Umsatzsteuer Newsletter 16/2014
BFH zur zeitlichen Beschränkung des Vorsteuerabzugs
Der BFH hat in einer neuen Entscheidung (Urt. v. 13.02.2014 – V R 8/13) seine bisherige Rechtsprechung zu den zeitlichen Grenzen des Vorsteuerabzugs bestätigt. Demnach kann ein Unternehmer den Vorsteuerabzug nur in dem Besteuerungszeitraum geltend machen, in dem die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erstmalig vorlagen. Die Geltendmachung in einem späteren Zeitraum ist ausgeschlossen. Gegebenenfalls muss der Unternehmer eine berichtigte Erklärung für den betreffenden Zeitraum abgeben. Der BFH musste in dem Verfahren wider Erwarten nicht entscheiden, ob der Unternehmer die Einfuhrumsatzsteuer in bestimmten Fällen auch ohne Verfügungsmacht als Vorsteuer abziehen kann.


1. Ausgangsverfahren

Die Entscheidung des BFH überrascht auf den ersten Blick. Ging es in der erstinstanzlichen Entscheidung des FG Hamburg doch nicht um den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs. Vielmehr stand dort die Frage im Mittelpunkt, ob auch ein Lagerhalter zum Vorsteuerabzug aus der geschuldeten Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) berechtigt ist, wenn dieser keine Verfügungsmacht an den maßgeblichen Waren hatte.
Der Unternehmer kann die EUSt nämlich grundsätzlich nur dann als Vorsteuer abziehen, wenn diese EUSt bei einer Einfuhr eines Gegenstands für sein Unternehmen entsteht. Nach Auffassung der Finanzverwaltung und Recht-sprechung setzt dies voraus, dass der Unternehmer zum Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht am jeweiligen Gegenstand hat. Der Vorsteuerabzug für Kommissionäre, Leasingnehmer, mit der Einfuhr beauftragte Dritte, z. B. Spediteure, oder auch Lagerhalter ist damit regelmäßig ausgeschlossen.

2. Entscheidung

Auf diese Rechtsfrage musste der BFH mangels Entscheidungserheblichkeit jedoch gar nicht eingehen. Er äußert sich zu der vom FG Hamburg aufgeworfenen Rechtsfrage nicht einmal in einem Nebensatz.

Vielmehr bestätigt der BFH mit der vorliegenden Entscheidung eine Entscheidung des 11. Senats zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs (Urt. v. 01.12.2010 – XI R 28/08). Die Finanzverwaltung schloss sich dieser Auffassung an (Abschn. 15.2 Abs. 1 S. 7 UStAE).

Im Ausgangsverfahren ging es um EUSt, welche die Zollverwaltung per Bescheid im Jahr 2008 gegen die Klägerin festsetzte. Die Klägerin machte den Vorsteuerabzug hieraus jedoch erst im Jahr 2009 geltend.
Der BFH lehnte den Vorsteuerabzug im Jahr 2009 ab und begründete seine Entscheidung mit dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 S. 1 UStG. Danach sind von der im jeweiligen Besteuerungszeitraum geschuldeten Umsatzsteuer die gem. § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen. Dieses Ergebnis kann er mit Art. 178 und Art. 179 MwStSystRL untermauern.

Die Aussage des BFH bezieht sich damit nicht nur auf den Abzug der EUSt als Vorsteuer, sondern auf den Vorsteuerabzug allgemein.

3. Konsequenzen für die Praxis

In der Praxis ist die zeitliche Begrenzung der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs nicht unbekannt. So können ausländische Unternehmer im Vergütungsverfahren die Vergütung eines Vorsteuerbetrags auch nur für das Jahr beantragen, in dem das Recht zum Vorsteuerabzug entstand.

Dennoch ist es in Unternehmen nicht selten üblich Vorsteuern der Einfachheit halber im laufenden Erklärungszeitraum geltend zu machen, selbst wenn der Vorsteuerabzug eigentlich einem anderem Besteuerungszeitraum zuzuord-nen ist. Auch wenn Betriebsprüfer dies eher selten aufgreifen, ist dies für den Unternehmer nicht ohne Risiko. Schließlich müsste auf Basis einer entsprechenden Feststellung des Betriebsprüfers der Vorsteuerabzug versagt werden. Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs durch Abgabe einer berichtigten Anmeldung für zutreffenden Besteuerungszeitraum ist zwar grundsätzlich möglich. Sie hängt aber davon ab, ob die Steuerfestsetzung für diesen Zeitraum materiell bestandskräftig ist oder nicht. Ist die Festsetzung nicht mehr änderbar, kommt der Abzug des fraglichen Vorsteuerbetrags nach der Entscheidung des BFH nicht mehr in Betracht. Aus diesem Grund verbietet sich für Unternehmer auch die bewusste Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus abgabenrechtlichen Gründen.

Die zeitliche Begrenzung des Vorsteuerabzugs betrifft nicht die Fälle, in denen die mit Vorsteuern belastete Rechnung erst später eingegangen ist, z. B. weil eine Rechnungskorrektur erforderlich war oder das Original auf dem Postweg verloren ging.

Schwierig dürfte in der Praxis aber der Vorsteuerabzug aus durch einen Dritten verauslagte EUSt sein, wenn dieser die verauslagte EUSt erst sehr spät weiterbelastet (z. B. weil der Unternehmer, der ursprünglich den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat, mangels Verfügungsmacht hierzu gar nicht berechtigt war). Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist für die zeitliche Zuordnung wohl die Entstehung der EUSt (Datum des Einfuhrabgabenbescheids) und nicht deren Weiterbelastung maßgeblich. In diesen Fällen besteht damit ein hohes Risiko, dass der eigentlich Abzugsberechtigte den Vorsteuerabzug nicht mehr geltend machen kann, weil die Festsetzung im betreffenden Besteuerungszeitraum nicht mehr änderbar ist.

 

 

Ansprechpartner:

Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater
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Stand: 04.07.2014