Umsatzsteuer Newsletter 20/2014
Umsatzsteuerbetrug: Finanzverwaltung setzt Merkblatt zur Bekämpfung ein
Die Finanzverwaltung hat ein Merkblatt zur Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbots verfasst, welches an ausgewählte Unternehmer ausgehändigt wird. In diesem zählt sie zahlreiche aus ihrer Sicht verdächtige Umstände auf, welche Unternehmer bei der Geschäftsabwicklung zu beachten haben. Eine Nichtbeachtung dieser Umstände kann nach Ansicht der Finanzverwaltung auf die Einbeziehung in einen Umsatzsteuerbetrug hindeuten und die Versagung des Vorsteuerabzugs oder der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung nach sich ziehen. Unternehmer, die ein solches Merkblatt ausgehändigt bekommen haben, sollten die darin genannten Umstände strikt beachten und dies entsprechend dokumentieren.

1. Finanzverwaltung verstärkt Vorgehen gegen Umsatsteuerbetrugsaktivitäten
Die Finanzverwaltung verstärkt weiter ihr Vorgehen gegen Umsatzsteuerbetrugsaktivitäten. Seit einiger Zeit händigt sie an ausgewählte Unternehmer ein vierseitiges Schreiben mit der Überschrift „Merkblatt zur Umsatzsteuer, Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbots“ aus. In diesem sind insgesamt 40 aus Sicht der Finanzverwaltung verdächtige Umstände aufgezählt.

2. BMF-Schreiben vom 07.02.2014
Das Merkblatt steht in engem Zusammenhang mit dem BMF-Schreiben vom 07.02.2014. Nach diesem BMF-Schreiben soll es ausreichen, dass die Finanzbehörde objektive Umstände, dass der Unternehmer von einem Umsatzsteuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen substantiiert vorträgt. Sofern die Finanzbehörde dem nachkäme, obläge es im Rahmen seiner Feststellungslast dem Unternehmer, dies zu widerlegen. Hierzu müsse er nachweisen, dass er alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind.

3. Widerspruch zur EuGH-Rechtsprechung
Das BMF-Schreiben vom 07.02.2014 steht im Widerspruch zur aktuellen Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzug: Hiernach müssen die Finanzbehörden die objektiven Umstände dafür, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bezogene Eingangsumsatz in eine Steuerhinterziehung einbezogen war, rechtlich hinreichend nachweisen.

4. Mögliche Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung
Die Finanzbehörden machen den Unternehmer mit dem Merkblatt „darauf aufmerksam, dass er bei der Anbahnung und Abwicklung von Geschäften auf ungewöhnliche Geschäftsverhältnisse achten muss“. Dem Unternehmer werde „deshalb zur Kenntnis gebracht, dass die im Merkblatt genannten Umstände darauf hindeuten können, dass ein Unternehmen in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden sein kann“. Lägen derartige objektive Umstände vor und habe der Unternehmer insbesondere die im Merkblatt genannten Anhaltspunkte ignoriert oder übersehen könne im Einzelfall

• die Versagung des Vorsteuerabzugs,
• die Versagung der Steuerfreiheit bei innergemeinschaftlichen Lieferungen oder
• eine Haftung für schuldhaft nicht abgeführte Umsatzsteuer (§ 25d UStG)

als mögliche Rechtsfolge in Betracht kommen.

5. Verdächtige Umstände
Die Finanzverwaltung zählt in dem Merkblatt insgesamt 40 Anhaltspunkte auf, die aus ihrer Sicht auf die Einbindung in Umsatzsteuerbetrugsaktivitäten hindeuten können. Hierbei wird wie folgt differenziert:

• durch den Unternehmer allgemein zu beachtende Umstände,
• durch den Unternehmer beim Kauf bezüglich des Lieferanten zu beachtende Umstände sowie
• durch den Unternehmer beim Verkauf hinsichtlich des Abnehmers zu beachtende Umstände

6. Finanzverwaltung schießt über das Ziel hinaus
Die Finanzverwaltung schießt mit dem Merkblatt über das Ziel hinaus: Insbesondere stuft sie in dem Merkblatt zahlreiche für sich betrachtet völlig übliche Geschäftsumstände – z. B. nicht vorhandene Lagerräume oder Einlagerungen bei einer Spedition – als verdächtig ein. Das Merkblatt der Finanzverwaltung hat zur Folge, dass betroffene Unternehmer „präventiv bösgläubig“ gemacht werden. Offenbar soll ihnen im Zuge des Merkblatts zugleich der Weg abgeschnitten werden, sich auf die aktuelle und günstige EuGH-Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug zu berufen.

7. Sorgfältige Überprüfung der Geschäftspartner sowie sorgfältige Dokumentation
Unternehmer sollten sich im Zuge einer strikten Beachtung der in dem Merkblatt dargestellten Umstände und einer sorgfältigen Überprüfung ihrer Vertragspartner absichern. Die Überprüfungen sowie das Ergebnis der Überprüfungen sind für jeden Vertragspartner separat zu dokumentieren und aufzubewahren. Außerdem sollte gegen unter Bezugnahme auf das Merkblatt begründete Steuerbescheide im Einspruchs- und Klageverfahren vorgegangen werden und die Unvereinbarkeit des Merkblatts mit der Rechtsprechung des EuGH geltend gemacht werden.

Ansprechpartner:

Dr. Daniel Kaiser
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 62
daniel.kaiser@kmlz.de

Stand: 22.09.2014