Umsatzsteuer Newsletter 21/2014
Reverse-Charge bei grenzüberschreitenden Innenumsätzen
Umsätze in Form von sonstigen Leistungen zwischen Stammhaus und der ausländischen Betriebsstätte wurden bislang als nicht steuerbare Innenumsätze behandelt. Der Grundsatz der Einheit des Unternehmens galt auch über die Grenze hinaus. Der EuGH hat diesen Grundsatz eingeschränkt. Das Reverse-Charge-Verfahren soll gelten, wenn die ausländische Betriebsstätte einer Organschaft in dem anderen Land angehört.

1. Problemstellung
Grenzüberschreitende Umsätze zwischen dem Stammhaus und der ausländischen Betriebsstätte sind grundsätzlich als nicht steuerbare Innenumsätze zu behandeln. Denn der Unternehmerbegriff hört an der Grenze nicht auf. Dieser Grundsatz wird bislang nur bei Warenbewegungen über die Grenze durchbrochen. Hier liegt ein innergemein-schaftliches Verbringen vor. Anders bei grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen: Diese waren bis jetzt nicht steuerbar. Das Reverse-Charge-Verfahren in Form des § 13b UStG kam in diesen Fällen bisher nicht zur Anwendung.

Dies war für Unternehmen interessant, wenn Betriebsstätte oder aber Stammhaus sog. Ausschlussumsätze nach § 15 Abs. 2 UStG ausführten und daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren. Durch die Annahme von nicht steuerbaren Innenumsätzen kam es zu keinen Umsatzsteuerbelastungen im Konzern.

2. Einschränkung durch den EuGH
Der EuGH hat nun mit Urteil vom 17.09.2014 in der Rs. C-7/13 – Skandia entschieden, dass steuerbare sonstige Leistungen vorliegen, wenn die Betriebsstätte einer Organschaft in einem anderen Land angehört. Es soll dann zur Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens kommen.

Das Urteil erging zwar zum schwedischen Recht, es hat aber gleichermaßen Bedeutung für das deutsche Umsatzsteuerrecht, da nationale Rechtsprechung und Finanzverwaltung bislang eine andere Auffassung vertreten haben.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine US-Gesellschaft hat in einem Konzern als zentrale Einkaufsgesellschaft für IT-Dienstleistungen fungiert. Die US-Einkaufsgesellschaft verkaufte daher die IT-Dienstleistungen konzernintern weiter, u.a. an eine schwedische Betriebsstätte. Die schwedische Betriebsstätte gehörte – und dies war die Besonderheit in dem Fall – einer schwedischen Mehrwertsteuergruppe (=Organschaft) an.

Die schwedische Betriebsstätte behandelt die erworbenen Dienstleistungen als nicht steuerbare Innenumsätze und unterwarf sie daher nicht dem Reverse-Charge-Verfahren.
Der EuGH widersprach dieser Auffassung. Nach seiner Meinung ist die Betriebsstätte unselbstständiger Teil der Organschaft. „Die Betriebsstätte bildet mit den anderen Mitgliedern einen einzigen Steuerpflichtigen“, so der EuGH. Aus diesem Grund könnten die Dienstleistungen nicht als bezogene Dienstleistungen der Betriebsstätte angesehen werden, sondern seien als an die Organschaft erbrachte Dienstleistungen zu qualifizieren. Deshalb komme auch das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung und die Organschaft schulde die Umsatzsteuer.

3. Auswirkungen des Urteils
Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für Konzerne. Es ist für Umsätze eines ausländischen Stammhauses an eine deutsche Betriebsstätte ebenso wesentlich wie für Umsätze von einem deutschen Stammhaus an die Betriebsstätte in einem anderen EU-Mitgliedstaat.

Sofern die im Ausland befindliche Betriebsstätte Mitglied einer anderen umsatzsteuerlichen Organschaft ist, kann nicht mehr von nicht steuerbaren Innenumsätzen ausgegangen werden. Es handelt sich dann um „normale“ Ausgangsumsätze, auf die das Reverse-Charge-Verfahren angewendet wird.

Dies hat zunächst zur Folge, dass die unechten Innenumsätze identifiziert und entsprechend verbucht werden müssen. Denn zukünftig müssen relevante Umsätze ausgangsseitig in die Zusammenfassende Meldung aufgenommen werden, und demnach hat die Betriebsstätte entsprechende Reverse-Charge-Umsätze zu deklarieren.

Das wird zumindest dann der Fall sein, wenn die deutsche Finanzverwaltung sich für die Umsetzung des Urteils entscheidet. Davon ist aber auszugehen, da es sich um eindeutige Aussagen des EuGH handelt, die auf das deutsche Recht übertragen werden können. Die Finanzverwaltung wird die Regelungen in Abschn. 2.9 Abs. 2 S. 2 UStAE anpassen müssen. Es bleibt zu hoffen, dass ein Übergangszeitraum gewährt wird.

Organisatorisch mag das alles noch zu stemmen sein, problematisch wird es aber, wenn Betriebsstätte oder Stammhaus nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Denn dann kommt es zu umsatzsteuerlichen Mehrbelastungen. Betroffen werden insbesondere Finanzdienstleistungsinstitute sein. Für sie wird es sich umsatzsteuerlich nicht mehr lohnen, z.B. IT-Dienstleistungen über eine ausländische Betriebsstätte einzukaufen und an das deutsche Stammhaus als nicht steuerbare Innenumsätze weiterzubelasten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die ausländische Betriebsstätte Mitglied eines anderen Organkreises ist. Als Ausweg kommt dann nur die Auflösung der Organschaft in dem anderen EU-Mitgliedstaat in Betracht.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 07.10.2014