Umsatzsteuer Newsletter 08/2013
7 % oder 19 % Umsatzsteuer auf Speisen und Getränke?
Am 20.03.2013 hat das BMF ein Schreiben zur Umsatzbesteuerung der Abgabe von Speisen und Getränken veröffentlicht. Das Schreiben war lange erwartet worden. Es regelt zunächst ganz allgemein und schließlich anhand von 16 Beispielsfällen, wann der ermäßigte Steuersatz von 7 % anwendbar ist. Die Höhe des Steuersatzes hängt von den konkreten Details des jeweiligen Verkaufsvorgangs ab. Unternehmer sollten dies bei der Gestaltung der Verkaufsvorgänge berücksichtigen.


1. Hintergrund des BMF-Schreibens vom 20.03.2013

Die Abgabe von Speisen unterliegt nur dann dem ermäßigten Steuersatz von 7 %, wenn es sich um eine Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 1 UStG handelt (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i. V. m. Anlage 2 zum UStG). Dasselbe gilt für die Abgabe bestimmter Getränke (z. B. Milch). Werden Speisen hingegen im Rahmen von sonstigen Leistungen i. S. d. § 3 Abs. 9 UStG abgegeben, greift der reguläre Steuersatz von 19 %. Wann die Abgabe von Speisen eine Lieferung und wann eine sonstige Leistung darstellt, damit beschäftigt sich das aktuelle BMF-Schreiben. Es ist eine Reaktion der Finanzverwaltung auf die Rechtsprechung von EuGH und BFH der letzten beiden Jahre. Zugleich reagiert das BMF auf eine Rechtsänderung auf europäischer Ebene (Neuregelung des Art. 6 MwSt-DVO mit Wirkung zum 01.07.2011).

2. Generelle Aussagen des BMF

Nahezu jede Abgabe von Speisen ist mit einem Dienstleistungselement verbunden. Dienstleistungen sind aber nur dann schädlich für den ermäßigten Steuersatz, wenn sie bei einer Gesamtbetrachtung des Vorgangs den Umsatz qualitativ überwiegen. Auf die Anzahl der einzelnen Dienstleistungselemente kommt es nicht an.

Unschädlich sind nach Ansicht des BMF beispielsweise Dienstleistungen, die notwendig mit der Vermarktung verzehrfertiger Speisen verbunden sind, wie beispielsweise:

  • Zubereitung der Speisen,
  • Transport der Speisen zum Ort des Verzehrs einschließlich der damit im Zusammenhang stehenden Leistungen wie Kühlen oder Wärmen,
  • Vereinbarung eines festen Lieferzeitpunkts,
  • übliche Nebenleistungen (z. B. Verpackungen, Beigabe von Einweggeschirr oder -besteck),
  • Bereitstellung von Vorrichtungen, die in erster Linie dem Verkauf von Waren dienen (z. B. Ablagebretter an Kiosken).

Da es auf die Art der Zubereitung nicht mehr ankommt, hat die bisherige Unterscheidung in Standardspeisen und andere Speisen keine umsatzsteuerrechtliche Bedeutung mehr.

Nicht notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden und damit schädlich für den ermäßigten Steuersatz sind hingegen beispielsweise:

  • Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur. Dies sind insbesondere Vorrichtungen, die den bestimmungsgemäßen Verzehr der Speisen und Getränke vor Ort fördern sollen (z. B. Tische und Stühle, Biertischgarnituren),
  • Servieren der Speisen und Getränke,
  • Nutzungsüberlassung von Geschirr und Besteck,
  • Reinigung und Entsorgung von Gegenständen,
  • Individuelle Beratung bei der Auswahl der Speisen und Getränke.

Erfüllen überlassene Gegenstände (Geschirr, Platten etc.) lediglich Verpackungsfunktion, stellt deren Überlassung kein berücksichtigungsfähiges Dienstleistungselement dar. In einem solchen Fall ist auch die Reinigung und Entsorgung dieser Gegenstände unschädlich.

Stellt der speisenabgebende Unternehmer eine die Bewirtung fördernde Infrastruktur bereit, ist dies bereits schädlich für den ermäßigten Steuersatz. Ob der Kunde diese Infrastruktur auch tatsächlich nutzt, ist unerheblich. Anders verhält es sich, wenn der Kunde bereits bei Vertragsschluss erklärt, dass er die Speisen und Getränke nicht vor Ort verzehren, sondern mitnehmen möchte. Dann bleibt eine die Bewirtung fördernde Infrastruktur unberücksichtigt. Die bekannte Frage„zum Hieressen oder zum Mitnehmen“ behält also ihre umsatzsteuerrechtliche Bedeutung.

Dienen Vorrichtungen in erster Linie anderen Zwecken, als den Verzehr von Speisen und Getränken zu erleichtern (z. B. Stehtische, Bestuhlung in Kino, Theater oder Stadion, Sitzgelegenheiten in Wartebereichen von Kinofoyers etc.), bleiben auch diese unberücksichtigt.

3. Aussagen des BMF an 16 Beispielsfällen

Neben diesen generellen Abgrenzungskriterien enthält das BMF-Schreiben 16 Beispielsfälle für unterschiedliche Bereiche: Imbissstände, Catering-/Partyservice-Unternehmer, Mittagsverpflegung an Schulen, Verpflegung in Krankenhäusern, Mahlzeitendienste (= Essen auf Rädern) und „Food Courts“ (= mehrere Unternehmer stellen z. B. in Einkaufszentren gemeinsam Tische und Stühle zur Verfügung).

Auffällig an diesen Beispielen ist, dass das BMF bei der Abgabe von Speisen und Getränken in sozialen Bereichen um eine weite Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bemüht war. Hier werden Leistungselemente teilweise als unschädlich eingestuft, die sonst schädlich sind: Zurverfügungstellung und Reinigung von Mehrweggeschirr beim Essen auf Rädern (Beispiel 14), ebenso die Reinigung des Geschirrs durch Unternehmer in Krankenhäusern (Beispiel 8).

4. Hinweise für die Praxis

Das neue BMF-Schreiben tritt rückwirkend zum 01.07.2011 an die Stelle der bisherigen BMF-Schreiben. Damit knüpft das BMF an den Geltungszeitpunkt des Art. 6 MwSt-DVO an. Die Finanzverwaltung beanstandet es nicht, wenn sich Unternehmer für Umsätze vor dem 01.10.2013 auf die alten, für sie günstigeren BMF-Schreiben berufen.

Unternehmer, die Speisen und Getränke verkaufen, sollten anhand des aktuellen BMF-Schreibens überprüfen, ob sie dabei Dienstleistungen erbringen, die für den ermäßigten Steuersatz schädlich sind. Unternehmer, die Speisen zum Mitnehmen abgeben, sollten dies gesondert dokumentieren. In Einzelfällen können Unternehmer den bestehenden Raum für eine günstige Rechtsgestaltung nutzen.

Ansprechpartner:

Thomas Streit, LL.M. Eur.
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 75
thomas.streit@kmlz.de

Stand: 15.04.2013