Umsatzsteuer Newsletter 32/2016
Erheblicher Umstellungsaufwand für Körperschaften des öffentlichen Rechts wegen § 2b UStG
Fast ein Jahr lang hat die Finanzverwaltung an dem Anwendungsschreiben zur Neuregelung des § 2b UStG gearbeitet. Das BMF ist sichtlich bemüht, die erheblichen Auswirkungen abzuschwächen. Dies gipfelt darin, dass der Steueranwender nach dem „Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns“ zu wissen hat, was er tut. Auch wenn der öffentlichen Hand noch fünf Jahre Zeit für die Umstellung bleiben, der Arbeitsaufwand wird immens sein. Körperschaften des öffentlichen Rechts stehen nun im Fokus der Besteuerung.

1. Ausgangslage
Der deutsche Gesetzgeber hat die Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand reformiert, indem er § 2 Abs. 3 UStG gestrichen und § 2b UStG neu geschaffen hat. Nach dem Koalitionsvertrag sollte dabei die interkommunale Zusammenarbeit nicht behindert werden. Nun – fast drei Jahre später – stehen wir vor einer Zeitenwende bei der Besteuerung der öffentlichen Hand. Das Ziel hat man zwar erreicht: Die interkommunale Zusammenarbeit kann grundsätzlich begünstigt sein. Der Weg dorthin ist aber steinig und es wird viele Verlierer geben. Denn in das Paradies kommt nur derjenige, der auf öffentlicher-rechtlicher Grundlage tätig wird. Wer hingegen auf privatrechtlicher Grundlage tätig ist, fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 2b UStG. Die juristische Person des öffentlichen Rechts (jPöR) handelt nach dem BMF dann nicht „im Rahmen der öffentlichen Gewalt“. Durch die Neuregelung werden insbesondere Beistandsleistungen und Leistungen im Rahmen der Vermögensverwaltung durch jPöR künftig steuerbar sein. Auch die bisherige Grenze der Finanzverwaltung von EUR 35.000 wird es künftig nicht mehr geben.

2.    Wesentliche Inhalte des BMF-Schreibens
Das BMF-Schreiben führt aus, was unter öffentlicher Gewalt sowie größeren Wettbewerbsverzerrungen zu verstehen ist. Gleichzeitig öffnet die Finanzverwaltung das ersehnte Tor zu Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG.

2.1.    Öffentliche Gewalt
Die jPöR übt immer dann öffentliche Gewalt aus, wenn sie im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig ist (Rz. 6). Durch diese Auslegung schließt das BMF sich (leider) der Rechtsprechung des BFH an. Wichtige Beispiele einer solchen Sonderregelung, die das BMF hier nennt, sind die öffentlich-rechtliche Satzung (z. B. Satzung eines Abwasserzweckverbands, Rz. 8), die Verwaltungs-vereinbarung (Rz. 10) und der öffentlich-rechtliche Vertrag (z. B. Koordinationsrechtlicher Vertrag gem. § 54 VwVfG). Insbesondere handelt es sich dann um öffentlich-rechtliche Verträge, wenn zu ihrem Abschluss eine besondere Norm berechtigt (z. B. Verträge auf Grundlage der Landesgesetze zur kommunalen Zusammenarbeit, Rz. 12). Soweit ein Vertrag nach Gegenstand und Zweck zu beurteilen ist, gilt der „Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns“ (Rz. 17). Die Finanzverwaltung geht also davon aus, dass die öffentliche Hand grundsätzlich von sich aus die richtige Handlungsform wählt. Voraussichtlich werden jPöR versuchen, durch Wortwahl (z. B. Bezeichnung als öffentlich-rechtlicher Vertrag) und Gesetzesbezüge den öffentlich-rechtlichen Charakter des Vertrags in den Vordergrund zu rücken.

2.2    Keine Wettbewerbsverzerrungen
Nach Auffassung des BMF stehen zwei Leistungen dann miteinander im Wettbewerb, wenn sie aus Sicht des Verbrauchers dieselben Bedürfnisse befriedigen. Derart vergleichbare Leistungen müssen potenziell (nicht nur hypothetisch) von Privaten erbracht werden können. Dabei besteht grundsätzlich keine Beschränkung auf den lokalen Markt. Rechtliche Rahmenbedingungen sind für die Beurteilung dann von Bedeutung, wenn der Verbraucher anhand der unterschiedlichen Rahmenbedingungen zwei Leistungen voneinander unterscheiden kann. So liegt z. B. im Fall eines Annahme- und Benutzungszwangs kein Wettbewerb vor, bei einer Parkplatzüberlassung gegen Gebühr hingegen schon (Rz. 24 ff.). Auch insoweit schließt sich das BMF der Rechtsprechung von BFH und EuGH an.

Ausführlich äußert das BMF sich zu den einzelnen Tatbe-standsmerkmalen von § 2b Abs. 2 und Abs. 3 UStG. Diese beiden Absätze nennen – nicht abschließend – Fälle, in denen kein Wettbewerb besteht. Abs. 2 schließt Wettbewerb aus, wenn die jPöR aus gleichartigen Tätigkeiten voraussichtlich nicht mehr als EUR 17.500 im Jahr erzielt (Rz. 3). Abs. 3 gilt für die vertikale und horizontale Zusammenarbeit zweier jPöR untereinander. Unter Nr. 1 fallen hier Leistungen, die den jPöR gesetzlich vorbehalten oder privaten Wirtschaftsteilnehmern gesetzlich verwehrt sind, auch dann wenn die jPöR eine Leistung ausschließlich bei einer anderen jPöR nachfragen darf (Rz. 40 ff.).

2.3    Vorsteuerabzug
Sehr positiv ist, dass das BMF die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zulässt, wenn bei Leistungsbezügen zunächst der Vorsteuerabzug ausgeschlossen war, nun aber – nach der Neuregelung des § 2b UStG – die Ausgangsumsätze steuerpflichtig sind. Das BMF versucht damit, die bevorstehende harte Landung etwas weicher zu gestalten.

3.    Handlungsempfehlungen
Jede jPöR, für die die Anwendung der bisherigen Rechtslage günstiger ist, muss bis 31.12.2016 die Optionserklärung gem. § 27 Abs. 2 UStG abgeben. Tut sie dies nicht, muss sie § 2b UStG ab 01.01.2017 anwenden. Auf Grundlage des BMF-Schreibens sind alle Einnahmen der jPöR zur Prüfung der Umsatzsteuerpflicht zu durchforsten. Soweit dies bislang nicht erfolgt ist, ist der jPöR nunmehr zu empfehlen, die Option auszuüben. Die Finanzverwaltung hat durch das BMF-Schreiben klargestellt, dass der auf den 01.01.2017 zurückwirkende Widerruf der Optionserklärung möglich ist (Rz. 58 ff.). Zwar kommen dann mögliche „Rückabwicklungskosten“ auf die jPöR zu. Auch hat die jPöR ggf. einige umsatzsteuerpflichtige Leistungen ohne Hinzurechnung von Umsatzsteuer in Rechnung gestellt. Dies dürfte aber immer noch besser sein, als sofort § 2b UStG anzuwenden (ohne Möglichkeit der Rückkehr zu § 2 Abs. 3 UStG a. F.) und gar nicht zu wissen, welche Leistungen steuerbar sind. Außer-dem wird die Option nur dann rückwirkend widerrufen, wenn dies insgesamt finanziell vorteilhaft ist. Damit sie ihren steuerlichen Verpflichtungen dauerhaft nachkommen kann, ist die jPöR angehalten, eine Steuerabteilung und ein internes Kontrollsystem für den Bereich Steuern einzurichten.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 19.12.2016