1 Hintergrund
Nach dem Europäischen Klimagesetz (Verordnung (EU) 2021/1119) müssen EU-Länder ihre Treibhausgas-(THG )Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 55 % senken. Mit der Umsetzung der Klimaziele ist allerdings das Risiko verbunden, dass Unternehmen ihre Produktion und somit ihre THG-Emissionen in Drittländer mit einer weniger ambitionierten Klimaschutzpolitik verlagern und CO₂-intensive Produkte aus Ländern mit einem niedrigeren CO₂-Preis in die EU einführen (sog. „Carbon-Leakage“). Als Teil des „Fit für 55“-Pakets, dem Kernelement der Bemühungen der EU um Klimaneutralität, veröffentlichte die Europäische Kommission am 14.07.2021 deshalb einen Verordnungsentwurf zur Schaffung eines CO₂-Grenzausgleichssystems (Carbon Border Adjustment Mechanism – kurz „CBAM“). Hauptziel des CBAM ist, das Carbon-Leakage-Risiko durch Regulierung der herstellungsbedingten THG-Emissionen von Waren bei ihrer Einfuhr in das Zollgebiet der EU zu mindern. So soll CBAM dafür sorgen, dass die strengen EU-Klimaschutzvorgaben nicht zum Nachteil für europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb werden, und die Industrie außerhalb der EU dazu anregen, ihre Emissionen zu reduzieren. Am 18.04.2023 nahm das Parlament die Vorschriften über das neue CO2-Grenzausgleichssystem der EU mit deutlicher Mehrheit an. Nun wurde die neue Verordnung (EU) 2023/956 zur Schaffung des CO₂-Grenzausgleichssystems im Amtsblatt der EU veröffentlicht und trat am 17.05.2023 in Kraft.
2 Allgemeines
CBAM zielt auf die Einfuhr von Produkten in CO₂-intensiven Industrien ab. Die betroffenen Warenpositionen sind in Anhang I der Verordnung (EU) 2023/956 aufgelistet. Neben den Warengruppen Zement, Strom, Düngemittel, Eisen, Stahl und Aluminium sind auch Vorprodukte und einige nachgelagerte Produkte aus Eisen, Stahl und Aluminium sowie Polymere und organische Chemikalien, Wasserstoff und Ammoniak von der Maßnahme umfasst. Bis 2030 soll CBAM alle Sektoren umfassen, die auch unter den Emissionshandel der EU fallen.
Ähnlich dem EU-Emissionshandel soll CBAM THG-Emissionen durch CO₂-Zertifikate bepreisen. Ziel ist, durch die so entstehenden zusätzlichen Kosten den Preis von betroffenen Waren, die in die EU eingeführt werden, an den Preis entsprechender EU-Waren anzugleichen. Unternehmen, die solche Waren in die EU einführen, werden daher verpflichtet, CBAM-Zertifikate zu erwerben. Die EU-Kommission berechnet den Preis der CBAM-Zertifikate auf der Grundlage des durchschnittlichen Wochenpreises für EU-Emissionszertifikate. So sollen der für die Einfuhr zu entrichtende CO₂-Preis und der (höhere) Preis der CO₂-Zertifikate im EU-Emissionshandel einander angeglichen werden.
3 Wie geht es weiter?
Die Verordnung gilt ab 01.10.2023. Dann beginnt zunächst eine Übergangsphase, in der die Einfuhranmelder betroffener Waren quartalsweise CBAM-Berichte abgeben müssen. Die Meldepflicht umfasst Angaben zur Menge der eingeführten Waren, zu den in den Waren enthaltenen Emissionen und zu bereits im EU-Ausland gezahlten CO₂-Preisen. Diese Übergangsphase beschränkt sich auf die Berichterstattung. Hier müssen Unternehmen noch keine Zertifikate erwerben.
Mit Ende der Übergangsphase zum 01.01.2026 dürfen nur noch „Zugelassene CBAM-Anmelder“ die betroffenen Waren in die EU einführen. Zu diesem Zeitpunkt startet auch der Zertifikatshandel. Schrittweise und parallel zur Abschaffung der kostenlosen Zertifikate im EU-Emissionshandel müssen Anmelder der betroffenen Ware unterjährig ausreichend CBAM-Zertifikate erwerben, deren Wert dem CO2-Inhalt der einzuführenden Waren entspricht. Die CBAM-Zertifikate können Zugelassene CBAM-Anmelder über eine zentrale Plattform für CBAM-Zertifikate von den Mitgliedstaaten erwerben. Nicht benötigte Zertifikate können an den jeweiligen Mitgliedstaat zurückgegeben werden. Ein Handel der Zertifikate zwischen den Wirtschaftsbeteiligten ist nicht vorgesehen.
Zudem müssen Zugelassene CBAM-Anmelder zukünftig (erstmals zum 31.05.2027 für das Jahr 2026) eine jährliche CBAM-Erklärung abgeben. In der CBAM-Erklärung sind – ähnlich wie in der Übergangsphase – Angaben zur Menge der eingeführten Waren und zu den in den Waren enthaltenen Emissionen zu machen. Zudem ist die Gesamtzahl der vorab erworbenen CBAM-Zertifikate anzugeben, die die in den Einfuhrwaren enthaltenen Emissionen ausgleichen sollen. Dabei kann ein etwaig bereits im Herkunftsland entrichteter CO₂-Preis abgezogen und somit die Anzahl der abzugebenden CBAM-Zertifikate verringert werden. Zugelassener CBAM-Anmelder können nur solche Unternehmen werden, die in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind. Unternehmen, die nicht in der EU ansässig sind, benötigen also neben dem indirekten Stellvertreter für die Einfuhrabfertigung auch einen CBAM-Anmelder, der sie vertritt.
4 Handlungsbedarf für betroffene Unternehmen
Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen, die vom CO₂-Grenzausgleichssystem betroffene Produkte einführen, werden enorm sein. Neben der Belastung durch den Erwerb der Zertifikate gehen mit dem CBAM vor allem auch sehr hohe administrative Herausforderungen einher. Unternehmen, die Waren aus den entsprechenden Sektoren einführen, sollten unbedingt die verbleibende Zeit nutzen, um zu prüfen, ob und inwieweit sie von der neuen Regelung betroffen sind. Künftig müssen betroffene Unternehmen die direkten und indirekten Emissionen, die im Produktionsprozess der eingeführten Ware entstanden sind, aufwendig berechnen und dokumentieren. Sie sollten die Hersteller der Waren identifizieren und frühzeitig Informationen zu den enthaltenen Emissionen anfordern. Die Pflicht zur Abgabe der CBAM-Meldungen im Rahmen der Übergangsphase besteht bereits ab 01.10.2023. Daher ist es ratsam, schnellstmöglich die internen Zuständigkeiten zu klären und gegebenenfalls eine abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe einzurichten. Die Nichteinhaltung der neuen Vorschriften wird mit Sanktionen geahndet. Unternehmen in den betroffenen Sektoren sollten also zügig handeln.
Ansprechpartner:

Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501285
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Stand: 23.05.2023