Umsatzsteuer Newsletter 06/2022
BMF zur Privatnutzung von Elektro- und Hybridfahrzeugen sowie Fahrrädern
Mit Schreiben vom 07.02.2022 äußert sich das BMF erstmals zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Elektrofahrzeugen und den immer beliebter werdenden Firmenfahrrädern. Erfreulicherweise kann fortan und für die Vergangenheit die 1%-Regelung auch für (Elektro-)Fahrräder angewendet werden. Allerdings stellt das BMF auch klar, dass die vielfältigen ertragsteuerlichen Vergünstigungen in diesem Bereich für die Umsatzbesteuerung keine Anwendung finden. Dies bedeutet für alle Unternehmer hohe administrative Aufwendungen. Sie müssen für die Ertragsteuer (insbesondere Lohnsteuer) und die Umsatzsteuer unterschiedliche Bemessungsgrundlagen ermitteln.
1 Hintergrund
Der Beziehungsstatus von Umsatzsteuer und Lohnsteuer/Ertragsteuern ist kompliziert. Auf den ersten Blick scheinen beide Steuerarten nicht miteinander verbunden zu sein. Auf den zweiten Blick ist jedoch genau das Gegenteil der Fall. Treffen Geschäftsvorfälle eine ertrag- und umsatzsteuerrechtliche Schnittstelle, schließt sich die Umsatzsteuer teilweise aus Vereinfachungsgründen der lohnsteuerlichen Beurteilung an. Unternehmer begrüßen dies, weil es ihnen die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten vereinfacht. Umso komplexer und aufwendiger wird es dann, wenn ein Sachverhalt augenscheinlich identisch ist, sich die konkrete Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage aber unterscheidet.
 
Gestiegenes Umweltbewusstsein und ertragsteuerliche Begünstigungen lassen Elektrofahrzeuge und Firmenfahrräder immer beliebter werden. Dies führte zu Fragen rund um den Fahrzeugbegriff, zur privaten Nutzung durch den Unternehmer und zur Überlassung an Arbeitnehmer sowie zur Anwendbarkeit ertragsteuerlicher Begünstigungen.
 
2 BMF-Schreiben vom 07.02.2022
Mit seinem Schreiben vom 07.02.2022 äußert sich das BMF erstmals zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Elektrofahrzeugen und Fahrrädern. Abschnitt 15.23 UStAE wird an den Inhalt des Schreibens angepasst. Zudem wird mit dem neuen Abschnitt 15.24 UStAE den immer häufiger anzutreffenden Firmenfahrrädern Rechnung getragen.
 
Das BMF unterscheidet begrifflich „Fahrzeuge“ (vormals: „Firmenwagen“) und „Fahrräder“. Fahrzeuge sind hier alle Arten von Kraftfahrzeugen, die einer Kennzeichen-, Versicherungs- oder Führerscheinpflicht unterliegen (Abschn. 15.23 UStAE), und damit auch Elektrofahrräder. Als Fahrrad gelten gewöhnliche Räder und Elektrofahrräder, die – verkehrsrechtlich gesehen – kein Kraftfahrzeug sind (Abschn. 15.24 UStAE).
 
Bei unternehmensfremder (privater) Nutzung ist eine unentgeltliche Wertabgabe zu versteuern. Die ertragsteuerlichen Begünstigungen (0,5%-Regelung bzw. 0,25%-Regelung bei bestimmten Elektro- bzw. Hybridelektrofahrzeugen; Steuerbefreiung/-ermäßigung für (Elektro-)Fahrräder) finden für Umsatzsteuerzwecke keine Anwendung.
 
Bei Fahrrädern kann der unternehmensfremde Nutzungsanteil mangels Tacho nicht anhand eines Fahrtenbuches festgestellt werden. Sofern dieser Anteil auch nicht im Wege der sachgerechten Schätzung ermittelt wird, kann fortan aus Vereinfachungsgründen auch für Firmenfahrräder die 1%-Regelung Anwendung finden (Abschn. 15.24 Abs. 1 UStAE). Dabei ist jedoch eine Unterscheidung nach dem Nutzer des (Elektro-)Fahrrads zu treffen:
 
  • Nutzung durch den Unternehmer (Abschn. 15.24 Abs. 2 UStAE):
    Die Ermittlung anhand der 1%-Regelung ist möglich. Der Bruttolistenneupreis des Fahrrads wird nicht abgerundet. Zur Abgeltung nicht vorsteuerbehafteter Kosten kann ein Abschlag in Höhe von 20% vorgenommen werden. Der so ermittelte Betrag ist die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage, also ein Nettowert.
 
  • (Entgeltliche) Überlassung an das Personal (Abschn. 15.24 Abs. 3 UStAE):
    Die Ermittlung anhand der 1%-Regelung ist möglich. Der UVP des Herstellers, Importeurs oder Großhändlers im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrrades wird auf volle 100 EUR abgerundet. Es ist kein Abschlag für nicht vorsteuerbehaftete Kosten zulässig. Der so ermittelte Wert ist ein Bruttowert, aus dem die Umsatzsteuer herauszurechnen ist. Unterschreitet der für das Fahrrad anzusetzende Wert 500 EUR, kann auf die Besteuerung verzichtet werden.
 
Letztlich weist das BMF darauf hin, dass die Folgen der EuGH-Entscheidung QM (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 03 | 2021) zur Frage der Besteuerung der Nutzungsüberlassung von Fahrzeugen an das Personal noch diskutiert werden.
 
3 Auswirkungen auf die Praxis
Das BMF-Schreiben weckt gemischte Gefühle. Es stellt klar, dass die Umsatzsteuer und die Lohnsteuer auch bei gleichen Sachverhalten nicht konform gehen. Es müssen zwei unterschiedliche Bemessungsgrundlagen ermittelt werden. Dies vergrößert die Fehleranfälligkeit und führt zu unverhältnismäßig hohen administrativen Kosten für die Unternehmen. Zudem lässt das Schreiben einige wichtige Praxisfragen in Zusammenhang mit z. B. kostenlosem Ladestrom des Arbeitgebers oder dem Aufladen im Privathaushalt leider gänzlich unbeantwortet.
 
Sehr positiv ist hingegen, dass die 1%-Regelung nun flächendeckend für alle (Elektro-)Fahrräder Anwendung findet. Zwei Verfügungen der OFD Niedersachsen vom 03.08.2017 und des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 19.11.2021 hatten in bestimmten Konstellationen Gegenteiliges nahegelegt. Leasingverträge über (Elektro-)Fahrräder sind oftmals auf eine Vollamortisation über 36 Monate ausgelegt. Dies bedeutet vereinfacht Leasingkosten von 2,78% (= 100/36) pro Monat. Die Anwendung der 1%-Regelung führt hier folglich zu einer erheblich niedrigeren Umsatzsteuerbelastung. Das BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Betroffene Unternehmer sollten ihre Abrechnung anpassen und umgehend prüfen, ob sie unter Anwendung der 1%-Regelung Erstattungsanträge für die Vergangenheit stellen können.
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Markus Müller, LL.M.
Steuerberater, Dipl.-Finanzwirt (FH)
Tel: +49 211 54 095 387
E-Mail: markus.mueller@kmlz.de
 

Stand: 18.02.2022