Umsatzsteuer Newsletter 18/2013
Neue Vorschriften für die Auslegung der MwStSystRL
Der EU-Rat hat am 21.06.2013 die Neufassung der EU-Verordnung 282/2011 beschlossen. Der größte Teil betrifft die Bestimmungen über den Ort der Telekommunikations-, Rundfunk- und elektronischen Dienstleistungen, die mit Wirkung zum 01.01.2015 geändert werden. Es wurden aber auch Änderungen bezüglich grundstücksbezogener Leistungen vorgenommen. Unternehmen sollten sich frühzeitig mit diesen Auslegungsregeln vertraut machen, denn die EU-Verordnung ist unmittelbar geltendes Recht. Es bedarf keines weiteren Umsetzungsaktes.

Am 01.07.2011 ist die neue EU-Verordnung 282/2011 (EU-VO) in Kraft getreten. Sie regelt verschiedene Zweifelsfragen bei der Auslegung des Mehrwertsteuerrechts einheitlich in ganz Europa. Die MwStSystRL sieht zum 01.01.2015 Änderungen beim Ort der Dienstleistung vor. Dann sind Telekommunikations-, Rundfunk- und elektronische Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige in dem Mitgliedstaat zu versteuern, in dem der Dienstleistungsempfänger ansässig ist. Im Hinblick auf diese Änderungen wurde die EU-VO um wichtige Auslegungsregelungen ergänzt, die ab 01.01.2015 gelten. Zudem wurden in die EU-VO Regelungen in Bezug auf grundstücksbezogene Leistungen und die Gewährung von Eintrittsberechtigungen aufgenommen.

1. Telekommunikations-,Rundfunk- und elektronische Dienstleistungen

1.1 Definition

Art. 7 EU-VO enthält bereits eine Definition und eine beispielhafte Auflistung der elektronisch erbrachten Dienst-
leistungen. Der neue Art. 6a EU-VO definiert die Telekommunikationsdienstleistungen und Art. 6b EU-VO die Hörfunk- und Fernsehdienstleistungen.

1.2 Festlegung des Leistungserbringers

Elektronische Dienstleistungen werden auch über Telekommu­ni­kationsnetze, Schnittstellen oder Portale (wie etwa App Stores) erbracht. Telefondienste werden wiederum über das Internet erbracht. Für all diese Fälle ist es erforderlich festzulegen, wer als Erbringer der Dienstleitung anzusehen ist.

1.2.1 Grundsatz: Leistungskommission

Nach Art. 9a Abs. 1 EU-VO ist davon auszugehen, dass ein an der Erbringung der elektronischen Dienstleistung beteiligter Steuerpflichtiger im eigenen Namen, aber für Rechnung des Erbringers der elektronischen Dienstleistungen tätig ist. Damit ist grundsätzlich von einer Leistungskommission nach Art. 28 MwStSystRL (§ 3 Abs. 11 UStG) auszugehen. Demnach erbringt der Erbringer der elektronischen Dienstleistung seine Leistung an das Telekommunikationsunternehmen und das Telekommunikationsunternehmen erbringt eine Leistung an den (in der Regel nichtsteuerpflichtigen) Endkunden.

1.2.2 Vermeidung der Leistungskommission

Nach Art. 9a Abs. 1 EU-VO solle es aber möglich sein, die Dienstleistungskommission zu verhindern. Eine solche ist nicht anzunehmen, wenn der Erbringer der elektronischen Dienstleistung vom Steuerpflichtigen (Telekommunikations-
unternehmen) ausdrücklich als Leistungserbringer genannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Hierfür ist erforderlich, dass sowohl in allen Rechnungen, die ein an der Leistungserbringung beteiligter Steuerpflichtiger ausstellt, als auch in der Rechnung oder Quittung an den Endkunden die elektronischen Dienstleistungen und der Erbringer dieser Dienstleistungen angegeben sind. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, gelten die elektronischen Dienstleistungen als direkt gegenüber dem (nichtsteuerpflichtigen) Endkunden erbracht. Fraglich in diesem Zusammenhang ist, ob eine ausdrückliche Nennung des Erbringers und der elektronischen Dienstleistungen erforderlich ist oder Abkürzungen, Zahlen oder Symbole verwendet werden können.

1.2.3 Ausnahme für Zahlungsdienstleister

Die Grundsätze der Leistungskommission gelten jedoch nicht, wenn ein Steuerpflichtiger lediglich für die Abwicklung von Zahlungen in Bezug auf die elektronischen Dienstleistungen eingeschaltet ist (Art. 9a Abs. 3 EU-VO). Zahlungsdienstleister (z. B. Kreditkartenunternehmen, PayPal, SMS Payment Service Provider) sind nicht an der Erbringung der elektronischen Dienstleistung beteiligt.

1.3 Ansässigkeit des Nichtsteuerpflichtigen

Die neu eingeführten Art. 24a bis 24fa EU-VO enthalten Vermutungsregelungen hinsichtlich der Ansässigkeit des Leistungsempfängers. Der Leistungserbringer kann die Vermutung widerlegen, wenn er über drei einander nicht widersprechende Beweismittel verfügt, aus denen hervorgeht, dass der Leistungsempfänger an einem anderen Ort ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Die geeigneten Beweis­mittel (z. B. Rechnungsanschrift, IP-Adresse, Mobilfunk-Ländercode) sind in Art. 24ga EU-VO aufgeführt.

2. Grundstücksbezogene Leistungen

Um eine einheitliche Behandlung von grundstücksbezogenen Leistungen zu gewährleisten, wurden entsprechende Auslegungsregelungen in die EU-VO aufgenommen. Die entsprechenden Neuerungen in den Art. 13b, 31a und 31b EU-VO gelten zwar erst ab dem 01.01.2017, sie werden aber bereits vorher bei Zweifelsfragen herangezogen werden können.

2.1 Definition„Grundstück“

Mit Art. 13b wird eine Definition des Begriffes Grundstück eingeführt. Diese beruht auf den Leitlinien aus der 93. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses vom 01.07.2011. Das BMF hat mit seinem Schreiben vom 18.12.2012 die Grundstücksdefinition bereits angepasst (vgl. Abschn. 3a.3 Abs. 2 Satz 2 UStAE).

2.2 Beispielfälle

Der neueingeführte Art. 31a EU-VO enthält in Abs. 2 eine Liste mit Beispielfällen, die typischerweise als grundstücksbezogene Leistungen gelten. Abs. 3 hingegen führt Umsätze auf, die keinen ausreichend direkten Zusammenhang mit einem Grundstück aufweisen. Die Auflistung der Umsätze ist beispielhaft und nicht vollständig. Diese Beispielfälle wurden ebenfalls durch das BMF-Schreiben vom 18.12.2012 in Abschn. 3a.3 Abs. 3 bis 10 UStAE aufgenommen.

3. Verkauf von Eintrittskarten

Mit Art. 33a EU-VO soll klargestellt werden, dass auch der Verkauf von Eintrittskarten durch andere Unternehmer als die Veranstalter als am Veranstaltungsort erbracht gilt. Das BMF hat die unterschiedliche Behandlung von Veranstaltern und Zwischenhändlern bereits geändert und Abschn. 3a.6 UStAE angepasst (vgl. Newsletter 13/2013).

Ansprechpartner:

Evline Beer
Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Tel.: 089 / 217 50 12 - 35
evline.beer@kmlz.de

Stand: 19.07.2013