Umsatzsteuer Newsletter 24/2014
Betriebsstätte auch ohne eigenes Personal und eigene Ausstattung?
Erbringt ein Unternehmer sonstige Leistungen i. S. d. § 3a Abs. 2 UStG an eine Betriebsstätte eines anderen Unternehmers, liegt der Ort der Leistung dort, wo sich die Betriebsstätte befindet. Wann eine Betriebsstätte vorliegt, ist oft nicht leicht zu bestimmen. Insbesondere dann, wenn der Leistungsempfänger fremdes Personal und fremde Sachmittel einsetzt. In der aktuellen Rechtssache Welmory hatte sich der EuGH mit dieser Frage zu beschäftigen. Nach seiner Erkenntnis kann wohl auch in einem solchen Fall eine Betriebsstätte vorliegen.

Mit dem Urteil vom 16.10.2014 in der Rechtssache Welmory (C-605/12) hat der EuGH binnen kurzer Zeit zum zweiten Mal zu Fragen der festen Niederlassung entschieden (zur Entscheidung in der Rs. Skandia vgl. unseren Newsletter 21/2014). Während die MwStSystRL den Begriff der festen Niederlassung verwendet, spricht das UStG von Betriebsstätte.

1. Sachverhalt der Rs. Welmory
Die polnische Gesellschaft Welmory sp. z o.o. (=Welmory) und die zypriotische Gesellschaft Welmory Ltd. (=Ltd.) schlossen einen Kooperationsvertrag. Die Ltd. stellte Welmory auf Basis dieses Vertrags eine Homepage in polnischer Sprache zur Verfügung. Die Ltd. nutzte hierfür die technische Ausstattung von Welmory und setzte Arbeitnehmer ein, die nicht bei ihr angestellt waren. Über diese Homepage verkaufte Welmory per Onlineauktion Produkte im eigenen Namen und auf eigene Rechnung an ihre Kunden. Die Kunden mussten zuvor bei der Ltd. die Berechtigung zur Abgabe eines Gebots erwerben. Durch den Produktverkauf über die Homepage erbrachte Welmory im Jahr 2010 u. a. auch Werbeleistungen an die Ltd. Ungeklärt war, wo sich der Leistungsort dieser Werbeleistungen befindet. Infrage kamen dabei der Sitz der Ltd. (Zypern) oder eine feste Niederlassung der Ltd. in Polen, sofern eine solche bestand. In letzterem Fall hätte der Ort der Leistung von Welmory an die Ltd. in Polen gelegen. Zu bestimmen hatte der EuGH den Ort der Leistung lediglich für die Leistungen von Welmory, nicht aber für die Leistungen der Ltd.

Kernfrage der Entscheidung war, ob eine feste Niederlassung auch dann vorliegt, wenn der Leistungsempfänger fremdes Personal und fremde Sachmittel (des Leistenden) einsetzt.


 2. Aussagen des EuGH
Nach Ansicht des EuGH sollen die Regelungen zum Ort der Leistung Kompetenzkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten vermeiden. Weder soll es zu einer Doppel- noch zu einer Nichtbesteuerung kommen. Vorrangiger Anknüpfungspunkt nach der Grundregel des Art. 44 MwStSystRL sei der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Leistungsempfängers. Dies erleichtere den Behörden und dem Leistenden die Bestimmung des Leistungsorts. Es handle sich um ein objektives Kriterium, das sich leichter überprüfen lasse als das Bestehen einer festen Niederlassung. Nur ausnahmsweise sei auf den Ort der festen Niederlassung abzustellen.

Art. 11 Abs. 1 MwSt-DVO fordert für eine feste Niederlassung für Zwecke des Leistungsbezugs einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur, die es der Niederlassung von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen für den eigenen Bedarf der Niederlassung zu empfangen und dort zu verwenden. Auch wenn die MwSt-DVO erst seit 01.07.2011 in Kraft ist, hat sie nach Ansicht des EuGH auch Bedeutung für die Rechtsanwendung auf Zeiträume davor. Denn die MwSt-DVO sollte bestimmte Begriffe zum Ort der Leistung klarstellen. Die MwSt-DVO berücksichtigt hierbei die bisherige Rechtsprechung des EuGH.

Der EuGH hat offengelassen, ob auf Basis der hier vorliegenden Umstände eine feste Niederlassung anzunehmen ist. Sollten die für den Leistungsbezug erforderlichen Sachmittel (Server, Software etc.) außerhalb Polens liegen, würde die Ltd. über keine feste Niederlassung in Polen verfügen. Denn ohne diese Sachmittel könnte die Ltd. die Leistungen von Welmory in Polen nicht empfangen und verwenden. Dies scheint für den EuGH allein maßgeblich zu sein.
Ob die Niederlassung von Polen aus selbst Leistungen erbringen könnte, darauf kommt es dem EuGH anscheinend nicht an. Zwar spricht er im Tenor davon, dass es die personelle und sachliche Ausstattung der Niederlassung erlauben muss, Dienstleistungen für ihre wirtschaftliche Tätigkeit zu beziehen. Unklar bleibt, ob der EuGH damit fordert, dass die Niederlassung selbst Leistungen an Dritte erbringen können muss. Dagegen sprechen die Urteilsgründe, in denen der EuGH auf den Bezug der Leistung für die wirtschaftliche Tätigkeit der Ltd. abstellt (vgl. Tz. 59, 61). Da in der Rs. Welmory die feste Niederlassung, läge sie vor, aufgrund der besonderen Umstände auch eine Niederlassung für Zwecke der Leistungserbringung wäre, können aus der Formulierung des Tenors kaum verallgemeinerungsfähige Schlüsse gezogen werden.

Zur Frage, ob und unter welchen Umständen fremdes Personal und fremde Sachmittel eine feste Niederlassung begründen können, äußert sich der EuGH nicht ausdrücklich. Würde er dies grundsätzlich als nicht ausreichend betrachten, hätte er dem vorlegenden Gericht wohl entsprechende Hinweise gegeben. So jedenfalls erklärte er sich hinsichtlich der technischen Ausstattung, sollte sie außerhalb Polens liegen.

3. Hinweise für die Praxis
Ob eine feste Niederlassung vorliegt, ist stets im Einzelfall zu bestimmen. Auch in Fällen, in denen Unternehmer fremdes Personal und fremde Sachmittel einsetzen, sollten sie diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Für den Leistenden ist dies entscheidend für die Frage, ob er unter Ausweis von Umsatzsteuer abrechnen muss oder ob der Leistungsempfänger die Steuer schuldet. Aufseiten des Leistungsempfängers ist dies für den Vorsteuerabzug von Bedeutung.

Ansprechpartner:

Thomas Streit, LL.M. Eur
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 75
thomas.streit@kmlz.de

Stand: 19.11.2014