Umsatzsteuer Newsletter 22/2013
Leistungen von Berufsbetreuern rückwirkend steuerfrei – BFH-Urteil weckt Hoffnung auf mehr
Berufsbetreuer können sich rückwirkend auf Unionsrecht berufen und damit Steuererstattungen mit Wirkung für die Vergangenheit geltend machen. Die neue Rechtsprechung des BFH und EuGH legt nahe, dass die nationalen Steuerbefreiungsnormen bisher zu eng ausgelegt wurden.

1. Betreuungsleistungen bis zum 30.06.2013

Der BFH hat mit Urteil vom 25.04.2013 (V R 7/11) entschieden, dass sich Berufsbetreuer unmittelbar auf das für sie günstigere Unionsrecht berufen können. Die Entscheidung erging zur Klage einer gerichtlich bestellten Berufsbetreuerin. Die Klägerin begehrte die Steuerfreiheit ihrer Betreuungsleistungen i. S. v. § 1896 BGB. Der BFH hat nunmehr festgestellt, dass diese Leistungen steuerfrei sind. Zwar sind sie weder von § 4 Nr. 16 UStG a. F. noch von § 4 Nr. 18 UStG a. F. erfasst. Die Steuerfreiheit ergibt sich nach Auffassung des BFH jedoch unmittelbar aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Nach dieser Vorschrift sind eng mit der Fürsorge verbundene Dienstleistungen von anerkannten Einrichtungen mit sozialem Charakter von der Steuer befreit. Leistungen nach § 1896 BGB sind nach Auffassung des BFH dabei unstreitig eng mit der Sozialfürsorge verbunden.

Fraglich war, ob die Klägerin als natürliche Person auch als „anerkannte soziale Einrichtung“ angesehen werden kann. Dies bejaht der BFH (vgl. dazu auch unten Tz. 4). Gründe hierfür sind zum einen die gerichtliche Bestellung und Überwachung. Zum anderen gebietet der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dieses Ergebnis. Denn sog. gemeinnützige Betreuungsvereine erbringen mit ihren Leistungen i. S. d. § 1896 BGB ebenfalls steuerfreie Leistungen. Demzufolge müssten auch die Leistungen der Berufsbetreuer steuerfrei behandelt werden.

2. Empfehlungen für die Praxis

Soweit zurückliegende Steuerfestsetzungen noch änderbar sind, sollten Berufsbetreuer rückwirkend die Steuerfreiheit ihrer Leistungen begehren. Eine Änderung wird regelmäßig für alle Jahre ab 2008 möglich sein. Zu beachten ist jedoch, dass hiermit eine Einschränkung des Vorsteuerabzugs verbunden sein kann. Unverständlich ist die Verfügung des LFD Thüringen v. 17.07.2013, wonach zunächst die Erörterung durch Bund und Länder abzuwarten sei.

3. Betreuungsleistungen seit dem 01.07.2013

Mit Wirkung zum 01.07.2013 hat der Gesetzgeber die Steuerbefreiung für Betreuungsleistungen angepasst. Nunmehr sind auch die Leistungen der Berufsbetreuer, Vormünder und Ergänzungspfleger nach der Neufassung des § 4 Nr. 16 Buchst. k UStG steuerfrei.

4. Anerkannte Einrichtungen mit sozialem Charakter

Die Umsatzsteuerbefreiung der Berufsbetreuer mag nun für die Zukunft und auch für die Vergangenheit geklärt sein. Das Urteil ist aber insbesondere vor dem Hintergrund interessant, was unter einer „Einrichtung mit sozialem Charakter“im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zu verstehen ist.

Aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Zimmermann steht fest, dass es grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedsstaats ist, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen eine soziale Anerkennung gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen (vgl. EuGH, Urt. v. 15.11.2012, Az.: C-174/11 – Zimmermann).

 Der BFH hat nunmehr in seinem Urteil zu den Berufsbetreuern festgestellt, dass eine Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne des Unionsrechts vorliegt, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Bestehen spezifischer Vorschriften,
  • Vorliegen eines mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundenen Gemeinwohlinteresses,
  • Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung gekommen sind sowie
  • Kostenübernahme durch andere Einrichtung der sozialen Sicherheit.

Nach der Rechtsprechung des BFH steht fest, dass auch natürliche Personen als „Einrichtung mit sozialem Charakter“ angesehen werden können. Vor dem Hintergrund des Wortlauts des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL stellt sich aber die Frage, ob eine natürliche Person, die Dienstleistungen der Sozialfürsorge erbringt, zusätzlich die Voraussetzung „anerkannte soziale Einrichtung“ erfüllen muss.

Der Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sieht dies jedenfalls nicht vor. Dieser lautet wie folgt:

 Steuerfrei sind …

„eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden“.

Mit dem Wörtchen „einschließlich“ macht der Unionsgesetzgeber deutlich, dass er alle in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL nachfolgend aufgezählten Einrichtungen in die Steuerbefreiung einbezieht. Dies bedeutet, dass grundsätzlich alle „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen“, die von natürlichen Personen erbracht werden, als steuerbefreit zu behandeln sind. Auf die weitere Voraussetzung, dass es sich um eine anerkannte soziale Einrichtung handelt, kommt es bei natürlichen Personen gerade nicht an. Oder anders formuliert: Die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL aufgeführten Einrichtungen „Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“sind vom Unionsgesetzgeber – obgleich es sich nicht um natürliche Personen handelt – positiv in den Steuerbefreiungstatbestand aufgenommen worden.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer,
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 03.09.2013