Umsatzsteuer Newsletter 21/2022
BFH ändert Rechtsprechung zur Steuerbefreiung für den Sport
Mit Urteil v. 21.04.2022 hat der BFH seine bisherige großzügige Rechtsprechung bei Umsätzen im Zusammenhang mit dem Sport aufgegeben. Die nationale Steuerbefreiungsnorm wurde als grundsätzlich unionsrechtskonform eingeordnet. Das Urteil macht aber auch deutlich, dass das Unionsrecht dem deutschen Gesetzgeber einen durchaus großzügigen Spielraum eröffnet. Solange der Gesetzgeber seine Möglichkeiten jedoch nicht zugunsten der Sportvereine nutzt, können sich Steuerpflichtige im Sportsektor nicht mehr auf das Unionsrecht berufen.
1 Hintergrund
Streiten gemeinnützig wirkende Sportvereine mit dem Finanzamt über die Umsatzsteuer, so liegt die Ursache häufig in einem der drei Dauerbrenner im Sportbereich: 
  • Der Verein will über die Steuerpflicht der Mitgliedsbeiträge in den Genuss des Vorsteuerabzugs kommen;
  • der Verein will seine Ausgangsumsätze nach dem Unionsrecht steuerfrei behandelt wissen, oder
  • der Verein möchte zumindest den Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes nutzen. 
 
Die Vereine sind bemüht, je nach Höhe ihrer Eingangs- und Ausgangsumsätze die bestmögliche Lösung für sich zu erreichen, um optimal gemeinnützig wirken zu können. 
 
Im aktuellen Streitfall vor dem BFH ging es einem Golfclub ausschließlich um die Steuerfreiheit seiner Umsätze (Greenfee, leihweise Überlassung von Golfbällen etc.). Das örtliche Finanzamt lehnt eine steuerfreie Behandlung ab. Denn nach deutschem Recht kommt die Steuerbefreiungsnorm des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG für „sportliche Veranstaltungen“ nur dann in Betracht, wenn sie von „Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken dienen“, durchgeführt werden. Im Streitfall bestand das Problem für den Golfclub darin, dass er nicht im Sinne der §§ 51 ff. AO als gemeinnützig anerkannt war und die fraglichen Umsätze auch nicht aus sportlichen Veranstaltungen resultierten. Der Golfclub versuchte sein Glück daher über eine unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht. Denn nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL befreit das Unionsrecht „bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben". 
Der V. Senat des BFH war sich zunächst über die Reichweite der unionsrechtlichen Steuerbefreiung im Unklaren und legte die Sache dem EuGH vor. Dieser entschied mit Urteil v. 10.12.2020 (C-488/18, Golfclub Igling), dass sich Steuerpflichtige nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL berufen können, da den Mitgliedstaaten aufgrund des Adjektivs „bestimmte“ ein Ermessensspielraum zukommt. Darüber hinaus brachte der EuGH beim Begriff „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ Licht ins Dunkel: Eine solche Einrichtung liege nur dann vor, wenn sichergestellt ist, dass sie „im Fall ihrer Auflösung von ihr erzielte Gewinne, die die eingezahlten Kapitalanteile ihrer Mitglieder sowie den gemeinen Wert der von ihnen geleisteten Sacheinlagen übersteigen, nicht an ihre Mitglieder verteilen darf“.
 
2 Nachfolgeentscheidung des BFH
Mehr als ein Jahr hat es nun gedauert, bis der BFH seine Nachfolgeentscheidung mit Urteil v. 21.04.2022 (V R 48/20) verkündet hat. Das Urteil bringt wenig Überraschendes, da die vorangegangene Entscheidung des EuGH v. 10.12.2020 zum Golfclub Igling fast 1:1 umgesetzt wurde:
  • Deutschland hat zutreffend von seinem Ermessensspielraum Gebrauch gemacht, da nicht jedwede Leistung im Zusammenhang mit dem Sport steuerfrei ist, sondern eben nur Umsätze im Zusammenhang mit „sportlichen Veranstaltungen“;
  • im Übrigen scheitert die Berufung des Golfclubs auf die unionsrechtliche Steuerbefreiung schon daran, dass seine Satzung im Falle einer Auflösung des Vereins zu ungenau gefasst war und daher auch einzelne Mitglieder hätten profitieren können. 
 
3 Auswirkungen auf die Praxis
Interessant ist der Hinweis des BFH auf seine Änderung der Rechtsprechung: So kommt die Steuerbefreiung zukünftig nicht mehr in Frage bei der Überlassung von Golfbällen (V R 74/07), dem Golfeinzelunterricht (XI R 21/09), der Pferdepensionshaltung (XI R 34/11) und auch nicht bei der Überlassung von Sportanlagen im Hinblick auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MwStSystRL. 
 
In Bezug auf den Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben ist die deutsche Gesetzesfassung des § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG hingegen richtlinienwidrig, da sie ausschließlich auf gemeinnützig anerkannte Einrichtungen im Sinne der §§ 51 ff. AO abstellt. Nach dem Unionsrecht bedarf es nicht zwingend einer solchen gemeinnützigen Anerkennung. Es muss aber in der Satzung sichergestellt sein, dass die unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. oben) im Falle einer Auflösung der Einrichtung eingehalten werden. Andererseits bedeutet dies aber auch: Handelt es sich um eine gemeinnützig anerkannte Einrichtung nach §§ 51 ff. AO, so ist grundsätzlich von einer „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ im Sinne des Unionsrechts auszugehen.
 
Das Urteil ist für die Politik zugleich Weckruf und Aufruf, vom unionsrechtlichen Ermessensspielraum endlich Gebrauch zu machen. Sport kann nach dem Unionsrecht viel großzügiger begünstigt werden, als es nach nationalem Recht derzeit gängige Praxis ist. Gerade mit etwas mehr Großmut gegenüber Sportvereinen läge die Bundesregierung hier sogar voll auf ihrer Linie: Im Koalitionsprogramm hat sie sich zum Ziel gesetzt, den Gemeinnützigkeitssektor vor allem in der Umsatzsteuer zu stärken: So sollen zukünftig Bildungsleistungen steuerfrei sein und Inklusionsunternehmen den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen können. Nun käme noch der Sport hinzu. Hier würden sich Tausende Sportvereine freuen, nicht nur stärker von der Steuerbefreiung zu profitieren, sondern auch mehr Rechtssicherheit zu erlangen. 
 
Ansprechpartner:
 
 
Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
 
Stand: 20.05.2022