass ihre Leistungen in den USA steuerbar seien. Die Finanzverwaltung und das Gericht der ersten Instanz meinten jedoch, dass die Klägerin elektronische Dienstleistungen erbringt. Ihre Leistungen seien daher in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig.

3. Entscheidung des BFH
Der BFH schloss sich der Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts an. Aus seiner Sicht erbringt die Klägerin eine elektronische Dienstleistung. Sie stellt eine Datenbank zur Verfügung. Die vorgenannten Dienstleistungen teilte der BFH dabei wie folgt ein: Sie sind entweder Element der Hauptleistung (z. B. der Zugriff auf Profile anderer Nutzer und die Suchfunktion). Andernfalls sind sie Nebenleistungen (z. B. Chat-Räume und Nachrichtenmagazine). Als solche teilen sie das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung (d. h. Bereitstellung einer Datenbank).

Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der BFH auch die Sammlung der Daten als Hauptleistung einordnet. Dabei soll es seines Erachtens nicht darauf ankommen, ob die Informationen automatisiert gesammelt werden (z. B. durch einen Web Crawler) oder manuell (wie hier durch die Selbstauskunft der Mitglieder).

Bei der Kontrollabteilung soll es sich um eine vorbereitende und begleitende Maßnahme handeln. Sie findet nicht im Rahmen des „eigentlichen Leistungsvorgangs“, d. h. der Bereitstellung der Datenbank statt. Daher soll der „eigentliche Leistungsvorgang“ ohne menschliche Beteiligung ablaufen.

Die Leistung ist schließlich auch nur mit Informationstechnologie möglich. Es kommt darauf an, wie die Leistung tatsächlich erbracht wird. Unerheblich ist, dass sie auch „offline“ erbracht werden könnte.

4. Auswirkungen für die Praxis
Die Bedeutung des BFH-Urteils beschränkt sich in erster Linie auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Das BFH-Urteil ist daher vor allem für ausländische Unternehmer beachtlich, die Dienstleistungen an in Deutschland ansässige Kunden erbringen. Der BFH legt den Sachverhalt relativ streng aus. Damit kommt er der deutschen Finanzverwaltung entgegen. Diese kann nun ausländischen Unternehmen gegenüber leichter begründen, warum diese für ihre Dienstleistungen an deutsche Kunden deutsche Umsatzsteuer abführen müssen. Andererseits hat der BFH hier einen Einzelfall entschieden. Fraglich ist, ob der BFH die gleiche Entscheidung getroffen hätte, wenn Mitarbeiter der Klägerin die Kunden auch bei der Kontaktaufnahme oder dem Anlegen der Profile unterstützt hätten.

Schließlich gibt es keinen Grund für deutsche Unternehmen, sich entspannt zurückzulehnen. Heutzutage erbringen viele Unternehmen Dienstleistungen über das Internet. Darüber hinaus hat das Thema „elektronische Dienstleistungen“ seit dem 01.01.2015 deutlich an Fahrt aufgenommen. Der MwSt-Ausschuss der EU-Kommission hat sich schon mehrfach damit befasst. Die EU-Mitgliedstaaten werden somit sehr genau darauf achten, ob Dienstleistungen ausländischer Unternehmer (gerade aus Deutschland) in ihrem Land steuerbar sind. Deutsche Unternehmen sollten daher genau prüfen, ob sie diesem Risiko ausgesetzt sind.

Matthias Luther 

Ansprechpartner:

Matthias Luther, L.L.M. Tax
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 0211 / 540953 - 95
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Stand: 22.09.2016