1 Hintergrund: Die Bedeutung der USt-IdNr.
Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) hat im grenzüberschreitenden Geschäft an vielen Stellen entscheidenden Einfluss. Sie bescheinigt vor allem den Status des Unternehmers im Sinne der MwStSystRL. Dieser Status kann u. a. über den Besteuerungsort, eine mögliche Steuerfreiheit und den Steuersatz entscheiden sowie darüber, wer der Steuerschuldner ist. Im EU-grenzüberschreitenden B2B-Warenhandel sind z. B. der Besitz einer USt-IdNr. sowie deren Mitteilung mittlerweile eine materielle Voraussetzung für die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen. Bei der Besteuerung von EU-grenzüberschreitend erbrachten Dienstleistungen entfaltet die Mitteilung einer USt-IdNr. nach Art. 18 EU-VO 282/2011 zumindest Indizwirkung zur Unternehmereigenschaft des Leistenden.
Als Leistender muss man stets sicherstellen, dass die Angaben des Kunden korrekt sind. Solange man die richtige USt-IdNr. vom Kunden mitgeteilt bekommt, dürfte auch alles unkompliziert sein. Eine Mitteilungspflicht des Kunden gibt es aber praktisch nur selten. Die richtige USt-IdNr. des Leistungsempfängers erhält man manchmal nicht so einfach. Bestimmte Geschäftsbereiche, vor allem die E-Commerce-Branche, sind von dieser Problematik besonders stark betroffen. Man erfährt dort wenig von seinen Kunden. Vielmehr macht man sein Geschäft über die Masse. Der Leistende kann sich daher bei der steuerlichen Beurteilung oft nur auf Indizien stützen, was dann zu Steuerrisiken führt.
2 Sachverhalt
Die im Ausland ansässige Klägerin (Kl.) betrieb einen Online-Marktplatz, auf dem sowohl Unternehmer als auch Nichtunternehmer Gegenstände zum Kauf anboten. Die Dienstleistungen der Kl. bestanden darin, den Anbietern der Waren gegen Gebühr den Zugang zum Online-Marktplatz und die Nutzung der Plattform zu gewähren. Im Streitfall war der Leistungsort eindeutig im Inland (§ 3a Abs. 2 UStG oder § 3a Abs. 5a UStG). Es ging um die Frage, von wem die Umsatzsteuer für im Inland vom Leistenden erbrachte Dienstleistungen geschuldet wird. Die Antwort hing vom umsatzsteuerlichen Status des Leistungsempfängers ab. Diesen hat die Kl. auch stets intern abgeprüft. Kunden mit gültiger USt-IdNr. wurden als Unternehmer behandelt. Die Unternehmereigenschaft der restlichen Nutzer, die sich als Unternehmer registrierten, wurde anhand von anderen Indizien festgestellt. Sofern der Nutzer eines von drei Kriterien erfüllte (Mindestanzahl von Transaktionen, Mindesthöhe des Transaktionsvolumens, Registrierung in einer B2B-Plattform), wurde er als Unternehmer eingestuft. Das FG hatte entschieden, dass es für den Kundenkreis ohne gültige USt-IdNr. nicht allein auf die Mitteilung der USt-IdNr. ankommt. Dennoch setzte das FG für diese Transaktionen Umsatzsteuer bei der Kl. fest. Das FG hielt die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers in diesen Fällen für nicht ausreichend nachgewiesen. Die restlichen Überprüfungsmaßnahmen der Kl. wurden als Nachweis nicht akzeptiert.
3 Entscheidung
Der BFH entschied in seinem Urteil vom 31.01.2024 – V R 20/21, dass es für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft nicht auf die Verwendung einer gültigen USt-IdNr. durch den Leistungsempfänger ankommt. Vielmehr ist die Eigenschaft des Leistungsempfängers als Unternehmer allein ausschlaggebend. Die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vom leistenden Unternehmer auf den Leistungsempfänger wirkt zwar zu Gunsten des leistenden Unternehmers. Er muss daher nachweisen, dass die Voraussetzungen der entsprechenden Norm erfüllt werden. Diese Feststellung ist jedoch anhand von objektiven Kriterien zu treffen. Erst im Falle einer Unaufklärbarkeit des Sachverhalts kann dieser gegen den Leistenden ausgelegt werden. Dies gilt aber nur für einzelne Transaktionen, eine pauschale Behandlung ist rechtswidrig.
4 Folgen für die Praxis
Die BFH-Entscheidung überrascht wenig. Nirgendwo wird der Steuerschuldübergang bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen gesetzlich am Tatbestand der Verwendung einer korrekten USt-IdNr. festgemacht. Der Steuerschuldübergang hängt lediglich von der Eigenschaft des Leistungsempfängers als Unternehmer ab.
Dennoch kann die Entscheidung zukünftig wichtig für die Praxis sein. Zum einen wurde der Status der Kunden mit abgeprüfter gültiger USt-IdNr. weder vom FG noch vom BFH angezweifelt. Dies bedeutet, dass das oberste Gebot bei grenzüberschreitenden Transaktionen auch in Zukunft lautet: die USt-IdNr. der Kunden prüfen und archivieren. Hier können Tools wie unser VAT-ID Verifier unterstützen. Der BFH gibt aber obendrauf der Praxis noch ein Stück rechtliche Sicherheit mit auf den Weg für das häufige Problem, vom Kunden die korrekte USt-IdNr. übermittelt zu bekommen. Laut BFH kann der Leistende die Eigenschaft des Leistungsempfängers auch anderweitig nachweisen und ist in der Nachweisführung frei. Er muss die Prüfung jedoch nach von ihm sachlich gewählten und als rechtlich geeignet anzusehenden Methoden vornehmen. Dies dürfte über die zu entscheidende Konstellation hinaus auch bei anderen grenzüberschreitenden Umsatzarten gelten.
So kann die Entscheidung des BFH nicht nur bei auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen von Bedeutung sein. Auch bei der Prüfung, ob ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf (B2C) oder doch eine innergemeinschaftliche Lieferung (B2B) vorliegt, kann sie helfen. Denn beim Nachweis der Eigenschaft der jeweiligen Kunden durch den Leistenden gibt es Auslegungsspielraum. Dieser wird von den Finanzbehörden in der Praxis oft profiskalisch genutzt. Nun hat der BFH deutlich gemacht, dass man mit sachlich nachvollziehbaren Prüfungskonzepten die Steuerfindung im Unternehmen rechtssicher gestalten kann. Betroffene Unternehmer sollten dies zum Anlass nehmen, die Strukturen im Unternehmen bei solchen grenzüberschreitenden Konstellationen zu prüfen bzw. die Nachweiskonzepte neu zu gestalten.
Ansprechpartner:
Dr. Atanas Mateev
Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
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Stand: 03.05.2024