Umsatzsteuer Newsletter 15/2014
Neuregelung zur Besteuerung der öffentlichen Hand
Der erste Vorschlag zur Änderung der Besteuerung der öffentlichen Hand liegt nunmehr vor. Mit der Neuregelung in § 2b UStG sollen einerseits die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung umgesetzt werden. Andererseits ist die Neuregelung aber auch der Versuch, die Zusammenarbeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts von der Umsatzsteuer zu entlasten.

1. Hintergrund der Neuregelung

BFH und EGH haben in den vergangenen Jahren wiederholt die Richtlinienwidrigkeit der Besteuerung von Körperschaften des öffentlichen Rechts (KöR) festgestellt. Insbesondere wurde bemängelt, dass das Wettbewerbskriterium des Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 MwStSystRL nicht in nationales Recht umgesetzt wurde. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass ein Tätigwerden auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag stets zur Annahme der Unternehmereigenschaft führt. Übt die KöR ihre Tätigkeit hingegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (z. B. durch Verwaltungsakt) aus, ist sie als Unternehmer zu behandeln, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Die höchstrichterliche Rechtsprechung fand ihre „Krönung“ schließlich in der Feststellung, dass auch sog. Beistandsleistungen, also Umsätze von einer KöR gegenüber einer anderen KöR, der Umsatzsteuer unterliegen, wenn Wettbewerb zu Dritten besteht. Damit stand die verwaltungsökonomische Zusammenarbeit von KöR untereinander auf dem Spiel, da plötzlich die Gefahr von Kostenmehrungen durch Umsatzsteuer bestand.

Finanzverwaltung und Gesetzgeber waren also zum Handeln aufgefordert. Obgleich der BFH die richtlinienkonforme Auslegung des nationalen § 2 Abs. 3 UStG für geboten hält – eine Auslegung, zu der eigentlich auch die Finanzverwaltung verpflichtet ist –, haben Bund und Länder entschieden, dass die Urteile nicht amtlich veröffentlicht werden. Die Regierungsparteien haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, dass die interkommunale Zusammenarbeit weiterhin nicht besteuert werden soll.

2.   Geplante Neuregelung

 Zukünftig soll die Besteuerung von KöR in einem neuen § 2b UStG geregelt werden. Die Neuregelung soll auszugsweise folgenden Inhalt haben:

„(1) Vorbehaltlich des Absatzes 4 gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer im Sinne des § 2, soweit sie Tätigkeiten aus­üben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Satz 1 gilt nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

(2) Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen nicht vor, wenn

1. der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraussichtlich 17.500 Euro jeweils nicht übersteigen wird oder

2. vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§  9) einer Steuerbefreiung unterliegen.

(3)  Sofern eine Leistung an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeführt wird, liegen größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vor, wenn

1. die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen oder 

2. die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn

a) die Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen,

b) die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen,

c) die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden

und

d) der Leistende im Wesentlichen für andere juristische Personen des öffentlichen Rechts tätig wird. ….“

3.   Erste Einschätzung

Mit der vorgeschlagenen Änderung wird der Versuch unternommen, die derzeit bestehende Besteuerungspraxis weitgehend nicht anzutasten. Sogenannte Beistandsleistungen bleiben auch zukünftig von der Besteuerung ausgenommen. Im Gegensatz zum bisherigen Recht werden die Voraussetzungen nunmehr aber gesetzlich normiert. Dies geschieht über den Kunstgriff des EU-Beihilferechts, wonach von keinem Wettbewerb auszugehen ist, wenn langfristige Vereinbarungen vorliegen und die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur dienen. Die Gesetzesbegründung nimmt auf das Urteil des EuGH in der Rs. Hamburger Stadtreinigung (vgl. Urt. v. 09.06.2009, C – 480/06) Bezug.

Die entscheidende Frage wird zukünftig sein, ob Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage oder auf Grundlage öffentlich-rechtlicher Vereinbarungen erbracht werden. Nur im letztgenannten Fall kann überhaupt ein hoheitliches Handeln in Frage kommen. Was genau mit „Handeln auf  Grundlage öffentlich-rechtlicher Regelungen“ gemeint ist, bleibt jedoch unklar. Eine nähere Definition fehlt. In der Begründung heißt es lediglich, dass ein solches Handeln z. B. bei öffentlich-rechtlichem Vertrag, einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung oder bei Handeln durch Verwaltungsakt vorliegt. Damit ist Streit vorprogrammiert, denn ein öffentlich-rechtlicher Vertrag entsteht nicht schon durch Überschrift. Vielmehr sind spezifische Normen wie z. B. § 54 VwVfG einzuhalten. Für bestimmte Arten von KöR wird dies aber eine Herausforderung sein (Kirchen, Kammern usw.), da keine gesetzlichen Normen wie z. B. Art. 7 bayKommZG bestehen, die die Zusammenarbeit regeln.

Bei allen Schwierigkeiten, die die Neuregelung bringen wird, ist der Versuch des Gesetzgebers anzuerkennen, die Zusammenarbeit von KöR unter bestimmten Voraussetzungen von der Steuerpflicht auszunehmen. Dies soll sogar für solche Leistungen gelten, die nicht unmittelbar dem Bereich der öffentlichen Gewalt zuzuordnen sind, sondern lediglich der öffentlichen Aufgabenwahrnehmung dienen. Es bleibt lediglich die Einschränkung zu beachten, dass die Leistungen im Wesentlichen für andere KöR erbracht werden, also nicht auch ggü. privaten Dritten erbracht werden. Die spannende Frage, ab wann die Neureglung wirken soll, bleibt unbeantwortet. Dem Vernehmen nach ist nicht mit einer Anwendung vor dem Jahr 2018 zu rechnen. Es werden sich in diesem Zusammenhang auch Fragen in Bezug auf die Vorsteuerberichtigung stellen.

Für KöR bedeutet dieser Gesetzesvorschlag, dass man schon heute versuchen sollte, sich in das Gewand des öffentlich-rechtlichen Handelns zu kleiden. Nur dann gibt es noch Ansätze, der Besteuerung zu entgehen. Ist dies nicht möglich, so sollte bei Abschluss von langfristigen Verträgen eine Steuerklausel aufgenommen werden, wonach die USt bei der Gesetzesänderung u. U. nachgefordert werden kann.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 01.07.2014