Umsatzsteuer Newsletter 01/2017
BFH erkennt Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung an
Erst vor wenigen Wochen hat der EuGH sein Urteil in der Rs. Senatex veröffentlicht. Darin bestätigt der EuGH, dass eine Rechnung für Zwecke des Vorsteuerabzugs rückwirkend korrigiert werden kann. Der BFH hat die Rs. Senatex nun erstmalig in einem am 21.12.2016 veröffentlichten Urteil aufgegriffen. Er ändert seine Rechtsprechung und erkennt eine rückwirkende Rechnungsberichtigung ebenfalls an. Diese ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht möglich.

1. Sachverhalt
Die Klägerin (im Folgenden: Kl.) ist eine GmbH, die zahntechnische Labore betreibt. Sie hatte je einen Beratervertrag mit einem Rechtsanwalt und einer Gesellschaft im Bereich der Unternehmensberatung (GbR) geschlossen. Für die vereinbarten Beratungsleistungen war seitens der Kl. ein Pauschalhonorar zuzüglich Umsatzsteuer zu entrichten.
 
In den jeweiligen Rechnungen, die die Kl. in den Jahren 2005 bis 2007 erhielt, waren nach den Feststellungen des Finanzgerichts die erbrachten Beratungsleistungen zunächst nicht konkret bezeichnet worden. Der Rechtsanwalt beschrieb den Leistungen auf den Rechnungen wie folgt: „ich erlaube mir, das vereinbarte Beraterhonorar wie folgt abzurechnen“. Die Rechnungen der GbR lauteten: „für allgemeine wirtschaftliche Beratung im (Zeitraum) berechnen wir Ihnen pauschal wie vereinbart“ und „für zusätzliche betriebswirtschaftliche Beratung (Zeitraum) berechnen wir Ihnen pauschal wie vereinbart“. Auf weitere Unterlagen, aus denen sich Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarung hätten ersehen lassen, nahmen die Rechnungen nicht Bezug.
Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen, da die Art der erbrachten Leistungen nicht hinreichend genau bezeichnet sei. Die Kl. erhob daraufhin im Jahr 2011 Klage zum Finanzgericht.

Nach Erlass der Einspruchsentscheidung, aber noch während des laufenden Klageverfahrens vor dem FG legte die Kl. dem Finanzamt berichtigte Rechnungen vor, in denen der Gegenstand der Leistung ordnungsgemäß angegeben war.

Gleichwohl wies das FG Berlin-Brandenburg (Az. 7 K 7377/11) die Klage mit Urteil vom 10.06.2015 ab. Das FG verneinte eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung in die Jahre 2005 bis 2007. Eine rückwirkende Rechnungsberichtigung sei jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die berichtigten Rechnungen erst nach Erlass der Einspruchsentscheidung vorgelegt würden. Die Kl. legte gegen diese Entscheidung Revision zum BFH ein, die das FG zugelassen hatte.

2. Rechtliche Würdigung des BFH
Der BFH hob das Urteil des FG auf und sprach der Kl. den Vorsteuerabzug rückwirkend für die Jahre 2005 bis 2007 zu. Der BFH nimmt in seiner Entscheidung (V R 26/15) Bezug auf das Urteil des EuGH vom 15.09.2016 – Senatex (C-518/14). Darin hatte der EuGH die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung für Zwecke des Vorsteuerabzugs ausdrücklich anerkannt (vgl. KMLZ Newsletter 27/2016). Der BFH gibt seine bisherige Rechtsprechung, einer Rechnungsberichtigung lediglich Ex-nunc-Wirkung zuzuerkennen, ausdrücklich auf. Er legt § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG und § 31 Abs. 5 UStDV unionsrechtskonform aus und erkennt eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt an, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt worden ist.

Die Frage, ob eine Rechnung Mindestanforderungen erfüllen muss, damit sie rückwirkend berichtigt werden kann, hatte der EuGH offengelassen. Der BFH geht in Übereinstimmung mit seiner bisherigen Rechtsprechung davon aus, dass dies zumindest dann der Fall ist, wenn ein Dokument Angaben zu Rechnungsaussteller, Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt und gesondertem Umsatzsteuerausweis enthält.

Hinsichtlich der zeitlichen Grenze, innerhalb derer eine Rechnung rückwirkend berichtigt werden kann, vertritt der BFH eine unternehmerfreundliche Linie. Nach seiner Ansicht ist es ausreichend, wenn der Aussteller die Rechnung bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG berichtigt. Eine andere zeitliche Grenze ergebe sich weder aus dem nationalen Recht noch aus dem Unionsrecht. Der BFH zieht hier eine Parallele zum Belegnachweis nach § 6 Abs. 4 UStG i. V. m. §§ 8 ff. UStDV. Auch ein solcher Belegnachweis kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG erbracht werden.
Anders als der EuGH in der Rs. Senatex, der eine Rechnung lediglich als formelles Kriterium qualifizierte, bleibt der BFH ausdrücklich dabei, dass die Rechnung ein materiell-rechtliches Erfordernis für den Vorsteuerabzug sei.

Entsprechend der Sichtweise des EuGH geht auch der BFH davon aus, dass im Fall einer Rechnungsberichtigung aus unionsrechtlicher Sicht keine Nachzahlungszinsen entstehen dürfen. Ob eine Rechnungsberichtigung ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO darstellt, ließ er offen.

3. Fazit
Es ist gut, dass der BFH so schnell zur grundsätzlichen Frage der rückwirkenden Rechnungsberichtigung Stellung bezogen hat. Auf Basis der Rs. Senatex überrascht es nicht, dass der BFH eine Rückwirkung anerkennt. Erfreulicherweise stellt der BFH nicht auf die bisher vielfach diskutierte vermeintliche zeitliche Grenze der letzten Behördenentscheidung ab. Es überrascht jedoch, wenn der BFH davon spricht, dass eine Rechnung eine materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug sei. Der EuGH hingegen hatte ausdrücklich klargestellt, dass eine Rechnung lediglich als formelles Kriterium zu betrachten ist. Es ist zu bezweifeln, dass sich der BFH an dieser Stelle auf der Linie des Unionsrechts bewegt. Bleibt zu hoffen, dass diese Aussage in anderen Fällen nicht dazu verwendet wird, die großzügige Rechtsprechung des EuGH wieder einzuschränken.

Vorsorglich sollten Unternehmer fehlerhafte Eingangsrechnungen auch künftig möglichst zeitnah korrigieren lassen. Dabei ist zu beachten, dass der BFH die Rückwirkung der Rechnungsberichtigung bisher nur für Rechnungsergänzungen i. S. d. § 31 Abs. 5 UStDV bestätigt hat. Offen ist, ob dies auch dann gilt, wenn fehlerhafte Rechnungen storniert und neu ausgestellt werden.

Ansprechpartner:

Thomas Streit, LL.M. Eur.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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Stand: 09.01.2017