Umsatzsteuer Newsletter 05/2017
EuGH bleibt Linie treu – USt-IdNr. ein Relikt aus der Vergangenheit?
Eine USt-IdNr. ist nicht immer eine „echte“ USt-IdNr., die als Buchnachweis taugt. Das war das Problem, mit dem sich der EuGH im Fall „Euro Tyre 2“ auseinandersetzen musste. Der EuGH hat aber erwartungsgemäß und in konsequenter Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass formelle Anforderungen wie die Buch- und Belegnachweise keine Voraussetzungen für die Steuerbefreiung sind. Die Steuerbefreiung darf deshalb nicht versagt werden, nur weil die vom Abnehmer verwendete USt-IdNr. nicht im MIAS registriert war, selbst wenn der Lieferer davon wusste. Die Bedeutung der USt-IdNr. wird vom EuGH also immer weiter reduziert. Die Grenze bilden nur betrügerische Aktivitäten oder derart starke Mängel, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung quasi nicht nachweisbar sind.

Wer sich mit innergemeinschaftlichen Lieferungen beschäftigt, wird ganz sicher das EuGH-Urteil zu Reihengeschäften in der Rs. Euro Tyre (C-430/09) kennen. Künftig wird man diesbezüglich von „Euro Tyre 1“ sprechen müssen. Das liegt daran, dass es inzwischen ein zweites Urteil des EuGH gibt, das von den (glücklicherweise) streitfreudigen Niederländern initiiert wurde (C-21/16 vom 09.02.2017). In „Euro Tyre 2“ geht es nun um die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung, konkret bei Verwendung einer nicht im Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem (MIAS) aktivierten USt IdNr. des Abnehmers.

1. Sachverhalt
Die Euro Tyre BV war mit ihrer portugiesischen Niederlassung im Vertrieb von Reifen an Einzelhändler in Portugal und Spanien tätig. Auf dem spanischen Markt tätigte sie ihre Verkäufe teilweise über eine spanische Vertriebsgesellschaft (Euro Tyre Spain). Deshalb deklarierte sie in Portugal steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach Spanien. Bis zum 1. Juli 2012 war die Euro Tyre Spain zwar als Mehrwertsteuerpflichtige in Spanien registriert, dort aber weder für innergemeinschaftliche Umsätze eingetragen noch im MIAS erfasst. Hiervon wusste die Euro Tyre BV. Sie ging aber davon aus, dass die Registrierung im MIAS rückwirkend vorgenommen werde.

2. Problematik 
Im Rahmen einer Steuerprüfung stellte die portugiesische Steuerbehörde fest, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferungen in den Jahren 2010 bis 2012 nicht erfüllt seien. Euro Tyre Spain sei schließlich nicht für innergemeinschaftliche Umsätze registriert und nicht im MIAS erfasst. Das führte dazu, dass Euro Tyre BV Mehrwertsteuer und Zinsen nachzuzahlen hatte.
Für deutsche Unternehmer mag das seltsam klingen, da eine vom Bundeszentralamt für Steuern zugeteilte deutsche USt-IdNr. automatisch im MIAS erfasst wird. In vielen anderen Ländern aber wird zum einen eine lokale Steuernummer durch Hinzufügen des Länderkürzels zu einer USt-IdNr. Zum anderen ist in einigen Ländern, wie z. B. Spanien und Italien, noch zusätzlich eine separate Registrierung für innergemeinschaftliche Umsätze erforderlich, für die auch entsprechende Nachweise erbracht werden müssen.

3. Zentrale Aussage des EuGH
Der EuGH stellt für den konkreten Fall fest, dass die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht verweigert werden darf, wenn der Abnehmer zwar über eine gültige USt-IdNr. in seinem Mitgliedstaat verfügt, dort aber weder für innergemeinschaftliche Umsätze registriert noch im MIAS erfasst ist. Und das gilt selbst dann, wenn der Lieferer davon wusste, aber überzeugt war, dass sich der Abnehmer rückwirkend registrieren würde.

Der EuGH begründet seine Auffassung erneut damit, dass es sich dabei nur um formelle Erfordernisse handelt, die den Anspruch des Lieferers auf Mehrwertsteuerbefreiung nicht in Frage stellen können, sofern die materiellen Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllt sind. Dies steht im Einklang mit den Entscheidungen, die zu diesem Themenbereich in den letzten Jahren ergangen sind (z. B. Mecsek-Gabona v. 06.09.2012, C-273/11 und VSTR v. 27.09.2012, C-587/10), und dem erst kürzlich veröffentlichten Urteil Plöckl (20.10.2016, C-24/15). In Letzterem hatte der EuGH die Steuerbefreiung für ein innergemeinschaftliches Verbringen von Deutschland nach Spanien erwartungsgemäß anerkannt, obwohl der Steuerpflichtige keine USt-IdNr. im Bestimmungsland vorweisen konnte.

4. Praxishinweis
Die Entscheidung reiht sich in eine Vielzahl von Urteilen ein, die alle einen vergleichbaren Tenor haben. Wichtig ist nur, dass die materiellen Voraussetzungen des Art. 138 MwStSystRL gegeben sind. Die formellen Anforderungen müssen nicht zwingend erfüllt sein. Der Steuerpflichtige ist noch nicht einmal verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um den formellen Voraussetzungen zu genügen. Wenn die Nachweise einmal zu wünschen übrig lassen, ist das noch kein Beinbruch.

Es gibt allerdings zwei Einschränkungen: Zum einen darf der Verstoß gegen die formellen Voraussetzungen nicht den sicheren Nachweis verhindern, dass die materiellen Voraussetzungen erfüllt sind. Irgendwelche Nachweise werden also benötigt. Idealerweise sollte man sich dazu an den Vorstellungen des Fiskus im Abgangsland orientieren. Diese können recht unterschiedlich ausfallen. Zum anderen dürfen keine konkreten Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung bestehen. Wie der EuGH mehrfach wiederholt hat, muss der Steuerpflichtige gutgläubig sein.

Man wird daher im Tagesgeschäft nicht umhinkommen, auch weiterhin die Gültigkeit der USt-IdNr. (qualifiziert) abzuprüfen und diese Kontrolle zu dokumentieren. Damit kann man sich ggf. für den (unwahrscheinlichen) Fall wappnen, dass man an einen Betrüger gerät. Gerade die Gutgläubigkeit steht erfahrungsgemäß immer dann zur Debatte, wenn die USt-IdNr. nicht geprüft wurde, ob diese Prüfung nun etwas geändert hätte oder nicht.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 21.02.2017