Umsatzsteuer Newsletter 17/2014
Reiseleistungen: BFH bestätigt Abweichung zu EU-Recht
Der BFH bestätigt zum wiederholten Mal, dass die deutsche Regelung zur Differenzbesteuerung von Reiseleistungen den unionsrechtlichen Vorgaben widerspricht. Solange der Gesetzgeber § 25 UStG nicht anpasst, kann sich bei grenzüberschreitenden Reiseleistungen deshalb je nach Konstellation eine Doppel- oder eine Nichtbesteuerung ergeben. Nicht nur Unternehmen, die Reiseleistungen erbringen, sollten deshalb prüfen, wie sie eine Doppelbesteuerung vermeiden können oder ob eventuell – auf legalem Weg – eine Nichtbesteuerung möglich ist. Dies gilt auch für Eventveranstalter oder branchenfremde Unternehmen, die Reiseleistungen im weitesten Sinne verrechnen. Bereits eine konzerninterne Weiterbelastung von Kosten kann darunterfallen.

1. Sachverhalt

Die Klägerin stellte Leistungspakete zusammen, die sie an Busreiseunternehmer verkaufte, die ihrerseits Pauschalreisen anbieten. Die Leistungspakete beinhalteten Übernachtungsleistungen mit Verpflegung, die die Klägerin bei ausländischen Hotels einkaufte. Das Finanzamt und die Klägerin behandelten die Beherbergungsleistungen übereinstimmend als grundstücksbezogene Leistungen i.S.v. § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG a.F. (= § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG n.F.). Sie gelten als dort erbracht, wo das Hotel gelegen ist. Somit wurde dieser Teil des Leistungspakets als nicht in Deutschland, sondern im jeweiligen Reiseland steuerbar angesehen. Die Verpflegungsleistungen qualifizierte die Klägerin als Nebenleistungen zur Beherbergungsleistung und damit ebenfalls als steuerbar im Belegenheitsland des jeweiligen Hotels. Das Finanzamt behandelte die Verpflegungsleistungen jedoch als selbstständige, nach § 3a Abs. 1 UStG a.F. am Sitz des Unternehmens der Klägerin in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Leistungen.

2. Entscheidung des BFH

Das Urteil des BFH vom 20.03.2014 (V R 25/11) scheint auf den ersten Blick nur Hotelleistungen zu betreffen. Der BFH kommt insoweit auch zu keinem überraschenden Ergebnis. Er wiederholt vielmehr die Grundsätze seiner Urteile vom 15.01.2009 (V R 9/06) und 21.11.2013 (V R 33/10). 

2.1 Nebenleistung / Leistungsort

Der BFH bestätigt, dass Verpflegungsleistungen eines Hotels Nebenleistungen zur Beherbergungsleistung sind. Dementsprechend waren die von den ausländischen Hotels eingekauften und im Rahmen der Leistungspakete verkauften Verpflegungsleistungen im Belegenheitsland des Hotels steuerbar. Seit 2010 kommt man aber für derartige Fälle in der Regel ohnehin zu keinem anderen Ergebnis. Nach § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG n.F. liegt der Leistungsort für Restaurationsleistungen dort, wo sie tatsächlich erbracht werden, also auch im jeweiligen Reiseland

2.2 Ermäßigter Steuersatz

Der BFH hatte bereits im Urteil vom 24.04.2013 (XI R 3/11) entschieden, dass nur die Beherbergungsleistung dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, nicht aber die Verpflegungsleistung. Dies steht auch nicht im Widerspruch zum Grundsatz, dass Haupt- und Nebenleistungen einheitlich zu behandeln sind. Eine Ausnahme hiervon macht die Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG, die ein Aufteilungsgebot für Zwecke des Steuersatzes normiert: Danach sind alle Leistungen, die nicht unmittelbar der Beherbergung dienen, vom ermäßigten Steuersatz ausgeschlossen. Die Ermächtigung hierzu ergibt sich aus Art. 98 MwStSystRL.

2.3 Reiseleistungen

Der BFH stellt auch klar, dass die Leistungen der Klägerin nicht unter die Sonderregelung des § 25 UStG fallen. Denn diese Regelung gilt nach ihrem Wortlaut nur für Reiseleistungen, die nicht an Unternehmer erbracht werden. Für Reiseleistungen an andere Unternehmer (sog. Kettenge-schäft) ist § 25 UStG daher nicht anwendbar. Zwar hat der EuGH mit Urteil vom 26.09.2013 (C-189/11, siehe hierzu Newsletter 28/2013) entschieden, dass Art. 306 ff. MwStSystRL zur Margenbesteuerung bei der Erbringung von Reiseleistungen unabhängig von der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers anzuwenden ist. Die Klägerin hat sich jedoch nicht auf diese Vorschrift berufen, sodass es ohne Anwendung des § 25 UStG bei der Einzelbetrachtung der Leistungen verblieb.

3. Praxishinweise

Nach den klaren Feststellungen des BFH haben die Unternehmen ein Wahlrecht, § 25 UStG in der aktuellen Fassung anzuwenden oder sich direkt auf die weiter gefasste Regelung der MwStSystRL zu berufen.
Dies eröffnet einen Gestaltungsspielraum. Rechnet z. B. ein in Deutschland ansässiger Unternehmer Hotel, Verpflegung und Flughafentransfer in Spanien an einen Unternehmer ab, unterliegt dies nicht der Umsatzsteuer. Spanien verweist das Besteuerungsrecht an Deutschland, da Reiseleistungen an Unternehmer der Margenbesteuerung am Sitz des Leistenden unterliegen. Deutschland schränkt die Besteuerung über § 25 UStG aber auf Reiseleistungen an Nichtunternehmer ein. Damit verweist Deutschland die Besteuerung über § 3a Abs. 3 und § 3b UStG an Spanien. Es ergibt sich also eine Nichtbesteuerung.

Wenn z. B. deutsche Eventagenturen keine Umsatzsteuer an ihre deutschen Kunden verrechnen, kann dies insbesondere für Kunden mit Vorsteuerabzugsbeschränkungen, wie Banken und Versicherungen, von Vorteil sein. Deren Kosten verringern sich damit faktisch um die nicht berechnete Umsatzsteuer. Zwar sind bei Anwendung der Margenbesteuerung in vielen Ländern die Vorsteuern nicht abzugsfähig. Die Eventagenturen können deshalb im Veranstaltungsland keinen Vorsteuerabzug geltend machen, sodass sich ihre Kosten erhöhen. Diese zusätzlichen Kosten würden auch an die Kunden weitergegeben werden, sodass der Vorteil der Nichtbesteuerung geschmälert würde. Nicht wenige Eventagenturen haben aber bisher bereits die Bruttokosten weiterbelastet, so dass am Ende doch der Vorteil der Nichtbesteuerung bleibt.

Ähnliches gilt für Leistungen in Deutschland, die von im Ausland ansässigen Unternehmern an andere Unternehmer erbracht werden. Hier droht eine Doppelbesteuerung, die nur vermieden werden kann, wenn sich der Leistungsempfänger auf die günstigere MwStSystRL beruft und deshalb keine Steuerschuld auf ihn übergehen kann.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 14.07.2014